Herne. Die Ausländerbehörde in Herne ist an ihrer Grenze angekommen: Täglich gehen 3000 Anrufe ein, hinzukommen 500 Mails. Was die Stadt dazu sagt.
- Täglich gehen rund 3000 Anrufe und 500 Mails im Ausländeramt ein.
- Betroffene klagen, dass sie deshalb keine Ansprechpartner finden.
- Stadt Herne räumt Probleme ein und verweist auf fehlende Mitarbeiter.
Unzählige Anrufe am Tag – und kein Durchkommen, unbeantwortete E-Mails, Unfreundlichkeit: Die Liste mit Beschwerden über das Ausländeramt in Herne nimmt immer weiter zu. Einige Betroffene haben sich in den vergangenen Wochen an die WAZ gewandt und von ihren Problemen mit dem Ausländeramt berichtet.
So auch Cüneyt Temizsoy: Seine Eltern brauchten eine Verlängerung des Aufenthaltstitels für den Reisepass, berichtet er. Um bei der Verständigung zu helfen, habe er seine Eltern zur Ausländerbehörde begleitet. „Als wir dort ankamen, gab es schon lautes Geschrei.“ Nach einer Weile sei der Name aufgerufen worden, allerdings nur der des Vaters. Für die Mutter gebe es keinen Termin, sei ihm gesagt worden. „Dann wurde uns die Tür vor der Nase zugeknallt.“ Im Endeffekt habe es dann aber doch für beide Eltern geklappt, da er die Mail mit der Terminvereinbarung habe vorzeigen können. „Ich habe Verständnis dafür, dass gerade in Zeiten von Corona nicht alles einfach ist“, sagt Temizsoy. „Aber die Menschlichkeit darf trotz allem nicht auf der Strecke bleiben.“
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Einen anderen Vorfall schildert Ahmad Shihabi. Für seinen neuen Job habe er eine Verlängerung des Aufenthaltstitels gebraucht. „Ich habe 50 Mal am Tag bei der Ausländerbehörde angerufen, aber es ist niemand dran gegangen“, berichtet er. Da er die Bescheinigung brauchte, um den neuen Job antreten zu können, drängte die Zeit. Auch bei ihm habe schlussendlich doch noch alles pünktlich geklappt. Diese Lage sei für viele Geflüchtete aber sehr angespannt, denn sie wüssten nicht, wie es weitergehe, wenn ihre Aufenthaltstitels nicht verlängert würden, so Shihabi. „Nicht jeder weiß, dass er Monate, bevor sein Dokument abläuft, einen Termin vereinbaren muss.“
Stadt sind Probleme bekannt: „Wir werden zurzeit unseren Ansprüchen nicht gerecht“
All diese Probleme und die Beschwerden sind der Stadt bekannt. Angefangen habe alles mit der sogenannten Flüchtlingswelle 2015. Nach einem enormen Anstieg seien die Wartezeiten im Laufe der Zeit dann aber wieder „im Rahmen“ gewesen, sagt Dezernent Frank Burbulla in einem Gespräch mit der WAZ. Zwei bis drei Monate habe man auf einen Termin warten müssen. Mittlerweile liege die Wartezeit bei einem halben Jahr.
Dafür gebe es mehrere Gründe: Zum einen die „extreme“ Zahl an Anrufen, die in der Ausländerbehörde eingingen – 3000 täglich. Acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter säßen an den Servicenummern, um all diese Anrufe entgegenzunehmen. Zum anderen seien die Fallzahlen enorm angestiegen. Von knapp 20.000 im Jahr 2011 auf mittlerweile etwa 34.000, berichtet Volker Hinz, Leiter der Ausländerbehörde.
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Ein weiteres Problem: Die Stadt finde kein Personal. Die Aufgaben seien herausfordernd, die Kräfte, die in Frage kommen und Interesse haben, rar. 35 Stellen gebe es zurzeit, von denen acht unbesetzt seien. „Wir werden zurzeit unseren Ansprüchen nicht gerecht“, betont Burbulla. Das beziehe sich jedoch nicht auf die inhaltliche Qualität der Arbeit. Und die sei bei diesen oft komplexen Themen wichtig, betont Hinz. „Wir können nicht einfach jemanden ohne Fachkompetenz ans Telefon setzen, davon hat niemand etwas.“
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für bestimmte Situationen geschult
Neben den Anrufen gebe es täglich etwa 500 Mails, dort dauere die Bearbeitung meist zwei bis drei Monate. Hinz betont: „Stelle ich den Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis rechtzeitig, dann gilt der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als rechtmäßig, auch wenn man ein abgelaufenes Dokument hat.“ Zu der ohnehin schon angespannten Lage komme hinzu, dass viele Syrerinnen und Syrer, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, nun das Recht hätten, sich einbürgern zu lassen.
Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unfreundlich mit den Menschen umgingen, kann die Stadt dagegen nicht bestätigen. Wenn jemand einen solchen Fall habe, könne er sich direkt vor Ort beschweren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden dafür geschult, in Konfliktsituationen richtig zu reagieren, so Hinz.
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Mit einer Entspannung ist erst Ende 2023 zu rechnen
„Wir sind uns bewusst, dass es nicht rund läuft“, sagt Burbulla. Allerdings gebe es einige Hinweise, wie die angespannte Lage in dem Amt nicht noch weiter strapaziert werde: „Lieber Mails schreiben, statt anrufen.“ Außerdem sollte nicht zu oft nachgefragt werden – „das sorgt nur dafür, dass sich alles noch weiter verzögert und Leitungen belegt werden.“ Wenn eine Mail nach drei Monaten nicht beantwortet sei, könne jedoch nachgefragt werden.
Doch was wollen Stadt und Ausländerbehörde tun, um die Situation zu entspannen? „Wir haben zwei neue Stellen geschaffen und diese besetzt“, sagt Burbulla. Im nächsten Monat werde zudem eine, im Januar zwei Stellen besetzt. Wenn keine weiteren Abgänge oder wieder höhere Fallzahlen hinzukämen, sei mit einer Normalisierung aber trotzdem erst gegen Ende 2023 zu rechnen, so Burbullas Aussicht.