Herne. Die Stadt Herne muss Millionenlöcher stopfen und will deshalb die Grundsteuer B erhöhen. Welche Mehrkosten nun auf die Bürger zukommen sollen.
- Hernes Kämmerer Hans Werner Klee hat im Rat seinen Haushaltsentwurf für 2023 präsentiert.
- Wegen der vielen Millionenlöcher will er die Grundsteuer B um 20 Prozent anheben.
- Der Rat soll über das Finanzpaket Ende des Jahres entscheiden.
Im städtischen Haushalt in Herne klaffen immer neue Millionenlöcher: „So dramatisch war es noch nie“, sagte Hernes Kämmerer Hans Werner Klee am Rande der Ratssitzung zur WAZ. Dort schlug der städtische Finanzchef am Montag, als er seinen Haushaltsentwurf für 2023 vorstellte, Alarm. Ohne zusätzliches Geld von Bund und Land habe Herne überhaupt keine Perspektive mehr. Um zumindest kurzfristig die vielen neuen Millionenlöcher zu stopfen, soll die Grundsteuer B – also die Steuer auf Wohneigentum – ab 2023 um rund 20 Prozent angehoben werden. Betroffen wären alle Hausbesitzerinnen und -besitzer, und wer von ihnen Mieterinnen und Mieter hat, gibt die Mehrkosten meist gleich an diese weiter.
„Herner Haushalt 2023 – Quo vadis?“: Unter diesen Titel stellte der Kämmerer im Rat seine Haushaltsrede. Ja, wohin wird der Haushalt führen? Das wisse er selbst nicht, bekannte Klee. Vor einem Jahr habe „nur“ Corona die Bilanzen durcheinandergewirbelt, nun sei noch eine „Welt von zunehmender Unsicherheit“ dazugekommen: „Quasi jagt eine Krise die nächste“. Nur einige Stichworte: Ukraine-Krieg, Rohstoffmangel, eine sich verschärfende Klimakrise, explodierende Energiepreise und Baukosten. Er sei „in großer Sorge“, das viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt deshalb „ihren Lebensunterhalt nicht mehr zahlen können“. Die Auswirkungen auf die Stadt und den städtischen Haushalt seien noch gar nicht abzusehen. Allein: „Eines ist sicher, ein Weiter so wird es nicht geben können.“
Herne: Grundsteuer B soll von 745 Hebesatzpunkten auf 890 steigen
Klar sei aber, dass nach den bisherigen Berechnungen viele Millionen Euro fehlten. Neue Schulden darf die Stadt aber nicht machen, deshalb müsse gespart werden, was aber kaum bis gar nicht mehr möglich sei. Um die Millionenlöcher zu stopfen, schlägt Klee der Politik unter anderem vor, besagte Grundsteuer B von aktuell 745 Hebesatzpunkten auf 890 anzuheben. Zuletzt wurde die Grundsteuer in Herne 2018 erhöht: von 600 auf 745 Hebesatzpunkte.Bereits vor einem Jahr wollte die Stadt diese Steuer anheben, damals aber „nur“ um rund 11 Prozent. Weil sie damals aber noch andere Wege fand, um den Haushalt auszugleichen, verzichtete die Stadt darauf.
Nun also soll die Erhöhung kommen. Wer beispielsweise eine 100 Quadratmeter große Eigentumswohnung aus dem Baujahr um 2000 besitze, müsse mit rund 102 Euro zusätzlicher Grundsteuer im Jahr rechnen, rechnet die Kämmerei für die WAZ vor. Wer ein Einfamilienhaus mit 130 Quadratmetern Wohn- und 350 Quadratmetern Grundstücksfläche aus dem Jahr um 2005 habe, wäre mit zusätzlichen 135 Euro im Jahr dabei. Und wer ein älteres Mehrfamilienhaus mit sechs bis acht Wohnungen besitze, der würde knapp 240 Euro jährlich mehr zahlen; auf die Mieter kämen dann etwa 40 Euro im Jahr hinzu.
Leicht falle ihm dieser Schritt nicht, so Klee im Rat. Die Bürgerinnen und Bürger würden aktuell ohnehin schon durch die hohen Inflationsraten belastet. Die Erhöhung der Grundsteuer wäre deshalb „nur opportun zum Erhalt der Handlungsfähigkeit für die Weiterentwicklung der Stadt“. Mehreinnahmen in Höhe von 5,5 Millionen Euro verspricht sich Klee davon.
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Das aber reiche bei Weitem nicht aus. Durch eine Erhöhung der Rettungsdienstgebühren, die der Rat vor der Sommerpause bereits beschlossen hat, sollten weitere 10 Millionen Euro jährlich von den Krankenkassen fließen. Außerdem will der Kämmerer Beihilferückstellungen neu bewerten und durch diesen Kniff den Haushalt um einmal 30 Millionen Euro entlasten. Nicht zuletzt hat Klee in seiner Rechnung bereits eine Lösung für die hohen Altschulden der Stadt durch Bund und Land eingeplant: Ein Plus von 6 bis 8 Millionen Euro pro Jahr.
Breche nur eine dieser Maßnahmen weg – was der Kämmerer als „nicht unwahrscheinlich“ bezeichnete -, oder täten sich neue Millionenlöcher auf – was er ebenfalls alles andere als ausschließt –, dann könne die Stadt den geforderten Haushaltsausgleich nicht schaffen, sprich: Ein Wirtschaften ohne neue Schulden sei nicht mehr möglich. Hinzu komme die Corona-Pandemie, die den Haushalt bis Ende vergangenen Jahres bereits mit 45 Millionen Euro belastet habe. Die Corona-Schäden aber tauchen im Haushalt gar nicht auf, weil sie herausgerechnet werden durften. Das Problem: Bezahlt werden müssten sie trotzdem, ab 2025 tauchen sie dann im Haushalt auf – und sorgen für neue Löcher, die gestopft werden müssen.
Angesichts dieser „Dramatik“ wiederholt Klee gebetsmühlenartig seine Forderungen nach mehr Hilfen durch Bund und Land. So forderte er im Rat unter anderem eine bessere Flüchtlingsfinanzierung, eine „echte weitere Erstattung von Corona-Hilfen“, eine Neuordnung der Schulfinanzierung, insbesondere für Digitalisierung, den Offenen Ganztag und Räume für Flüchtlingskinder sowie eine Reform der Kita-Finanzierung, damit Städte weniger zuschießen müssen.
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Der vorgelegte Haushaltsentwurf und die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen werden in den kommenden Wochen in den städtischen Gremien und Bezirksvertretungen beraten. Ziel des Kämmerers ist es, dass der Rat Ende November den Haushalt beschließt – so wie vorgeschlagen oder geändert.
Ob das aber überhaupt mit all den Unsicherheiten möglich ist, sei gar nicht abzusehen. Ob die Stadt diese Zeitplanung halten könne, würden die Entwicklungen in den nächsten Monaten zeigen.