Herne. . Herne will erstmals seit Jahrzehnten im kommenden Jahr keine neuen Schulden machen. Dafür müssen die Bürger aber tiefer in die Tasche greifen.
- Herner Stadtrat beschließt mit breiter Mehrheit Haushalt für das kommende Jahr
- Erstmals seit Jahrzehnten sind keine neuen Schulden geplant, dafür kommen Steuererhöhungen
- Opposition stimmt fast geschlossen gegen die Pläne von Stadtkämmerer Hans Werner Klee
Die gute Nachricht lautet: Der Haushalt für das kommende Jahr ist unter Dach und Fach. Die schlechte Nachricht: Damit die Stadt keine Verluste schreibt, muss kräftig gespart werden, auch die Bürger müssen einmal mehr tiefer in die Tasche greifen. So wird die Grundsteuer B ab Januar deutlich erhöht. Das beschloss der Rat am Dienstagabend. Er gab mit breiter Mehrheit grünes Licht für das Finanzpaket von Kämmerer Hans Werner Klee.
Für den Haushalt 2018 gibt es eine Besonderheit: Herne darf keine neuen Schulden machen, muss also erstmals seit Jahrzehnten den so genannten Haushaltsausgleich schaffen. Das hat die Stadt im „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ mit dem Land beschlossen. Um diese „schwarze Null“ zu erreichen, erhält Herne über die Jahre 115 Millionen Euro aus Düsseldorf, muss aber im Gegenzug auch selber 258 Millionen Euro aufbringen.
10-Millionen-Euro-Loch auf der Zielgeraden gefüllt
Für das kommende Jahr hat der städtische Finanzchef – zunächst nur auf dem Papier – eine Punktlandung hingelegt. Das war in den vergangenen Monaten noch nicht abzusehen, klaffte doch zuletzt noch ein 10-Millionen-Loch im Haushalt. Dank höherer Schlüsselzuweisungen des Landes konnte es auf der Zielgeraden gefüllt werden.
Auf die geplante Anhebung der Grundsteuer B aber kann die Stadt laut Kämmerer Klee nicht verzichten. Ohnehin geplant war ein Plus ab Januar 2018 von 600 auf 695 Hebesatzpunkte, nun wird die Abgabe sogar auf 745 angehoben. Immerhin: Es sind nicht 775 Hebesatzpunkte, wie es zwischenzeitlich auch im Gespräch war.
Bettina Szelag: „Kröte, die wir schlucken mussten“
„Schlimm genug“ nannte SPD-Fraktionschef Udo Sobieski die abgefederte Anhebung der Grundsteuer B in seiner gut 20-minütigen Haushaltsrede. Allein: Würde Herne darauf verzichten, könnte die Stadt „sofort auf den Besuch des Sparkommissars warten“. Ähnlich äußerte sich CDU-Fraktionschefin Bettina Szelag. Sie nannte die Steuer-Erhöhung „eine notwendige Maßnahme“, „die Kröte, die wir wohl schlucken mussten“.
Dass das Loch im Haushalt für 2018 noch gefüllt wurde, sei dem Land zu verdanken, sagte Szelag. „CDU-geführte Landesregierung rettet Herner Haushalt“ – so umschrieb sie ihre Rede. Und listete, unter wiederholtem Lob für die neue Landesregierung, zehn „Pluspunkte“ auf, die zeigen sollten, warum Herne mit Schwarz-Gelb „richtig Schwein gehabt“ habe — etwa dadurch, dass Düsseldorf die verstärkten Schlüsselzuweisungen überwiesen habe. Udo Sobieski, Fraktionschef vom Koalitionspartner SPD, sah das naturgemäß anders. Die zusätzlichen Schlüsselzuweisungen seien „im Wesentlichen ein reiner Steuereffekt“. „Es handelt sich hierbei keinesfalls um eine besondere Leistung oder sogar ein Geschenk der neuen Landesregierung“, betonte er.
Rot-Schwarz und UB sagen ja zum Haushalt
Einig waren sich die Rats-Kooperationspartner am Ende aber bei der Abstimmung. Sie sagten Ja zum Finanzplan des Kämmerers. Im Gegensatz zur Opposition. Sie ließ zum großen Teil kein gutes Haar am Haushalt und lehnte ihn ab; nur die Unabhängigen Bürger (UB) stimmten ihm zu. Auch die Grünen sagten Nein. Zwar sei der Haushaltsausgleich da, so Grünen-Fraktionschef Thomas Reinke. Allein: Am Ende zahlten die Herner für die „schwarzen Nullen“ — mit Steuern auf Rekordniveau.
Dass es in den kommenden Jahren trotz des geplanten Haushaltsausgleichs im kommenden Jahr nicht leichter wird, darüber herrschte Einigkeit im Stadtparlament. Herne befinde sich „auf einem sehr, sehr schmalen Grat“, sagte SPD-Fraktionschef Sobieski. Bund und Land übertrügen der Stadt immer mehr Aufgaben, ohne ihr hierfür einen finanziellen Ausgleich zu gewähren, kritisierte er. Ähnlich die CDU-Fraktionsvorsitzende Szelag: „Die hohen Sozialausgaben für Aufgaben, die uns ohne ausreichende finanzielle Ausstattung von oben diktiert werden, brechen uns auf Dauer das Genick.“
>> Das sagt die Opposition zum Haushalt
Grüne
Der Kämmerer freue sich über eine „schwarze Null“, hole sich aber die dafür notwendigen Gelder bei den Bürgern, so Grünen-Fraktions-Chef Thomas Reinke. Die Grünen lehnten die Erhöhung der Grundsteuer B wie schon 2014 ab und stimmten deshalb gegen den städtischen Entwurf. Ein Ende der Belastungen sei noch längst nicht erreicht. Es sei nicht zu erwarten, dass Herne und andere Kommunen mit Auslaufen des Stärkungspakts in zwei Jahren finanziell gesund seien. Stärkungspakt, Sonderinvestitionsprogramme und weitere Instrumente ersetzten nicht eine langfristige und bedarfsorientierte Finanzausstattung der Gemeinden. Beim Abbau der Altschulden könne nur der Bund helfen. Dieser sei für einen Großteil dieser Schulden verantwortlich, so Reinke. Auch die schwarz-gelbe Landesregierung habe bereits Entscheidungen zu Ungunsten von Städten wie Herne getroffen.
Linke
Trotz erheblicher Kraftanstrengungen werde es Herne nach sieben Jahren Stärkungspakt nicht gelingen, die Finanzen nachhaltig zu sanieren, so Linke-Fraktions-Chefin Veronika Buszewski. Das sei angesichts des strukturellen Fehlers beim Aufstellen von Haushaltsplänen auch gar nicht möglich: Zahlen würden unabhängig von der Realisierbarkeit „dargestellt“. Kommunen müssten aber über eine solide Grundfinanzierung verfügen können. Dazu würde unter anderem die von der Linkspartei vorgeschlagene Vermögenssteuer beitragen. Und: Um gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen und Kommunen zu schaffen, sei ein verbindliches Anhörungs- und Mitwirkungsrecht der Kommunen auf Bundesebene bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen und Verordnungen notwendig.
Piraten-AL
Auch die Fraktion Piraten-Alternative Liste (AL) lehnt den Haushalt 2018 wegen der Grundsteuererhöhung ab. Der Haushalt sei eigentlich ohnehin nicht genehmigungsfähig, doch Land und Bezirksregierung kapitulierten schon selbst vor ihren eigenen kranken Finanzstrukturen, erklärt Fraktions-Chef Bernd Schroeder. Die 1,9 Millionen Euro, die dem Bürger zusätzlich aufgebürdet würden, seien angesichts künftiger Belastungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Eine Gemeindefinanzreform sei unausweichlich. Oberbürgermeister Frank Dudda und der Verwaltung bescheinigt Schroeder hervorragende Arbeit. Die Probleme seien dadurch im Kern aber nicht kleiner geworden.
FDP
Unter großen Bauschschmerzen habe die FDP bisher die Sparmaßnahmen in Herne mitgetragen, so FDP-Ratsherr Thomas Bloch. Die Belastungsgrenze sei jedoch erreicht. Die Freien Demokraten lehnten deshalb den Haushaltsentwurf und die darin verankerte erneute Erhöhung der Grundsteuer B ab. Er halte es auch für äußerst fraglich, so Bloch, dass die Stadt bis 2021 aus eigener Kraft den Haushaltsausgleich schaffe. Weitere Einsparungen seien nicht möglich - außer durch die Senkung von Standards in allen Bereichen. Ein neues Gemeindefinanzierungsgesetz müsse her.
AfD
Die AfD lehne zusätzliche Sparmaßnahmen ab, da sie auf Kosten von Attraktivität und Bürgerfreundlichkeit gingen, erklärt Armin Wolf (AfD). Der vorliegende Haushalt sei unglaubwürdig und materiell nicht genehmigungsfähig. Wechselseitige Schuldzuweisungen von SPD und CDU täuschten auch nicht darüber hinweg, dass Vertreter dieser Parteien in den Regierungen die Situation mit verursacht hätten. Der Bürger sei aber weder blind noch dumm und durchschaue dieses Gesamtbild voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Der AfD-Stadtverordnete beklagt, dass das politische Handeln grundsätzlich einer falschen Ideologie des Sparens bei gleichzeitiger naiver Zuwanderungseuphorie unterliege. Die Integration von Einwanderern sei mit den zur Verfügung stehenden Mitteln für Herne nicht leistbar.
Unabhängige Bürger
Die Unabhängigen Bürger stimmten dem Haushalt als einzige Oppositionspartei zu – auch wenn er nicht mit allem einverstanden sei, sagte Ratsherr Bernd Blech. Er foderte vom Bund einen Schuldenschnitt. Und: Noch mehr sparen könne Herne nicht: „Die Zitrone ist nciht nur ausgepresst, sie ist gar nicht mehr da“, sagte er.