Herne. Nach dem Corona-Knick sprudeln in Herne wieder die Gewerbesteuern - und das kräftig. Doch Kämmerer Hans Werner Klee bleibt realistisch.
Nach dem Corona-Knick sprudeln in Herne wieder die Gewerbesteuern - und das kräftig. Doch Hernes Kämmerer Hans Werner Klee zeigt sich im Gespräch mit der Herner WAZ sehr zurückhaltend und realistisch. „Dabei handelt es sich um eine Momentaufnahme, von der man sich nicht täuschen lassen darf.“ Das sind die Gründe.
Zunächst zu den Zahlen: 2017 und 2019 sei noch eine Stagnation unterhalb der erwarteten Erträge zu beobachten gewesen. 2019 hätten die Erträge angefangen zu steigen - die Gewerbesteuereinnahmen erreichten 49,1 Millionen Euro. Im Corona-Jahr 2020 sackte diese Summe auf 42,9 Millionen Euro ab, um ein Jahr später schon auf 48,4 Millionen Euro zu steigen. Für das laufende Jahr zeigten die Daten mit Stand vom 10. Mai, dass am Ende von 2022 ein Allzeithoch von 54,2 Millionen Euro an Gewerbesteueraufkommen stehen könnte. Doch für Klee ist das kein Grund für Euphorie. Es sei überhaupt noch nicht vorhersehbar, wann sich die Auswirkungen des Ukraine-Krieges in den Zahlen bemerkbar machten werden.
Beim Blick zurück auf die Coronakrise hänge es von der Branche ab, wie sie die Pandemie weggesteckt hätten. Die Probleme in der Gastronomie sind auch in der Herner WAZ vielfach thematisiert worden, die Logistikbranche sei teilweise als Gewinner aus der Krise hervorgegangen, so Klee. Ein Beispiel: das Container Terminal Herne.
7,7 Millionen Euro im Jahr 2021 durch Neuansiedlungen und Erweiterungen
Dass im Problemjahr 2020 die Gewerbesteuern um 13 Prozent eingebrochen waren - und damit nicht so stark wie in anderen Kommunen -, hänge mit einer recht guten Unternehmensstruktur zusammen. „Unter den Top 100 Gewerbesteuerzahlern in Herne sind 67 verschiedene Branchen vertreten“, so der Kämmerer. Dazu hätten auch Neuansiedlungen und Erweiterungen, die seit 2014 realisiert worden seien, beigetragen. Im Jahr 2021 seien durch sie rund 16 Prozent des Gewerbesteueraufkommens erzielt worden. Das entspricht einem Betrag von rund 7,7 Millionen Euro. Unternehmen, die in mehreren Städten Standorte haben, müssen dort auch Gewerbesteuern zahlen. Diese wird nach einer Formel berechnet, bei der unter anderem die Arbeitslöhne in den Standorten eine Rolle spielen. Interessant: Wenn Firmen mehr als ein halbes Jahr in einer Stadt arbeiten, auch wenn sie dort keinen festen Standort haben, müssen sie Gewerbesteuer zahlen. Das trifft beispielsweise auf jene Firmen zu, die am Bau des neuen Gas- und Dampfkraftwerks der Steag beteiligt waren.
„Im Moment läuft es sehr rund“, so Klee. Herne profitiere noch von der guten Entwicklung der vergangenen zehn Jahre - was sich unter anderem auch in der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze widerspiegele. Lag diese Zahl 2015 bei 42.880, so stieg sie bis 2021 auf 48.690. Doch die Risiken für den Herner Haushalt seien nicht zu übersehen. Zwar haben die Unternehmen Corona gut überstanden, allerdings laufen die Kosten quasi nebenher. 2020 hatte der NRW-Landtag beschlossen, dass die Städte die „pandemiebedingten Finanzschäden“ isoliert vom Haushalt auflisten könne, um sie dann ab 2025 über einen Zeitraum von 50 Jahren abzuschreiben.
Risiken: Lieferketten, Fachkräftemangel und steigende Baupreise
Hinzu könnten Probleme durch gerissene Lieferketten und Fachkräftemangel kommen. Bekämen Unternehmen kein Material oder kein Personal, um Aufträge zu bearbeiten, könne sogar Kurzarbeit drohen - und in der Folge ein sinkender Umsatz, der sich wiederum auf das Gewerbesteueraufkommen auswirke.
Kopfzerbrechen mit Blick auf den Gesamthaushalt bereiten Klee auch die Preissteigerungen und steigenden Zinsen. Gerade bei den Bauvorhaben der Stadt sei nicht erkennbar, wie sich die Preise entwickeln. So gebe es bei den Bauleistungen Preissteigerungen von 10 bis 15 Prozent. Was das für den Haushalt bedeuten kann, offenbart ein Blick auf das größte städtische Bauprojekt in der Geschichte Hernes: die neue Feuerwache. Rund 100 Millionen Euro sind zurzeit für das Vorhaben veranschlagt.
Forderung an Bund und Land: Schnelle Lösung der Altschuldenfrage
Eine weitere Unsicherheit ergebe sich durch steigende Zinsen. Sollten diese nur um ein Prozent steigen, bedeute das bei den 500 Millionen Kassenkrediten, die Herne zum kurzfristigen Erhalt der Zahlungsfähigkeit mit sich rumschleppt, eine Mehrbelastung von fünf Millionen Euro. All diese Belastungen könne eine Kommune - im Gegensatz zu Unternehmen - nicht einfach weitergeben, so Klee. Am Ende bleibe womöglich doch nur die Ultima ratio: Erhöhung der Grundsteuer B.
Angesichts dieser großen Unsicherheit hat Klee zwei Forderungen an die Landes- und Bundespolitik: eine schnelle Lösung für die Altschulden der Städte (weil in absehbarer Zeit die Zinsen steigen könnten) und eine generelle Reform der Kommunalfinanzierung.