Herne. Die Parfümerie Pieper mit Sitz in Herne feiert ihren 90. Geburtstag. Im Interview spricht Oliver Pieper über die Coronazeit und die Zukunft.

Die Parfümerie Pieper feiert ihr 90-jähriges Bestehen. Geschäftsführer Oliver Pieper erläutert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann, wie das Familienunternehmen durch die Corona-Krise gekommen ist und wie es sich in Zukunft entwickeln will.

Herr Pieper, das Unternehmen feiert runden Geburtstag. Ist Ihnen angesichts der Corona-Krise zum Feiern zumute?

Oliver Pieper: Das 2. Corona-Jahr hat unser Jubiläumsjahr leider schwer beeinflusst. Statt vieler Aktionen über das gesamte Jahr verteilt, haben wir uns auf den September konzentriert und gemeinsam mit den Kunden schöne und unbeschwerte Stunden erlebt. Die übliche Feier mit den Mitarbeitern werden wir im nächsten Jahr nachholen und darauf freuen wir uns sehr.

Wie sehr hat die Coronakrise das Unternehmen getroffen?

Der Einzelhandel war in Deutschland durch lange Schließungszeiten übermäßig wirtschaftlich negativ von den Maßnahmen betroffen, stärker als in den meisten europäischen Ländern. Diese Zeit war durch Unsicherheiten sehr belastend für die Mitarbeiter, aber auch für mich selbst. Wie lange wird geschlossen sein? Welche Maßnahmen unternimmt der Staat? Gibt es Überbrückungshilfen? Es gab unglaublich viel Ungewissheit.

Ging diese Ungewissheit bis zu Existenzängsten?

Grundsätzlich ja, weil logischerweise kein Händler es geschafft hätte, ohne eine Kompensation mehrere Monate zu schließen. Als es losging war ja nicht klar, wo die Reise hingehen würde. Im Nachhinein kann man sagen, dass die Existenz nicht gefährdet war. Aber als wir zum Beispiel kurz vor Weihnachten die Türen zumachen mussten, war nicht sicher, wie das mit den Überbrückungshilfen laufen würde. Bis jetzt sind noch längst nicht alle Fragen zu dem Thema geklärt. Die Zeit hat zu einer gewissen Demut geführt, dass das, was man so über Jahrzehnte als selbstverständlich genommen hat, nicht selbstverständlich ist.

Sie haben bereits vor einigen Jahren gesagt, dass der Onlineshop inzwischen die größte Filiale ist. Inwieweit hat er die Ausfälle aus dem stationären Handel kompensieren können?

Online hat schon einiges aufgefangen und wir sind froh, dass wir bereits in den letzten Jahren stark in diesen Bereich investiert haben. Das hat uns in der Lockdown-Phase geholfen, aber das kompensiert natürlich nicht den Umsatz, der mit über 140 Filialen erwirtschaftet wird. Wir werden weiter hart daran arbeiten, das Einkaufserlebnis online auszubauen und auch zukünftig die Chancen nutzen, die stationären Geschäfte durch tolles Personal, individuelle Serviceleistungen und innovative Ideen zu stärken.

Welche Erwartungen haben Sie an das bevorstehende Weihnachtsgeschäft?

Ich glaube nicht, dass wir noch mal einen Lockdown bekommen. Ich wüsste keinen Grund, warum Geimpfte und Genesene Freiheitseinschränkungen haben sollten. Deswegen freuen wir uns auf diese für uns unglaublich wichtige Zeit des Jahres und hoffen, dass wir dieses Mal die ganze Zeit für unsere Kunden da sein können.

Oliver Pieper vor der Wand mit Fotos von allen Filialen. Während der Corona-Krise seien zwar einige Filialen geschlossen worden, doch das Unternehmen habe keinen Standort aufgegeben.
Oliver Pieper vor der Wand mit Fotos von allen Filialen. Während der Corona-Krise seien zwar einige Filialen geschlossen worden, doch das Unternehmen habe keinen Standort aufgegeben. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Pieper ist in den vergangenen Jahren auch durch Zukäufe gewachsen. Ist das Wachstum durch Corona gestoppt worden und haben Sie Filialen geschlossen?

Wir haben in Coronazeiten vereinzelt Türen geschlossen, allerdings keinen Standort aufgegeben. Wir haben zum Beispiel in Buer und Datteln jeweils aus zwei Filialen eine gemacht. Wenn wir eine Filiale geschlossen haben, haben wir die Mitarbeiter in eine andere Filiale verteilt und niemanden entlassen.

Was heißt das für die beiden Filialen, die auf der Herner Bahnhofstraße keine 200 Meter voneinander entfernt liegen?

Wir glauben an den stationären Handel und schauen uns jeden Standort individuell an. Es gibt für uns keine Zielsetzung für Filialschließungen. Es geht uns dabei auch um die Mitarbeiter und die Städte und dafür lohnt es sich zu kämpfen. Da agieren wir als Familienunternehmen anders als Konzerne.

Wie entwickelt sich generell das Verhältnis von Onlinehandel und stationärem Handel?

Der Bereich E-Commerce nimmt bei uns einen immer größeren Stellenwert ein und wir sind stolz auf die Entwicklung und Dynamik in diesem Bereich, insbesondere weil wir auch gegen sehr starke Mitbewerber antreten. Unser Ziel ist die optimale Verbindung aus stationärem und Onlinehandel und wir bieten unseren Kunden somit eine große Produktauswahl und hohen Lieferkomfort rund um die Uhr an.

Wie wollen Sie Ihr Unternehmen weiterentwickeln? Sind Zukäufe irgendwann wieder vorstellbar?

Wir sehen uns als Multichannel-Händler und möchten dementsprechend dem Kunden bei jedem Kontakt zu uns das bestmögliche Erlebnis bieten. Dies bedeutet, dass wir uns sowohl online als auch stationär stetig weiterentwickeln müssen. Wir planen auch für die Zukunft, überall dort zu sein, wo der Kunde ist.

Kommen wir zu Herne, aber auch Wanne. Gerade das „Haupthaus“ auf der Hauptstraße befindet sich in einem Umfeld mit einer nicht unproblematischen Handelsstruktur. Bleiben Sie dort?

Wir haben zu dem Geschäft in Wanne-Eickel eine besondere Bindung und bis vor einigen Jahren waren dort auch unsere Büroräume angesiedelt. Die Stadt ist bereits vor Corona hart durch den Strukturwandel getroffen worden und hat große Herausforderungen. In einer Stadt mit guter Lebensqualität muss es einen funktionierenden Dreiklang von Handel, Gastronomie und Kultur geben. Wir haben vor, noch lange in Wanne-Eickel zu bleiben und hoffen, dass auch die Stadt weiterhin Bemühungen betreibt, Wanne wieder zu beleben.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Herner Innenstadt?

Die Herner Innenstadt scheint relativ gut durch die Krise gekommen zu sein und ich glaube, dass sie sich behaupten kann. Wir merken, dass im Moment größere Städte oft sogar mehr Schwierigkeiten haben als kleine und mittlere, aber das ist sehr individuell. Essen beispielsweise hat lange mit dem Slogan „Essen, die Einkaufsstadt“ geworben. Wenn man sich gerade die Limbecker Straße anschaut, gibt es da leider echte Herausforderungen.

>>> BLICK IN DIE CHRONIK

16. Mai 1931: Gerhard Pieper und seine Mutter Anna gründen in der Rottstraße in Bochum das erste Seifengeschäft.

1936: Gründung der Filiale an der Hauptstraße 246 in Wanne-Eickel.

1940 bis 1945: Ausbombung und Zwangsenteignung. Das einzige Geschäft blieb in Wanne-Eickel.

1969: Gerd Pieper tritt ins Unternehmen

1979 bis 2006: stetiges Wachstum mit 111 Filialen in NRW und drei Filialen in Hamburg

2008: Oliver Pieper und Torsten Pieper stehen zur Nachfolge bereit.

2009: Gründung des Pieper-Online-Shops

2013: Kunden wählen die Parfümerie Pieper zum Händler des Jahres

2015: Parfümerie Pieper präsentiert mit „Knowledge by RUB“ den ersten Duft einer Universität

2018: Oliver Pieper wird alleiniger geschäftsführender Gesellschafter