Herne. Wegen Corona werden mehr Einweg-Verpackungen genutzt. Herne plant Aktionen gegen die Plastikflut. Ein Mehrwegbecher-Leihsystem soll kommen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie vor über einem Jahr nutzen die Bürger wieder verstärkt Einweg-Verpackungen: Das Aufkommen an Plastik-Umverpackungen sei seit März 2020 um rund 10 Prozent gestiegen, teilt die Stadt mit. Sie plant Aktionen gegen die Plastikflut: Unter anderem soll ein Mehrwegbecher-Leihsystem für Kitas, Schulen und Vereine kommen.

Gründe für den verstärkten Griff zum Einweg in der Corona-Krise seien Hygienemaßnahmen bei der Abgabe von Essen, teilte die Stadt auf Anfrage der Piraten mit. Und: Wegen der Lockdown-Phasen hielten sich mehr Menschen zu Hause auf – und die produzierten dadurch mehr Abfall.

Herner Piraten: Über die Nahrungskette landet der Plastikmüll auf unseren Tellern

Hakte bei der Stadt in Sachen Plastikmüll nach: Piraten-Ratsherr Lars Wind.
Hakte bei der Stadt in Sachen Plastikmüll nach: Piraten-Ratsherr Lars Wind. © Piraten | Andreas Prennig

Plastikmüll sei längst zu einer globalen Bedrohung geworden, meint Piraten-Ratsherr Lars Wind. Der Kunststoff, der in den letzten 100 Jahren produziert wurde, reiche aus, um den gesamten Erdball sechsmal einzupacken. Plastik sei allgegenwärtig – in den Meeren, der Natur, den Städten. Auch in Herne treffe man überall auf Plastik am Wegesrand, in den Straßen oder den Grünanlagen. Mehr noch: Über die Nahrungskette lande der Plastikmüll schließlich auf unseren Tellern. Wind hakte deshalb bei der Stadt nach: Was unternimmt die Verwaltung gegen die Plastikflut?

Die Stadt sei seit einigen Jahren am Ball, um Plastikmüll zu reduzieren, heißt es aus dem Rathaus. Im Mittelpunkt stehe das Aktionsbündnis „Setzt die Segel: Stoppt die Plastikflut“, das 2016 gegründet worden sei. Dort engagierten sich neben der Stadt auch Vertreter von Entsorgung Herne, Verbraucherzentrale und vom gemeinnützigen Verein „Projekt Blue Sea“. Viele Projekte seien vom Bündnis ausgegangen, darunter Marktchecks in Herner Geschäften zum Verzicht von Plastiktüten, Workshops zur Herstellung von Naturkosmetik ohne Mikroplastik, die Herausgabe des Flyers „Tatort Badezimmer“ zum Thema Mikroplastik oder Projektwochen an Berufsfachschulen zum Thema Plastikmüll. Nicht zuletzt sei ein Bildungskoffer von Projekt Blue Sea entwickelt worden, der vorwiegend von Grundschulen bei Entsorgung Herne ausgeliehen werde.

Ein weiterer Schwerpunkt seien die Maßnahmen bei Großveranstaltungen wie die Cranger Krimes. Gastronomen verpflichteten sich, Mehrweggeschirr- und besteck zu verwenden, Imbissbetriebe müssten ihre „To-Go-Produkte“ wie Bratwürstchen oder Fisch im Brötchen abgeben. Einweggeschirr- und besteck dürften nur für Essen mit Soßen verwendet werden und müssten zudem aus leicht verrottbarem Material wie etwa Pappe bestehen. Nicht zuletzt: Getränke dürften nicht in Einweggeschirr angeboten werden, Dosen, Verbundkartons und Aluminiumverpackungen seien untersagt.

Stadt plant Aktionstag „Littering“ in der Fußgängerzone

In den Städten landet viel Müll auf den Straßen und Wegen, seit Corona kommen nun auch Masken hinzu.
In den Städten landet viel Müll auf den Straßen und Wegen, seit Corona kommen nun auch Masken hinzu. © Unbekannt | Stefan Lohmann

Wegen der Pandemie seien Aktionen gegen Plastik und Einweg ausgefallen, heißt es bei der Stadt. So weit wie möglich soll es aber weitere Aktionen geben, darunter die besagte Vorstellung des Mehrwegbecher-Leihsystems für Kitas, Schulen und Vereine, ebenso eine Plastiksparwoche an der Hans-Tilkowski-Schule. In Vorbereitung befinde sich zudem ein sogenannter Aktionstag „Littering“ in der Fußgängerzone. Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis „Setzt die Segel“ und der Stadtentwässerung Herne wollten die Initiatoren in der Fußgängerzone auf achtlos weggeschmissenen Abfall wie Zigarettenkippen, Masken, Coffee-to-go-Becher oder Kaugummis aufmerksam machen. Außerdem wollten sie zeigen, welche Probleme der Abfall in der Kanalisation verursachen kann.

Piraten-Ratsherr Lars Wind begrüßt die Initiative der Stadt gegen Plastikmüll. Das „tolle Projekt“ „Setzt die Segel: Stoppt die Plastikflut“ finde aber zu wenig Beachtung: „Das Projekt muss deutlich bekannter gemacht werden“, sagt er zur WAZ. Er schlägt deshalb Plakatwände oder auch eine eigene Internetseite vor. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich deutlich einfacher zu diesem wichtigen Thema informieren können“, meint Wind.

Bündnis ruft Gastronomiebetriebe zur Aktion „Essen in Mehrweg“ auf

Das Aktionsbündnis „Setzt die Segel: Stoppt die Plastikflut“ ruft Herner Gastronomiebetriebe jetzt zur Teilnahme an der Aktion „Essen in Mehrweg“ auf. Das Bündnis möchte eine Übersicht über jene Betriebe erstellen, die Essen zum Mitnehmen in Mehrweg-Verpackungen anbieten, heißt es in einer Mitteilung. Viele Bürgerinnen und Bürger unterstützten aktuell bereits Betriebe, indem sie Essen bestellten und mitnähmen. So aber wachse auch der Berg an vermeidbaren Einwegverpackungen, die nur minutenlang benutzt würden. Sprich: Mit dem Essen hole man sich auch jedes Mal eine Menge Müll mit nach Hause, so das Aktionsbündnis.

Eine Lösung für die Umwelt – und im Sinne vieler Kunden – sei deshalb das Angebot von Essen in Mehrweg. Sei es in Gefäßen, die von Kunden mitgebracht würden, oder in Mehrweg-Verpackungen, die der Betrieb anbiete. Interessierte Betriebe können sich bei Silke Gerstler unter herne.umwelt@verbraucherzentrale.nrw melden. Das Aktionsbündnis schreibe in den nächsten Wochen zudem die Gastronomiebetriebe an oder suche sie auf. Der Lebensmittelverband Deutschland habe Vorgaben erarbeitet, die mit allen zuständigen Landesbehörden abgestimmt würden. Diese Merkblätter halte das Bündnis für die Betriebe bereit. Auch sollen Informationen zu Mehrwegsystemen und Hinweisschilder für die Bewerbung zur Verfügung gestellt werden.