Herne. Pannen, Pleiten, Peinlichkeiten ...: Nach dem überragenden Wahlergebnis läuft es nicht rund in der neuen Herner SPD-Ratsfraktion. Eine Analyse.
Mit 44,1 Prozent und 28 Ratsmandaten ist die SPD am 13. September in Herne als strahlender Sieger aus der Kommunalwahl hervorgegangen. Seitdem trüben mehrere Pannen, Pleiten und Peinlichkeiten bisweilen die Stimmung in Fraktion und Partei. Im Mittelpunkt: die SPD-Fraktionsspitze und insbesondere Fraktions-Chef Udo Sobieski (62). Eine Analyse.
Die Blamage
Klarer Fall von Überrumpelung: Schon in der zweiten Ratssitzung führte die Opposition im November die offenbar schlecht vorbereitete rot-schwarze Ratskoalition regelrecht vor. Durch ein trickreiches, aber legitimes und auch nicht völlig unübliches Abstimmungsverhalten luchsten Grüne, Linke, FDP und Piraten der SPD und insbesondere der CDU diverse Sitze in Aufsichtsräten und im LWL ab. Erst nach einigen Schlappen und noch mehr Sitzungsunterbrechungen fand die Koalition doch noch ein Gegenrezept zur Durchsetzung ihrer Mehrheit.
Der Fall Özcelik
Eine fraktionsinterne Abstimmungsniederlage der SPD-Ratsfrau Nurten Özcelik um den Vorsitz im Sozialausschuss hat sich mittlerweile zu einer Schlammschlacht entwickelt. Dafür wird in der SPD zwar vor allem das Anspruchsdenken der Stadtverordneten verantwortlich gemacht, doch auch der Umgang von SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski mit dieser Personalie wird unter Genossen - hinter vorgehaltener Hand - kritisch bewertet. Fakt ist, dass die Fraktionsspitze - wie schon bei der Besetzung der Aufsichtsgremien - einen handwerklichen Fehler beging, als sie Özcelik mal eben von der Ratsmehrheit aus allen Fachausschüssen verbannen lassen wollte. Die SPD musste sich dann Ende Februar nicht nur von der Verwaltung, sondern sogar von der „Ein-Mann-Fraktion“ Lars Wind (Piraten) darüber aufklären lassen, dass dies rechtlich nur mit einem einstimmigen Ratsbeschluss möglich und damit praktisch kaum umsetzbar ist.
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Der Koalitionsvertrag
Als einer der großen Verlierer ist die CDU aus der Kommunalwahl hervorgegangen. Umso mehr frohlockte Partei- und Fraktionschef Timon Radicke nach Einigung mit der SPD auf einen rot-schwarzen Koalitionsvertrag und rief seine Partei zur Gewinnerin aus: Die CDU habe viele Punkte durchsetzen können, so seine Bewertung. Und in der Tat: Gemessen am Absturz bei der Kommunalwahl hat die Union in den Verhandlungen gegen die Wahlsiegerin SPD sehr viel herausholen können.
Der Streit
VZT heißt die neue politische Geheimwaffe der CDU-Fraktion. VZT sind „Vorschläge zur Tagesordnung“, die die Union seit der Wahl offenbar zur Herausstellung ihres Profils verstärkt in die Fachausschüssen einbringt - was auch durch den Koalitionsvertrag gedeckt ist. Im Planungsausschuss kam es jedoch zum Eklat, weil die SPD angesichts der Coronabeschränkungen über einige aus ihrer Sicht nicht aktuelle CDU-Vorschläge nicht diskutieren wollte, um damit die Sitzungsdauer zu begrenzen. Nach einem Disput ließ die SPD die Anträge schließlich kurzerhand von der Tagesordnung nehmen und erzürnte damit die CDU. Das ging zu weit, räumte die SPD-Fraktion im Nachhinein ein und entschuldigte sich bei der CDU für diesen Vorgang.https://www.waz.de/staedte/herne-wanne-eickel/herne-steht-kopf-zankende-koalitionaere-und-falsche-flaggen-id231784451.html
Die Abstimmung
Bei der Neuwahl des Fraktionsvorstandes im September verweigerten 8 von 28 SPD-Stadtverordneten dem Vorsitzenden Udo Sobieski ihre Stimme, obwohl es keine Gegenkandidatur gab. Zum Vergleich: Bei der Zwischenwahl des Fraktionsvorstandes konnte er sich im März 2017 noch über eine Zustimmung von 84,6 Prozent freuen. Nach der OB-Wahl 2015 wählten 81,5 Prozent der SPD-Stadtverordneten Udo Sobieski zum Nachfolger von Frank Dudda.
Das sagt der SPD-Fraktions-Chef
„Ich bewerte die bisherige politische Arbeit der Fraktion durchaus als positiv“, sagt Udo Sobieski auf Anfrage der WAZ. Man müsse berücksichtigen, dass zwölf der 28 SPD-Stadtverordneten erstmals in den Rat eingezogen sind. „Da muss man sich erst einmal finden.“ Und coronabedingt gebe es zudem viele Einschränkungen.
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Zum Fall Öczelik: „Ich sehe hier keine Fehler“, so Sobieski. Alle Beschlüsse seien in der Fraktion nach ausführlicher Diskussion mehrheitlich gefasst worden. Auch handwerklich seien beim Versuch, Özcelik aus den Ausschüssen zu entfernen, keine Fehler gemacht worden. Nurten Özcelik habe indes dem SPD-Fraktionsbüro mitgeteilt, dass sie ab April wieder an Sitzungen teilnehmen werde. „Dann müssen wir die Situation neu bewerten“, so Sobieski.
Zur Wahl von Aufsichtratsvertretern: „Die CDU lief im Rat Gefahr, über Gebühr Sitze zu verlieren“, so der Fraktions-Chef. Deshalb habe die SPD die Union hier unterstützt. Rot-Schwarz sei auch nicht überrumpelt worden, sondern habe schnell auf die Situation reagiert. In Richtung Opposition sagt er: „Es ist möglich, so etwas zu machen. Ich fand es aber nicht in Ordnung.“
Zum Koalitionsvertrag mit der CDU: „Es haben natürlich auch Punkte der CDU Niederschlag gefunden, aber unterm Strich finden sich beide Fraktionen gemäß ihres Wahlergebnisses in der Kooperationsvereinbarung wieder.“
Zum Eklat im Planungsausschuss: „Wir haben gemeinsam offen und ungeschönt darüber gesprochen.“ Sowohl SPD als auch CDU seien der Meinung, dass sich so etwas nicht unendlich wiederholen dürfe. Auch wenn das Handeln beider Fraktionen legitim gewesen sei, sollte sich ein solcher Vorgang unter Partnern nicht wiederholen.
Zum Umgang mit dem neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden: „Ich habe zu Herrn Radicke ein sehr gutes Arbeitsverhältnis. Wir tauschen uns regelmäßig aus.“ Er sehe hier keine Probleme. Das Verhältnis sei auf dem gleichen Level wie mit Radickes Vorgängerin Bettina Szelag.