Herne. Das Flüchtlings-Qualifizierungsprojekt quaz.ruhr wird vom Land bis Ende 2022 weiterfinanziert. Deswegen hatte es Diskussionen gegeben.
Die Finanzierung des Flüchtlings-Pilotprojekts quaz.ruhr wird bis Ende 2022 von der Landesregierung finanziell gefördert. Diese frohe Botschaft brachte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) vor wenigen Tagen zu einem Besuch bei quaz.ruhr in Bochum mit.
So froh diese Botschaft für die am Projekt Beteiligten war, so überraschend kam sie auch. Denn um die Finanzierung hatte es in der Vergangenheit Diskussionen gegeben. Dazu muss man ins Jahr 2018 zurückschauen. Damals waren Vertreter des Landtags zum Besuch nach Bochum eingeladen worden, um das nach eigener Einschätzung größte Projekt zur Qualifizierung von Flüchtlingen in Deutschland kennenzulernen. Nur Sozialminister Laumann - in dessen Zuständigkeit quaz.ruhr liegt - schlug die Einladung aus. Wenig später gab es den Verdacht, dass der Minister die Förderung einstellen will - was dieser zurückwies.
NRW-Integrationsminister Stamp warb für Weiterfinanzierung
Vor wenigen Wochen besuchte Laumanns Kabinettskollege und NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) das Sprach- und Qualifizierungszentrum für Zugewanderte und sagte anschließend: „Mir fehlt die Vorstellungskraft, dass wir das hier nicht fortsetzen.“ Es müsse politisches Ziel sein, „Best-Practice-Beispiele“ wie quaz.ruhr auf andere Regionen des Landes zu übertragen. Beim IHK-Jahresempfang untermauerte er seine Einschätzung: Es sei ihm egal, „wie wir das zusammenkratzen und wie wir das organisieren, aber das Quaz wird fortgesetzt“.
Bei den Herner Mitgliedern des breiten Bündnisses herrscht Erleichterung über Förderzusage bis Ende 2022. „Die Co-Finanzierung des Landes ist eine sehr wichtige Ergänzung, die wir mit unserer Regelförderung gar nicht erbringen können“, so Frank Neukirchen-Füsers, Chef der Arbeitsagentur Herne/Bochum. Er sei vom Erfolg der Qualifizierung überzeugt. Die Kombination aus Sprachförderung, praktischer Qualifizierung und Anleitung gebe es in dieser Komplexität kein zweites Mal.
Hernes Oberbürgermeister fordert eine nationale Gemeinschaftsaufgabe Migration
Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda bezeichnet die Finanzierung bis Ende 2022 im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion als „richtigen Zwischenschritt“, spart aber gleichzeitig nicht mit Kritik. Bund und Land drückten sich nach wie vor um die Erkenntnis, dass Integration und Zuwanderung ein Projekt sei, dass ausreichend finanziert werden müsse. Dudda fordert eine nationale Gemeinschaftsaufgabe Migration.
Auch wenn NRW-Integrationsminister Stamp möglicherweise mit seinen Äußerungen den Weg zu einer Weiterfinanzierung von quaz.ruhr geebnet habe, seien die Ruhrgebiets-Oberbürgermeister nicht zufrieden mit dessen Arbeit. Er lasse die Städte an drei Stellen hängen. Das Land leite die Integrationspauschale nicht an die Städte weiter, es enthalte den Kommunen die Flüchtlingskosten vor und sei nicht bereit, über die Finanzierung geduldeter Flüchtlinge zu sprechen. Nach drei Monaten müssten die Städte die Kosten tragen.
Modellprojekt soll dem Pflegenotstand entgegenwirken
Der eigentlich Anlass für Laumanns Besuch war die Tatsache, dass quaz.ruhr mit einer neuen Maßnahme dem Pflegenotstand entgegenwirken will. 27 Teilnehmer nehmen am Modellprojekt „Pflegeoffensive für Zugewanderte“ teil, in dem sie ihren Schulabschluss sowie eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer absolvieren. Jeder Teilnehmende hat bereits einen Arbeitsvertrag in einer Einrichtung der Altenpflege. Dies ist besonders am neuen Programm und unterscheidet es von einer klassischen Umschulung. Das Modellprojekt ermöglicht den Teilnehmern einen Abschluss als examinierte Altenpflegekraft.
Das Projekt
2017 haben auf Initiative der IHK Mittleres Ruhrgebiet eine Vielzahl von Akteure - darunter Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften oder Kirchen und Religionsgemeinschaften - den Verein QuAZ gegründet. Diese Abkürzung steht für „Verein zur Unterstützung der Qualifizierung und Ausbildung von Zugewanderten“.
Die operative Arbeit führt das Sprach- und Qualifizierungszentrum „quaz.ruhr“ in Bochum durch. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt, es wird mit insgesamt 11,7 Millionen Euro gefördert. Davon tragen die Arbeitsagenturen und Job-Center knapp neun Millionen Euro, das Land NRW aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds 2,1 Millionen Euro, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steuert 650.000 Euro bei.
Zum Ende des Jahres 2019 hatten knapp 1000 Zugewanderte aus 64 Nationen eine sprachliche und berufliche Einstiegsqualifizierung in verschiedenen Branchen absolviert. 402 Maßnahmen-Teilnehmer konnten in Weiterbildung oder in Arbeit vermittelt werden.
Acht der Projektteilnehmer arbeiten in den Senioreneinrichtungen der St. Elisabeth-Gruppe. Aktuell konzentrieren sie sich darauf, ihren Hauptschulabschluss zu erwerben. Daher sind sie nur einen Tag in den Einrichtungen. „Dort erleben wir sie als sehr motivierte Mitarbeiter, die dieses Projekt als Chance sehen“, so Einrichtungsleiter Jacek Michalak. Gleiches gelte für die Mitarbeiter, die die neuen Kollegen bestmöglich unterstützten und sich auf diese einstellten.
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Michalak: „Eine besondere Herausforderung sind in diesem Zusammenhang die Sprachkenntnisse.“ So sei es sehr wichtig, sich mehr Zeit zu nehmen, langsam zu reden und Aufgaben – wenn nötig – noch einmal in anderen Worten zu erklären. Da sich eine Sprache am besten erlernen lasse, wenn man sie spricht, übernähmen die Teilnehmer auch Aufgaben im Betreuungsbereich: Sie reichten den Bewohnern das Essen an, gingen mit ihnen spazieren oder spielten Gesellschaftsspiele. Die Bewohner unterstützten dann schon mal beim Deutschlernen. So profitierten beide Seiten von dem Projekt, bei dem auch die Bewohner aktiv eine Aufgabe übernehmen könnten.