Heiligenhaus. Die Angertalbrücke steht kurz vor der Fertigstellung. Deges und Politiker richten Appell an mögliche Kläger: Lückenschluss muss jetzt kommen.
Viel Verkehr herrscht auf der Ratinger Straße: Hier endet derzeit und seit 2018 die A 44. Bis zum Autobahnkreuz Ratingen-Ost heißt es: quer durch die Hofermühle und durch Homberg – was nicht nur für die Autofahrer nervig ist, sondern vor allem für die Anwohner. Wann kommt er endlich, der Lückenschluss, fragen sich viele. Warum er nach fast 50 Jahren noch immer nicht in Aussicht ist, hat vor allem mit dem komplizierten und von Klagen begleiteten Planungsverfahren zu tun.
Was hinter dem Erdhügel abseits der Ratinger Straße tagtäglich für ein reges Treiben herrscht, bleibt den meisten verborgen. Etliche Fahrzeuge und noch viel mehr Arbeiter sind hier unterwegs. Sie arbeiten mit Hochdruck daran, dass die Angertalbrücke bald fertig ist: „Wir planen, dass im Herbst alle Arbeiten beendet sind“, erklärt Arndt Lansche vom Bauherrn, der Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH).
Heiligenhauser Lückenschluss sorgt immer wieder für Probleme
Die Angertalbrücke sei eine Herausforderung gewesen – nicht nur wegen der Höhe, „sondern wir haben hier extrem viele Bautabuzonen“, zeigt Lansche abseits der Brücke auf umliegende Felder und unter der Brücke auf die Häuser der Hofermühle. Manchmal seien die Bauzonen gerade ausreichend für die Pfeiler und Ähnliches gewesen. „2014 haben wir die Brücke von Straßen NRW übernommen, seit 2016 bauen wir.“ Zu Problemen sei es bei der Brücke vor allem aufgrund von Lieferschwierigkeiten der nötigen Stahlträger gekommen – sie waren schlichtweg zu schwer für den Transport über einige Brücken von der Produktionsstätte im Osten Deutschlands aus.
Baustellenbesichtigung A44
Die Brücke ist nun quasi fertig, derzeit werden die Fahrbahnen fertiggestellt sowie die Schutzwände angebracht. Doch danach wird es erstmal wieder still rund um die Baustelle. Dass die letzten knapp zehn Kilometer endlich fertiggestellt werden, daran arbeitet die Deges auf Hochtouren: „Es liegt definitiv nicht an uns“, berichtet Bereichsleiter Udo Pasderski. „Der Lückenschluss hat eine gewisse Geschichte“, sagt er, fast schon mit einem ironischen Schmunzeln. Klagen und immer wieder Klagen würden den Weiterbau seit vielen Jahren in die Länge ziehen. „Alles, was jetzt zu sehen ist, ist nicht vom Deckblattverfahren betroffen“, so Pasderski. Heißt im Umkehrschluss: Alles andere auf der etwa zehn Kilometer langen Strecke schon.
Casus knacksus ist das Regenrückhaltebecken auf Ratinger Gebiet
Im November 2021 hatte Landrat Thomas Hendele dem Kreistag die schlechte Botschaft übermittelt. Eine Verzögerung von sechs bis neun Monaten kündigte er da erneut an; Grund dafür sei dieses Deckblattverfahren; das musste vom Antragsteller und Bauherrn Deges zurückgenommen werden. Es geht um den Bau eins Regenrückhaltebeckens an der Brachter Straße auf Ratinger Gebiet. Durch das Vorhaben soll die bisher genehmigte Straßenoberflächenwasser-Einleitungsmenge reduziert und so der potenziellen Hochwassergefahr begegnet werden. Der Plan wurde nach der ersten Offenlage im Jahr 2015 mehrfach geändert.
Nun hatte es seitens des BUND erneut Überlegungen gegeben, Klage gegen die mehrfach überarbeiteten Pläne einzureichen; sogar einen Fachanwalt hat der Naturschutzbund eingeschaltet. Es gehe dem Verband um Naturschutz und die Bäche, nicht generell darum, den Weiterbau der A 44 zu verhindern, äußerte sich der Verband zu Kritiken. „Bürgerrechte sind ein hohes Gut“, kommentiert Pasderski das jahrelange Klageaufkommen durch Landwirte und Naturschützer – nun sei jedoch der Zeitpunkt gekommen, an dem sich diese fragen sollten, ob sie mit diesen Klagen weiter Gutes bewirken. „Privatleute sollten wissen, dass sie die A 44 nicht werden verhindern können, sondern dass der Lückenschluss durch Klagen nur immer nur weiter herausgezögert wird.“ Eine erneute Verzögerung, so Pasderski, sei jedoch „fatal“ für die eine Entwicklung der gesamten Region.
>>> FDP-Politiker mahnt vor jeder neuen Klage
Auf die Palme gebracht hat die Überlegung des BUND auch den ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten Detlef Parr, der in einem offenen Brief an den Geschäftsführer der BUND-Kreisgruppe Mettmann appelliert, das Klageverfahren einzustellen. „Ich fordere Sie auf, die Fortsetzung des Planfeststellungsverfahrens, in dem sich auch viele Ihrer Bedenken und Anregungen wiederfinden, nicht länger zu verzögern.“ Das Klagerecht sei ein hohes Gut, „aber jeder hat auch die Verpflichtung, zu überlegen, was die Klagen für Auswirkungen haben. Maß und Mittel sind hier längst überschritten“, betont er bei einem Besuch der Baustelle.
Dass die letzten Kilometer der A 44 noch immer nicht fertig seien, nennt er ein Trauerspiel; „es geht hier um die Entwicklung in der ganzen Region, nicht nur für Heiligenhaus und Ratingen, für den ganzen Kreis, für die gesamte Rhein-Ruhr-Schiene“, betont er die Bedeutung der Autobahn. „Gemeinsam mit meinem Velberter Kollegen der CDU, Heinz Schemken, bin ich einer der Urväter und Unterstützer der A 44. Ich erinnere mich noch heute, wie wir 1975 auf Knien die drei Meter langen Planunterlagen beim damaligen Verkehrsminister bearbeitet haben.“ Er appelliert nun an die Bezirks- und Landesregierung, dass nun endlich was passiert: „Wir stehen hier, wir können das Ende sehen. Das Planfeststellungsverfahren, dass für Mitte des Jahres 2022 angekündigt war, muss nun wasserdicht sein. Den Letzten dürfen die Hunde nicht mehr beißen.“
Spatenstich war bereits im Jahr 2009
Auch FDP-Fraktionschef Volker Ebel, der sich gemeinsam mit Parr den Baufortschritt anschaut, betont: „Was ich so traurig finde, ist: wenige klagen, viele leiden. Es wird Zeit, dass hier was passiert.“ Die Stadtentwicklung, aber auch die gesamte Region leide. „Hier wird gewissenhafter Straßenbau betrieben, es gibt Nistkästen für Fledermäuse, Turmfalken, Steinkäuze, Kompensationsflächen, ein acht Meter langes Regenrückhaltebecken, das gedrosselt das Wasser in die Anger fließen lässt“, berichtet Ebel von den „enormen Vorkehrungen“ seitens der Deges. Detlef Parr findet: „Das alles bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass beim Bau alles berücksichtigt wurde. Ich erneuere meinen Appell, die Klagen endlich einzustellen.“ Im September werde Parr 80, „Spatenstich war 2009, ich wünsche mir, dass wir 2025, zum 50. Jahrestages meines Engagements, der Lückenschluss da ist.“
Ob das realistisch ist, das kann derzeit keiner absehen. Fakt sei, betont Udo Pasderski: „Wenn wir dann Baurecht haben, werden wir drei bis dreinhalb Jahre brauchen für den Bau.“
>>> Planfeststellungs- und Deckblattverfahren
- Mit einem Planfeststellungsverfahren entscheidet die Bezirksregierung als Planfeststellungsbehörde, ob sie raumbedeutsame Vorhaben im Regierungsbezirk zulässt. Dabei ordnet das Planfeststellungsverfahren Vorhaben, wie zum Beispiel den Bau oder die Änderung von Straßen oder Schienenwegen, in Fläche und Umwelt ein. Für Heiligenhaus zuständig ist die Bezirksregierung Düsseldorf.
- Ein Verfahren beginnt mit einem Antrag des Vorhabenträgers, der umfangreiche Unterlagen einreichen muss, wie einen Erläuterungsbericht, Lage- und Höhenpläne, eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung, Untersuchungen zum Tier- und Arten- sowie Lärmschutz und einem Plan, wo Ausgleichsmaßnahmen aufgezeigt werden, einem Grunderwerbsplan und ein Grundstücksverzeichnis.
- Ein Verfahren durchläuft dann viele Stufen, wie Anhörung, Bekanntmachungen, Erörterung bis zum Erlass. Bis dahin ist es bei dem letzten Teilstück von Heiligenhaus nach Ratingen bislang nicht gekommen. Gegen den Planfeststellungsbeschluss kann beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage erhoben werden.
- Ein Deckblattverfahren erfolgt, wenn eine Änderung von einzelnen Bestandteilen der Planung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens notwendig wird. Nachdem die Details der Planung, die geändert werden müssen, eingearbeitet sind, werden sie in den Planfeststellungsunterlagen gekennzeichnet und als Deckblatt bezeichnet.
- Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH übernimmt für den Bund die Projektausführung und hat Teile davon von Straßen NRW übernommen.