Heiligenhaus. Immer wieder verschiebt sich der A44 Lückenschluss zwischen Heiligenhaus und Ratingen. Schwertransporte mit Brückenteilen finden keine Strecke.
Peter Röskes kann nur noch müde den Kopf schütteln. „Da fällt einem doch wirklich gar nichts mehr zu ein“, sagt der Heiligenhauser Spediteur entnervt und schweift mit dem Blick über sein Betriebsgelände, über die zahlreichen geparkten 40 Tonner, „seit Jahren warten wir auf den versprochenen Lückenschluss, der für unser Gewerbe einen enormen Zugewinn bedeuten würde. Und was ist? Das Projekt verschiebt sich immer und immer wieder und das nur, weil der Stahl für den Bau der Brücke aus Ostdeutschland kommen muss. Und dabei haben wir den Stahlbau doch quasi vor der Tür!“ Röskes atmet tief durch. „Das muss man sich echt mal vorstellen.“
Menschen in der Region genervt
Mit dieser Einstellung ist Peter Röskes nicht alleine: Die Menschen in der Region reagieren auf die Thematik mittlerweile genervt, teilweise mit Resignation, mitunter mit Sarkasmus. Alle paar Monate teilt die mit dem Projekt beauftragte „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH“ (DEGES), dass sich der Bau des 4,4 Kilometer langen Teilabschnitts zwischen der A44 Anschlussstelle Heiligenhaus und dem Autobahnkreuz Ratingen-Ost verschiebt, nicht um Wochen oder Monate. Nein, um Jahre. Von 2024 oder 2025 ist jetzt die Rede. Und das liegt unter anderem an besagter ostdeutscher Auftragsvergabe.
Teilabschnitt seit 2018 freigegeben
Zur Erklärung: Im August 2016 hatte die Bundesregierung den Bundesverkehrswegeplan 2030 beschlossen, darin den Lückenschluss zwischen den beiden Autobahnen fest disponiert. Und tatsächlich konnte am 14. April 2018 der erste Abschnitt der insgesamt 9,8 Kilometer langen Strecke, der Ostabschnitt, zwischen Velbert/Hetterscheidt und Anschlussstelle Heiligenhaus für den Verkehr freigegeben werden. Innerstädtisch bedeutet das für die Stadt Heiligenhaus zwar Entlastung, in erster Linie aber soll der vollendete Lückenschluss den Großraum Essen/ Ruhrgebiet mit der Rheinschiene verbinden, auf diesem Weg den Wirtschaftsstandort nördlicher Kreis Mettmann stärken und den Durchgangsverkehr (und den darin enthaltenen hohen Anteil an Schwerlastverkehr) in den Ratinger Stadtteilen Homberg und Hösel minimieren.
Stahllieferant aus Zwickau
Nun aber gehört zum Bau des Weststücks auch der Bau der Angerbachtalbrücke, bereits im September 2016 wurde damit begonnen. Nach einer EU-weiten Ausschreibung bekam das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag. Dieser Auftragnehmer wiederum beauftragte ein Nachunternehmen aus dem sächsischen Zwickau mit den nötigen Stahllieferungen, ein völlig legitimer Vorgang, wie Pia Verheyen von der Deges-Pressestelle erklärt. „Der Auftragnehmer muss uns diese Nachunternehmen und deren Qualifikationen benennen, bei erforderlichen Baustoffen wie es hier der Fall ist, müssen Prüfzeugnisse vorgelegt werden. Wenn alles Ok ist, spricht nichts dagegen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass wir keine Vorgabe bezüglich der Bezugsorte machen dürfen, das wäre vergaberechtswidrig.“
Transportstrecke erst 2019 genehmigt
2017 erfolgten tatsächlich die ersten beiden von insgesamt 68 Schwerlasttransporte aus Zwickau, damals noch recht problemlos. Dann aber wurde eine Brücke auf der genutzten Strecke in ihrer Tragfähigkeit heruntergestuft, die Transporte mit einer Länge von 38 Meter, einer Breite von 6 Meter und einem Gewicht von rund 100 Tonnen gerieten ins Stocken. Drei Alternativrouten wurden ausgearbeitet, aber auch die erhielten keine Genehmigungen: Mal war der Kurvenradius zu eng, mal gab es keine Genehmigung zum zeitweiligen Rückwärtsfahren. Dann, 2019, geriet endlich wieder alles ins Rollen: Über Magdeburg, Hannover, Bielefeld und das Ruhrgebiet konnten die Stahlteile für den Bau der Brückennordseite geliefert und verbaut werden.
Verzögerung nicht zweckdienlich für Vermarktung
Jetzt aber stockt der Transport erneut „aufgrund zunehmender Sperrungen für den Schwerlastverkehr und langwieriger Prüf- und Genehmigungsprozesse“, so die Deges. Mittlerweile - das zeigt der aktualisierte Zeitplan, wird mit dem Lückenschluss nicht mehr vor 2024/25 gerechnet. Für die Stadt Heiligenhaus, die derzeit einen 30 ha großen hochmodernen Gewerbepark baut, sind da keine guten Nachrichten. „Jede Verzögerung ist nicht gerade zweckdienlich und hilfreich, was die Vermarktung der Gewerbeflächen angeht. Der Lückenschluss würde den Innovationspark weiter aufwerten, die Nachfrage wäre sicherlich größer“, erklärt Stadtkämmerer Björn Kerkmann.
Weitere Baustelle im Großprojekt
Hermann Pöhling, Fraktionsmitglied der Grünen Ratingen, geht sogar davon aus, dass der Lückenschluss sich um noch weitere Jahre verzögern wird, denn neben der Angertalbaustelle hat das Projekt noch eine „weitere große Baustelle“ - dabei geht es um den Hochwasserschutz und den Bau eines Regenrückhaltebeckens. Bereits seit 2007, nachdem der erste Planfeststellungsbeschluss erlassen wurde, gibt es immer wieder Einwände, Änderungen. Derzeit wartet die Deges auf einen erneuten Planfeststellungsbeschluss für die angepassten Unterlagen. Bestenfalls sind nach erneuter öffentlicher Auslegung alles zufrieden, dann könnte der Zeitplan eingehalten werden. Werden Klagen eingereicht, wird sich das ganze vermutlich nochmals um mindestens zwei Jahre verzögern.
Projektmanagementgesellschaft DEGES
Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH (Deges) wurde 1991 ursprünglich gegründet mit dem Ziel, die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) schneller zu realisieren, als dies mit den damals im Aufbau befindlichen Straßenbauverwaltungen der neuen Länder möglich gewesen wäre.
Mittlerweile realisiert die Deges (mit Sitz in Berlin) unter anderem Großprojekte im gesamtdeutschen Autobahnnetz.
Weitere Informationen: www.deges.de