Heiligenhaus. In den Sommermonaten ist viel los auf dem Heiligenhauser Flugplatz Meiersberg. Der 19-jährige Philipp Wentscher ist begeisterter Segelflieger.

Die Hand des Starthelfers senkt sich, das orangene Rundumlicht der Winde, an der der Flieger befestigt ist, blinkt. Das bedeutet es geht los. Das Stahlseil rast mit 120 Sachen über die Startbahn am Flugplatz Meiersberg. Der weiße Segelflieger saust fast lautlos hinterher. Man hört nur wie die Tragflächen die Luft schneidet. Von null auf 100 in 1,5 Sekunden. Philipp Wentscher, der Pilot der November Bravo, wird in den Sitz gedrückt. Was das Segelfliegen so besonders macht, erlebt man über den Wolken von Heiligenhaus.

Die Maschine erhebt sich fast senkrecht in den wolkenlosen, blauen Himmel. Klack. Das war die Kupplung. Losgelöst vom Seil, von der Winde, vom Boden. Der Segelflieger liegt wieder gerade in der Luft und es wird still. Die einzigen Geräusche sind das leise rauschen des Windes und das Piepsen einzelner Steuerelemente. Philipp fliegt seit fünfeinhalb Jahren. Er trägt eine graue Jogginghose, Sneaker, Cap und Sonnenbrille und einen dunkelblauen Hoodie, auf dem in gelber Schrift Flugplatz Meiersberg steht. Verziert wird das ganze durch die Abbildung eines Segel- und eines Motorflugzeugs. Unter dem Schriftzug steht Wentschi, sein Spitzname auf dem Flugplatz. „Fast jeder hat hier einen Spitznamen, zum Beispiel Obelix, Murmel, oder Helge“, erzählt Philipp. Sein Vater ist noch heute begeisterter Segelpilot. „Ich wäre enterbt worden, hätte ich nicht mit dem Fliegen angefangen“, erzählt er.

Ohne morgendliche Vorbereitungen geht nichts auf dem Heiligenhauser Flugplatz

Nicht nur Segelflieger heben vom Flugplatz Meiersberg ab – hier flog WAZ-Redakteur Christoph Husemeyer (l.) 2016 mit Alfred Düllberg über Heljens.
Nicht nur Segelflieger heben vom Flugplatz Meiersberg ab – hier flog WAZ-Redakteur Christoph Husemeyer (l.) 2016 mit Alfred Düllberg über Heljens. © FUNKE Foto Services | Heinz-Werner Rieck

Unter Ächzen, Knarren und metallischem Quietschen öffnet sich langsam das riesige, leicht rostige Metalltor eines der drei Hangars. Zum Vorschein kommen sechs Flugzeuge. Zwei kleine Propellermaschinen und vier Segelflieger, drei davon hängen an einer massiven, schwarz gelben Metallvorrichtung. Mit dicken Spanngurten sind die Segler an der Vorrichtung festgezurrt, die Cockpits sind mit weißen Laken verdeckt. Nun werden die Segelflieger mit einer Kettenwinde von der Decke herabgelassen. Angenommen werden die Maschinen von Philipp. Zusammen mit zwei weiteren Piloten räumt er nun den Hangar aus.

Die Flieger werden mit gemeinsamem Kraftaufwand auf eine große Rasenfläche geschoben, wo sie für den Start in die Luft vorbereitet werden. Philipps Segler für den heutigen Tag ist das Modell DG1001 sneo, auf dem Flugplatz Meiersberg auch November Bravo genannt. „Das Modell ist der Elektro-Porsche unter den Segelfliegern, da es drinnen während des Flugs besonders leise ist“, erklärt Philipp begeistert.

Check vor dem Flug und modernste Technik geben Sicherheit

Der schneeweiße Flieger ist verziert mit filigranen königsblauen Streifen, auf der Seite steht die Modellnummer D-1002 und auf der Seitenflosse ist der Schriftzug NB und der Aufkleber einer Deutschlandflagge zu erkennen. Der Innenraum ist mit modernster Technik ausgestattet, wie einem Höhen- und Geschwindigkeitsmesser, einem Funkgerät, einer digitalen Karte und dem Vario, welches per Piepton anzeigt, ob das Flugzeug in der Luft an Höhe gewinnt, oder verliert.

Während Philipp zusammen mit einem weiteren Piloten den Check für die November Bravo macht, jagen vereinzelt Schwalben dicht über den grasigen Boden, vorbei an rot weißen Steinen, welche die Start- und Landebahn markieren, vorbei an herumstehenden Segelflugzeugen und vorbei an diversen Windsäcken, die man auf dem Platz zuhauf findet. „Kupplung? Check! Querruder links? Check! Querruder rechts? Check! Luftbremse? Check!“. Dann kann der Flugtag beginnen.

Die Wahrnehmung wird hoch oben geschult

Fliegerromantik erleben kann man fast lautlos schwebend vom Segelflieger aus – hier ein Archivbild aus 2018.
Fliegerromantik erleben kann man fast lautlos schwebend vom Segelflieger aus – hier ein Archivbild aus 2018. © André Marston Alvarez

Philipp fliegt die erste Kurve. Der Ausblick ist atemberaubend. Auf 200 Metern erscheinen Autos, Straßen und Gebäude so klein wie Miniaturausgaben. Der Blick auf die grünen Felder, Wiesen und Wälder wirkt beruhigend. Seine Fliegerei verändere sogar seine Wahrnehmung auf der Erde. Das Fliegen helfe ihm bei der Orientierung auf dem Boden. Er könne dort inzwischen Entfernungen besser einschätzen, sagt er. Philipp spricht beim Fliegen über einen Perspektivwechsel und über die Freiheit, die er fühlt, wenn er in der Luft ist.

Inzwischen hat Philipp bereits eine ganze Runde um den Flugplatz gedreht und bereitet sich auf die Landung vor. „November Bravo in der Position zur Landung“, gibt er durch das Funkgerät zum Tower am Boden durch. Das kleine Flugzeug bewegt sich rasant auf die näherkommende Landebahn zu. Philipp fährt die Luftbremsen auf den Tragflächen aus. Noch immer ist es überraschend ruhig in der Maschine. Diese wird im nächsten Moment ruckartig unterbrochen. Der Segler rumpelt über die grasige Landebahn. Die Steuerelemente rappeln, der Pilot wird ordentlich durchgeschüttelt. Dann kommt das Fluggefährt zum Stehen. Und wieder Ruhe.

Auto bringt die Segler wieder zur Startposition

Mit diesem Auto werden die Segelflieger wieder an die Startposition gebracht.
Mit diesem Auto werden die Segelflieger wieder an die Startposition gebracht. © Frederik Brack

Zurück zur Startposition gebracht werden die gelandeten Segelflugzeuge mit einem alten, roten VW Polo. Und auch Philipp ist hin und wieder an der Reihe, auf festem Untergrund angekommene Kollegen abzuholen. Von außen erscheint der Polo, auf dem Platz auch Lepo genannt, noch gar nicht so alt. „Der erste Abschlepper hier war ein Opel, da haben wir den Namen einfach umgedreht und den Wagen Lepo genannt“, erzählt Philipp. Der Lack strahlt in der Sonne im kräftigen rot. Von Nummernschildern fehlt jede Spur. Dafür ist die Front des Lepos zugestickert.

Von innen wirkt der Wagen doch etwas ramponierter. Es riecht muffig und die Uhr zeigt 2.05 Uhr – dabei ist es 11.45 Uhr. Die Rückbank und mehrere Abdeckungen fehlen, die Sitzgarnituren sind löchrig, die Plastikarmaturen sind von der Sonne ausgeblichen und während der Polo über die Landebahn rumpelt, rappelt alles was nicht niet- und nagelfest ist. Philipp schlägt auf das Armaturenbrett. Das Rappeln erlischt. Stolz lächelt er und scherzt: „Ich sollte Mechatroniker werden“. Drei Sekunden später fängt das Klappern wieder an. Am Segler angekommen wird dieser mit einem Seil an den Lepo gehangen und in Schrittgeschwindigkeit zurück zu seiner Startposition geschleppt. Der nebenherlaufende Pilot hält das Gleichgewicht der Maschine, damit diese nicht zur Seite kippt. Eine Gruppe Tauben flattert an startenden Fliegern vorbei.

>>> So kann man selber fliegen

  • Zuschauerinnen und Zuschauer sind auf dem Flugplatz Meiersberg immer erlaubt. Der Flugplatz liegt zwischen der Hofermühle und Meiersberg in Heiligenhaus, Wiel 1, und wird betrieben vom Sportflugverein Niederberg.
  • Wann geflogen werden kann, hängt vor allem beim Segelflugzeug vom Wetter ab. Auch ist eine Flugrunde abhängig vom Wind. Das haben auch die Kinder der Aktion Tschernobyl oft zu spüren bekommen, die regelmäßig eingeladen waren vom Verein: Während manche Kinder schon nach wenigen Minuten wieder am Boden waren, blieben andere Kinder 15 bis 20 Minuten in der Luft.
  • Wer selber einmal eine Runde fliegen möchte, kann sich an den Sportflugverein wenden. Weitere Infos, auch wie man selber einen Flugschein machen kann, gibt es auch auf der Homepage unter sportflug-niederberg.de.