Hattingen. Im Stadtteil-Check für Hattingen schneidet Niederwenigern in der Bewertung seiner Bürger am besten ab. In Winz-Baak gibt es viel Unzufriedenheit.

Die Teilnehmer des Stadtteil-Checks haben entschieden: Mit einer Gesamtnote von 1,44 haben die Wennischen ihr Dorf mit Abstand auf den Hattinger Spitzenplatz gewählt. Auf den weiteren Positionen folgen Niederbonsfeld, das Hügelland und Bredenscheid. Aber auch die rote Laterne haben die Hattinger im Stadtteil-Check vergeben. Eben noch bestanden hat mit seiner Gesamtnote 3,71 Winz-Baak auf dem letzten Platz.

Proteste im Oberwinzerfeld

Überraschend kommt dieses Ergebnis für Rudolf Kellerhoff nicht. Seit 36 Jahren wohnt er im Oberwinzerfeld. Vor zwei Jahren hatte er – unter anderem in einem offenen Brief an den Bürgermeister – gemeinsam mit anderen Anwohnern gegen die Missstände protestiert. Verbessert habe sich seitdem aber kaum etwas – im Gegenteil: „Es wurde schlechter“, sagt Kellerhoff.

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Dabei wächst der Stadtteil: Ein privater Investor baut Einfamilien-, Doppel- und Mehrfamilienhäuser zwischen Dahlhauser Straße, Im Westenfeld und Wuppertaler Straße. Doch: „Winz-Baak wird zur Schlafstadt“, fürchtet Kellerhoff.

Kaum Treffpunkte und Nahversorgung

Neben dem schlechten Zustand von Straßen und Wegen hatten Anwohner vor allem gegen die fehlende Nahversorgung nach der Schließung des Edeka-Markes protestiert. „Der einzige Bäcker hat nur Donnerstag bis Samstag auf und nur im Lottoladen gibt es das Nötigste – also Dosen oder Toilettenpapier“, klagt der 76-Jährige. Im Rauendahl, auf der anderen Seite der Bochumer Straße, hat zwar der Aldi kürzlich erweitert. Für Senioren aus dem Oberwinzerfeld sei der Weg zu Fuß aber – erst recht mit Einkäufen – kaum zu bewältigen.

Über den Stadtteil-Check

Der Stadtteil-Check soll ein Stimmungsbild wiedergeben, das unsere Redaktion analysiert. Laut Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin der Funke Mediengruppe, funktioniert das: „Der Stadtteil-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild. Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Stadtteil eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können.“ Eine Ausnahme bildet das Hügelland. Dort hatten weniger Leser teilgenommen.

Die Umfrage ist nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht repräsentativ, weil die Teilnehmer nicht gezielt nach sozio-demografischen Merkmalen ausgewählt wurden. Stattdessen konnte jeder Interessierte mitmachen. Ana Moya vermutet, dass unter den Teilnehmern jene in der Mehrzahl waren, für die ihr Stadtteil eine eher wichtige Bedeutung hat. In diesem Fall fiele das Zeugnis bei einer repräsentativen Befragung wohl alles in allem etwas anders aus als beim Stadtteil-Check.

Und auch bei den Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung sieht Kellerhoff, wie viele der 168 Winz-Baaker, die beim Stadtteil-Check mitgemacht haben, deutliche Schwächen. „Früher gab es hier vier oder fünf Gaststätten. Jetzt gibt es kaum noch Möglichkeiten, sich zu treffen.“ So gebe es ohne das noch verbliebene Haus Benecken im Oberwinzerfeld gar keine Einkehrmöglichkeiten oder Räume für Treffs, Konzerte oder Feiern. Auch der Bürgertreff hatte durch den höheren Platzbedarf der Grundschule zuletzt Abstriche machen müssen.

Zwischen Engagement und Desinteresse

Immerhin: Der Naherholung in der Natur im Stadtteil, der Gemeinde um Pfarrer Bodo Steinhauer und dem engagierten Turnverein und stellt der Winz-Baaker ein gutes Zeugnis aus. Allerdings: „Ich vermisse junge Leute, die mitziehen. Sie interessieren sich nicht mehr für ihren Stadtteil.“

Viele Angebote in Niederwenigern

Ganz anders schätzen die Wennischen ihren Zusammenhalt ein. „Hier kennen sich viele und es ist immer Hilfe da. Alles trifft sich beim Supermarkt, es ist eben wirklich ein Dorf“, sagt Claudia Schnieders (52) lachend. Sie ist in Niederwenigern geboren, hat „Winz-Niederwenigern“ als Geburtsort in ihrem Pass stehen. Wieder im Dorf lebt sie seit 22 Jahren.

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Sie selbst ist sportlich aktiv, bietet für den VfL Niederwenigern immer wieder Kurse an. Gerade über die Vereine werde viel geboten. Sogar Reha-Kurse könne man direkt vor Ort machen, für Ältere gibt es einen Bouleplatz, für Jüngere Spielplätze mit Tischtennisplatten und für alle die Bürgerbücherei und die Gemeinden bieten von Stricken über Häkeln bis Basteln verschiedene Gruppen. Auch das Schwimmbad ist nach heftiger Diskussion gerettet.

Nähe zu Stadt und Natur

All das ziehe auch viele junge Familien nach Niederwenigern. „Man wohnt hier ländlich-sittlich, ist aber schnell am Flughafen oder in der Stadt“, weiß Schnieders. Wobei die Wennischen eher nach Essen als nach Hattingen orientiert seien.

„Nur die Busverbindung, da hakelt es vielleicht ein bisschen. Man muss schon eher mobil sein“, gibt Schnieders zu. Und „wenn überhaupt etwas fehlt, dann ein Jugendtreff“. Allerdings gebe es die Pfadfinder und eben die Vereine. All das macht Niederwenigern in den Augen der 104 Wennischen, die beim Stadtteil-Check mitgemacht haben, zum Spitzenreiter.