Hattingen. Thorsten Kestner päppelt in Hattingen an der Paasmühle Wildvögel auf. Er kann viel erzählen: Von einer Gans, die am Hals gepackt und geschleudert wurde, von einem Schwan, dem Jugendliche einen Knoten in den Hals gemacht haben, von unglücklicherweise gezähmten Wildvögeln, aber auch von geheilten Vögeln, die wieder fortfliegen können.
Vorsichtig hat die Gans ihren Hals auf dem Boden abgelegt. Dann steht sie auf, watschelt ein Stück, legt sich wieder hin. Den Kopf hält sie dicht am Körper – denn sie ist verletzt. Menschen haben sie am Hals gepackt und geschleudert. Aus Spaß . . . Glück im Unglück: Sie wurde von Düsseldorf nach Hattingen gebracht, zu Thorsten Kestner (49). Er päppelt Vögel aus ganz Deutschland auf.
Aus Baden-Württemberg kam der Schwan, dem „Jugendliche einen Knoten in den Hals gemacht haben“. Solche Quälereien kämen häufiger vor, sagt Kestner. „Für Videos für Youtube zum Beispiel.“ Dass die Tiere, die erst kürzlich zur Paasmühle kamen, überlebt haben, ist ein Wunder. Die meisten sterben an den Folgen der Quälerei. Ob die Vögel jemals wieder fliegen können? „Wir alle hier sind ziemlich sicher, dass das nicht funktionieren kann.“
Seit mehr als 30 Jahren für Wildvögel im Einsatz
Viel zu tun haben Kestner und seine Mitstreiter gerade. Wenn es mal wieder ruhiger ist, dann „werden wir uns röntgentechnisch mit den beiden Vögeln beschäftigen. Auf die Bilder bin ich gespannt.“
Seit mehr als dreißig Jahren kümmert sich Kestner ehrenamtlich um verwundete Wildvögel, bis sie wieder gesund davon fliegen können, darunter Enten, Kanadagänse, Bussarde, Uhus oder Turmfalken. Es kommen stets neue verletzte Wildvögel dazu, die sich einen Flügel gebrochen oder in Angelhaken, Stacheldrahtzaun, Stromleitungen verfangen haben.
Nicht nur um körperlich verwundete Vögel kümmert sich Thorsten Kestner. „Es ist ein Alptraum, wenn Wildvögel von der Hand aufgezogen und zahm gemacht werden. Es ist verboten Wildvögel zu halten, trotzdem sperren Leute gefundene Krähen in Wellensittich-Käfige.“
Eule musste zehn Jahre lang im Käfig leben
Kestner versucht, diese Vögel auszuwildern, damit sie wieder alleine in der Natur überleben können. „Eine Eule hat zehn Jahre lang in einem Käfig bei einer Oma gelebt, bis die Oma starb. Diese Eule kann man leider nicht mehr in die Freiheit entlassen.“ Sie würde in der Natur nicht mehr zurechtkommen. Kestner versucht dann, die Vögel an Zoos oder Tierparks zu vermitteln. Auch ein Kormoran wurde verbotenerweise von Menschen zahm gemacht und dann wahrscheinlich ausgesetzt. „Er flog durch die Bochumer Innenstadt, bettelte bei Fußgängern um Futter.“
Vogelpflegestation in Hattingen
Jetzt sitzt er am Teich der Paasmühle, gewöhnt sich an die freie Natur. Es wird noch eine Zeit dauern, bis er dort alleine leben kann. Aber der Tag wird kommen. Und wenn die geheilten Vögel fortfliegen - das ist für Thorsten Kestner das Schönste. „Am liebsten sehen wir sie von hinten.“
Das wird bei der Gans und dem Schwan wohl nicht gelingen. Darum bleiben sie dauerhaft auf dem 15000 Quadratmeter großen Gelände mit einem Bach und drei Teichen. „Oder wir vermitteln sie in gute Hände.“