Thorsten Kestner pflegt in den Wintermonaten ein flugunfähiges Tier vom Hüttenteich.
Dieser Schwan ist bekannt wie ein bunter Hund. Weil er ein Handicap hat, weil er seit dem Sommer wegen eines zertrümmerten Wurzelgelenks nicht mehr fliegen kann. Deswegen hat Thorsten Kestner den Bewohner des Hüttenteichs jetzt für die Wintermonate in seiner Wildvogelstation an der Paasmühle aufgenommen.
Mittwochmorgen klingelte bei dem Vogelschützer in Stüter das Telefon: Der Hüttenteich sei zugefroren, der Schwan habe gerade mal noch eine Fläche für sich, die so groß sei wie er selbst. Drumherum lag zudem nur noch verschimmeltes Brot – keine Grundlage für ein gesundes Schwanen-Leben.
Kestners Kollege Reinhard Vohwinkel machte sich auf den Weg, fing den Schwan und brachte ihn an die Paasmühle.
Mittwochnachmittag klingelte das Telefon erneut. Einmal, zweimal, dreimal – Tierfreunde meldeten, dass der Schwan vom Teich weg sei, waren besorgt, ob ihm vielleicht etwas zugestoßen sei.
Nein, ihm geht's gut. Beim Besuch der Hattinger Zeitung gestern Morgen fauchte er zwar ein bisschen, doch nach dem ersten Kennenlernen bewegte er sich ganz friedlich. Zurzeit lebt er noch in Quarantäne, wird entwurmt und soll sich langsam an seine Artgenossen gewöhnen. Doch schon bald wird er die drei Wintermonate, die er nun im Hügelland verbringt, genießen: mit Salat, Körner-Mischungen, viel Auslauf und dem täglichen Bad im Bach.
Etwa 800 Vögel hat Thorsten Kestner in diesem Jahr betreut, darunter 100 Schwäne. Wanderfalken, Uhus, Kuckucke, Enten – sie alle waren verletzt und wurden von dem 45-Jährigen wieder aufgepäppelt. „Wir bauen aber keine Beziehung zu den Tieren auf”, erklärt Thorsten Kestner. Weil es Wildtiere sind, die nicht gezähmt werden sollen, weil sie sich nach ihrer Genesung auch wieder in der freien Wildbahn durchschlagen müssen. Namen bekommen sie auch nicht. Den Schwan ruft Kestner schlicht „Schwan”.
Am 21. Juli wurde ihm der Flügelbruch des Tieres gemeldet, „aber wir haben sofort festgestellt, dass diese Verletzung nicht zu behandeln ist”. Dass der Schwan nicht mehr fliegen kann, hat ihn im Sommer nicht gestört. Im Herbst auch noch nicht. Erst jetzt im Winter, als der Frost kam, wurde es zu seinem Nachteil.
Denn seine sieben Jungen, die er in diesem Sommer mit seiner Schwänin bekommen hat, sind schon längst nicht mehr beim Papa. Als sie flügge waren, wurden sie kurzerhand von ihren Eltern vom Teich gejagt – ganz so wie es die Natur dieser Tiere ist. Und auch die Gattin hat sich verabschiedet, als der Teich gefror. Vermutlich lebt sie jetzt auf der Ruhr. „Ich bin mal gespannt, ob das funktioniert und sie auf ihren Mann wartet”, sagt Thorsten Kestner – und schmunzelt.
Zur Person: Thorsten Kestner
Seit mehr als 20 Jahren ist Thorsten Kestner nun schon als Vogelschützer aktiv. Auf eigene Kosten wohlgemerkt, denn der 45-Jährige gehört keinem Verein an und erhält auch sonst keine finanzielle Unterstützung. Jedes verletzte Tier, das im Laufe eines Jahres an die Paasmühle kommt, wird im Bestandsbuch verzeichnet – fürs Jahr 2009 hat er eine Kladde, die von seiner Frau Anna gestaltet wurde.
Neben seiner Leidenschaft für die Vögel arbeitet Thorsten Kestner im „normalen Leben” als Bauleiter in Witten.