Hattingen. „Arschloch“, „Pisser“, „Hurensohn“: Nicht nur Polizisten & Rettungskräfte müssen sich in Hattingen viel anhören, auch Ehrenamtler sind betroffen.

Das ist nicht schön: Hattingen liegt an der Spitze im EN-Kreis, was die angezeigten Beleidigungen gegen Polizeibeamte angeht. Und auch der Ehrenamtler und Naturschützer Martin Maschka erlebt täglich schlimmste Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen an der Schranke zum Krötenschutz am Schulenberger Wald.

Die Liste der Beleidigungen ist lang, sagt Maschka vom Verein Artenschutz Ruhrgebiet. Er hat schon seine persönliche Hitliste aufgestellt. „Ich könnte täglich Anzeige bei der Polizei erstatten“, sagt er. Doch inzwischen würden die Beleidigungen nur noch durch ein Ohr rein und durchs andere wieder rausgehen.“ Inzwischen sagt er oft nichts mehr, „um jeglichem Konflikt aus dem Weg zu gehen“. Er weiß aber auch: „Das Unverständnis für den Amphibienschutz frustriert manche Naturschützer.“

Das sind die schlimmsten Beleidigungen, die Naturschützer und Polizisten in Hattingen hören

Der Fahrer eines E-Autos sagte erst vorige Woche zu ihm: „Hier wird Krötenschutz praktiziert und in Afrika hungern die Kinder, du Arschloch, hast du dir dazu mal Gedanken gemacht?!“ Öfter hört er: „Mach die Schranke auf, sonst setzt es was“ oder „Lass‘ mich durch, sonst gibt‘s warme Ohren.“ Erst vor zwei Wochen drohte ein Fahrer: „Mach‘ auf, ansonsten komm‘ ich wieder und dann findet man dich nicht mehr.“ Ein anderer fuhr auf bis zu Maschkas Schuh. „So etwas erleben wir fast täglich.“

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Die Menschen würden immer aggressiver. Manchmal lassen die Naturschützer Autofahrende noch durch, wenn sie just zur Schrankenschließung kommen, „aber diese Ausnahmen ziehen sich dann ewig“. Motorradfahrende zeigten teils den Mittelfinger und würden einfach am Rand entlang fahren. Dazu würde die Schranke nachts oft gewaltsam geöffnet.

Kröten sind vielen Autofahrenden offenbar nicht wichtig

Nicht jeder sei mehr bereit, für den Amphibienschutz einen Umweg in Kauf zu nehmen. „Viele denken, es sind ja nur Kröten. Bei Walen ist das anders“, glaubt Maschka. Doch Amphibien seien so bedroht wie nie. Nie sei der Rückgang so stark zu spüren gewesen wie in den vergangenen zehn Jahren.

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Dabei kann Maschka den Ärger der Autofahrenden sogar etwas verstehen, denn inzwischen ziehe sich die Krötenwanderung. „Früher dauerte sie drei Wochen, heute teils mit Kältepausen bis zu zwei Monaten.“ Seit Ende Februar schließen die Naturschützer die Schranke. Das sei für Autofahrende nicht schön. Doch Maschka mahnt: „Es ist unfassbar wichtig, wenn wir unseren Enkelkindern Amphibien nicht nur im Buch zeigen möchten.“

Polizist Christoph Neuhaus: Beleidigungen kommen inzwischen häufiger vor

Von der Tendenz her kämen Beleidigungen häufiger vor als früher, sagt Christoph Neuhaus, Sprecher der Kreispolizei. Die Auswertung aus dem Jahr 2023 zeigt: Was Beleidigungsdelikte angeht, ist Hattingen an der traurigen Spitze. „Wir liegen da fast genau im mittleren zweistelligen Bereich.“ In Sprockhövel war die Zahl der Beamtenbeleidigungen dagegen verschwindend gering.

Doch nicht jede Beleidigung kommt laut Neuhaus auch zur Anzeige. „Oft wird man ja nicht persönlich beleidigt, sondern als Polizeibeamter.“ Teils hätten die Beleidigungen auch einen medizinischen Hintergrund. Viele passierten außerdem in Zusammenhang mit einem Einsatz oder einem anderen Delikt, beispielsweise wenn Menschen, die in Gewahrsam oder festgenommen werden sollen, Widerstand leisten - oder wenn sie alkoholisiert sind.

Dann komme das auch zur Anzeige oder auch, wenn die Beleidigung sehr öffentlich war. Es fallen Worte wie „Arschloch“, „Pisser“ oder auch „Hurensohn“. „Das ist dann schon unter der Gürtellinie.“ Etwa alle zehn Tage käme es im Schnitt zu einer angezeigten Beamtenbeleidigung. Und es sei auch schon ein Beleidiger am nächsten Tag mit einem Blumenstrauß und einer Entschuldigung auf die Wache gekommen.

Feuerwehrkräfte müssen sich für Maßnahmen rechtfertigen

Markus Neuhaus, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands, kennt die Situation, dass die Rettungskräfte sich rechtfertigen müssen für Maßnahmen wie Straßensperrungen. „Das nimmt zu“, sagt er. Er erinnert sich, dass Radfahrende geschimpft hätten, als der Leinpfad aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste, weil Äste auf den Weg zu fallen drohten.

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Doch die nächste Eskalationsstufe, also dass die Kräfte körperlich bedroht werden, sieht er noch nicht. Das Wort „Arschloch“ falle schon mal. „Aber das nimmt man nicht persönlich. Wir haben Wichtigeres zu tun.“ Aus seiner 20-jährigen Erfahrung weiß Markus Neuhaus, dass immer dann Menschen auch ausfällig werden, wenn die Retter in die Persönlichkeitsrechte eingreifen müssen, also beispielsweise eine Wohnung kontrollieren, dort Messungen durchführen.

Retter können Beleidigungen unkompliziert melden

Lars Engelhardt, stellvertretender Leiter der Feuerwehr Hattingen sagt wie Markus Neuhaus, dass Rettungskräfte zudem seit dem vergangenen Jahr unkompliziert Fälle von Beleidigung während des Einsatzes melden könnten.