Hattingen. Die ev. Kirche Hattingen steckt im Umbruch. Welche Veränderungen geplant sind und ob Kirchenaustritte sie schmerzen, erläutern zwei Pfarrer.

Die evangelische Kirche in Hattingen steckt im Umbruch – personell und strukturell. Was bereits klar ist und wie sich Kirche nun neu ausrichtet, erläutern Hansjörg Federmann (57), Pfarrer von St. Georg, und Uwe Crone (65), zuletzt Pfarrer in Welper-Blankenstein, im WAZ-Interview.

WAZ: Herr Crone, Herr Federmann, immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Allein im Vorjahr verließen 436 Menschen die evangelische Kirche in Hattingen. Wie sehr schmerzt Sie das?

Hansjörg Federmann: Dass wir weniger werden, stimmt leider. Wir gehen zurzeit davon aus, dass wir in Hattingen und Sprockhövel 2030 insgesamt noch 20.000 Protestanten sein werden. In den 1970ern war hier noch mehr als die Hälfte aller Einwohner protestantisch. Diese Entwicklung schmerzt natürlich: festzustellen, dass das, was wir hier tun, für viele Menschen keine Bedeutung mehr hat.

Uwe Crone: Ich sehe das genauso. Dieses Gefühl, dass Kirche einem Heimat und einen Sinn im Leben gibt, haben viele einfach nicht mehr. Versäumnisse der Kirche sind dafür aber nur ein Grund von vielen. Viele Menschen finden ihren Lebenssinn heute in anderen Bereichen. Esoterik, Musik, Sport, Events. Was mir persönlich aber vor allem weh tut, ist, wenn sich Menschen aus der Kirche abwenden, die ich kenne und als Pfarrer lange begleitet habe. Zumal es in Hattingen in den letzten Jahrzehnten eine sehr lebendige und hochmotiviert betriebene evangelische Kirchenarbeit gegeben hat.

Zusammen in der Gemeinde Welper-Blankenstein gearbeitet

Als Nachfolger von Pfarrer Udo Polenske in der evangelischen Kirchengemeinde St. Georg ist Hansjörg Federmann (57) beruflich zum 1. November in seine Heimatstadt zurückgekehrt.

2016 war er nach Bielefeld zum Landeskirchenamt gewechselt. Seine Aufgaben dort waren die Spendenarbeit und Ehrenamtsarbeit.

Zuvor war er von 2005 bis 2016 als Pfarrer in der Gemeinde Welper-Blankenstein tätig. Ebenda arbeitete er damals zusammen mit Uwe Crone, der 2006 in die Gemeinde kam. „Das war eine tolle Zeit“, betonen beide

Crone, der Ende November in den Ruhestand verabschiedet worden ist, war zuvor 19 Jahre lang als Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Winz-Baak tätig. Im Ortsteil war er u.a. auch Mitbegründer einer multikulturellen Initiative. 1988 stieg er zudem in den Verein „HAZ – Arbeit und Zukunft“ ein.

Im HAZ will Crone auch in Zukunft weiter mitarbeiten, zudem das Kindermusical in Welper-Blankenstein noch einmal inszenieren.

Wie wollen Sie denn Menschen künftig für Ihre Kirche begeistern?

Federmann: Wir müssen Menschen trotz allem weiterhin die Nähe von Kirche erfahren lassen. Diese kann einem zum Beispiel ein Vaterunser geben oder ein Seelsorgegespräch, aber auch ein Kindermusical oder ein Gemeindeevent. Menschen müssen bei uns eine Art Lagerfeuergefühl erleben.

Crone: Stimmt. Gerade Menschen, die dabei früh die Nähe von Kirche erfahren, wirken meist auch als Erwachsene noch in der Kirche mit.

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Wie sieht in Hattingen die evangelische Kirche der Zukunft aus?

Federmann: Kleiner, bunter, aber nach wie vor sehr lebendig.

Crone: Die Kirchengemeinden Winz-Baak, Niederwenigern, Welper-Blankenstein, Johannes und St. Georg werden ab 2026 zu einer Gemeinde fusionieren, auch Bredenscheid-Sprockhövel macht mit.

Federmann: Eine große Gemeinde gibt uns einfach bessere Möglichkeiten, die Aufgaben von Kirche weiterhin strukturell bestmöglich zu erfüllen. Trotz ja auch weniger werdender Pfarrstellen wollen wir möglichst viele Angebote auf Dauer erhalten: Kinder-, Jugend-, Seniorenarbeit, Diakonie. Überall alles anbieten können wir allerdings nicht, aber alle Angebote sind für alle.

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Und was bedeutet der Umbruch für die einzelnen Standorte?

Federmann: Bis ins Detail lässt sich das heute noch nicht sagen. Eine Gemeinde wird ja nicht am Reißbrett geschaffen, die Gläubigen müssen sie gemeinsam erst entwickeln, überlegen, an welchem Kirchort welche Schwerpunkte sinnvoll sind. Um das zu planen, hat sich nun aus allen Gemeinden eine Steuerungsgruppe gebildet.

In St. Georg etwa sollen Kultur- und Stadtkirchenarbeit Schwerpunkte sein, das bietet sich einfach an. Auch klassische Konzerte in der St.-Georgskirche wird es weiter geben. Zudem ist es geplant, dass ich mich um die Diakonie und die Öffentlichkeitsarbeit für die gesamte Gemeinde kümmere.

Crone: Ein zweites Beispiel: In Welper-Blankenstein, wo ja gerade schon Annette Krüger in den Ruhestand gegangen ist und nach mir ja bald auch meine Frau Birgit folgen wird, ist bereits seit dem Frühjahr Carolin Kremendahl tätig – noch im Probedienst. Welches Aufgabenprofil sie künftig abdecken wird, ist noch im Fluss. Einen Musikschwerpunkt sollte es in Welper-Blankenstein aber weiterhin geben, wir haben in der Gemeinde ja zwei lebendige Chöre, das Kindermusical und auch die Blankensteiner Abendmusik. Und auch der Küsterladen, den übrigens Hansjörg Federmann 2006 ins Leben gerufen hat, als er tätig war, sollte meiner Meinung nach am Leben erhalten werden. Aus den weiteren strukturellen Entscheidungen als nun Pfarrer im Ruhestand halte ich mich aber heraus. Und freue mich auf meinen neuen Lebensabschnitt – und auf Familiennachwuchs. Ich werde nämlich bald Opa.

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