Hattingen/Oberhausen/Essen. Prozess um den Mordanschlag auf einen Zeitungsboten in Hattingen: Verteidigung des angeklagten Oberhauseners präsentiert eine ganz neue Version.

Die Tat glich einer versuchten Hinrichtung. Im Prozess um die Schüsse auf einen Zeitungsboten in Hattingen hat die Verteidigung des angeklagten Oberhauseners dem Gericht nun aber eine ganz andere Version präsentiert. Danach soll der Schütze bewusst daneben gezielt haben.

Verteidiger Peter Strüwe war persönlich zum Tatort gefahren, um sich dort einen direkten Eindruck zu verschaffen. „Auf Fotos sieht alles immer sehr weitläufig aus“, sagte er den Richtern am Dienstag (5.12.). Die Bilder, die am Essener Schwurgericht gezeigt worden sind, seien offenbar mit einem Weitwinkel gemacht worden. „Tatsächlich ist alles viel näher zusammen, als es die Fotos vermuten lassen.“

„Kein Schuss blindlings abgegeben“

Das bedeute, dass der Schütze in kurzer Entfernung zum Auto des Zeitungsboten gestanden habe. „Kein Schuss wurde blindlings aus weiter Entfernung abgegeben.“ Wenn man in dieser Position eine Person treffen wolle, dann würde man sie auch treffen, so Strüwe. „Das belegt, dass der Schütze bewusst daneben gezielt hat – beispielsweise auf das Lenkrad.“

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Außerdem seien nur einzelne Schüsse abgegeben worden. „Wer die Absicht hat, einen Menschen zu töten, der würde das sicherlich unter Verwendung von Dauerfeuer machen.“ Dazu hätte an der Kalaschnikow einfach nur ein Hebel umgelegt werden müssen. Dann wäre eine Salve von 600 Schuss pro Minute aus dem Lauf gekommen. Weil genau das nicht passiert sei, sei es naheliegend, dass der Schütze nicht mit Tötungsabsicht gehandelt habe. Zumindest aber habe er von einer versuchten Tötung wieder Abstand genommen.

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Angebliche Bedrohung durch die Mafia

Der Angeklagte selbst hat sich im Prozessnoch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Nach seiner Festnahme in einem Berliner Asia-Imbiss durch Einsatzkräfte eines Speziellen Einsatzkommandos (SEK) soll er den Ermittlern jedoch von einer Bedrohung durch die Mafia berichtet haben. Als er das Fahrzeug des Zeitungsboten gesehen habe, habe er gedacht, dass er überfahren werden sollte. Nur deshalb will er auf das Auto geschossen haben. Zu den Hintergründen der angeblichen Bedrohung ist allerdings nichts bekannt geworden.

Urteil erst im neuen Jahr

Der 34-jährige Zeitungsbote war mit seinem Auto damals in Todesangst rückwärts vor dem Angeklagten geflüchtet. Dabei war er durch zwei Schüsse getroffen worden – einmal an der Hand, einmal am Arm.

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Dem Angeklagten wird vorgeworfen, auf den Zeitungsboten geschossen zu haben, weil er sich bei nächtlichen Schießübungen mit seiner Kalaschnikow entdeckt gefühlt hat. Deshalb habe er den 34-Jährigen töten wollen. Die Anklage lautet auf Mordversuch. Mit einem Urteil ist voraussichtlich im Januar zu rechnen.

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