Essen/Hattingen/Oberhausen. Im Prozess um den Kalaschnikow-Angriff auf einen Zeitungsboten treibt die Richterin die Frage um: Wie konnte der Oberhausener werden, was er ist?
Vor gut sechs Monaten wurde mit einer Kalaschnikow auf einen Zeitungsboten in Hattingen geschossen. Die Kugeln durchsiebten das Auto des Mannes. Dass er die Attacke überlebt hat, gleicht einem Wunder.
Die Tat soll ein 32-jähriger Mann aus Oberhausen verübt haben. Laut Staatsanwaltschaft absolvierte der Angeklagte zunächst mitten in der Nacht Schießübungen in Hattingen. Als er dabei von dem Zeitungsboten gestört wurde, soll er auf diesen geschossen haben, um nicht entdeckt zu werden.
Bei Schießübungen gestört?
Seit Beginn des Prozesses hüllt sich der Angeklagte in Schweigen. Er will mit den Richtern nicht darüber sprechen, was in dieser Nacht wirklich passiert ist. Und er will auch nichts zu seinem bisherigen Lebensweg sagen. Dabei könnte irgendwo in der Vergangenheit des 32-Jährigen der Schlüssel zu finden sein, um die Tat zu erklären.
Immerhin soll der Oberhausener schon mehrfach vorbestraft sein – auch wegen Gewaltdelikten. In seinen Akten steht offenbar auch eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Deshalb droht ihm nun im Falle einer Verurteilung auch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.
Wie konnte der Angeklagte zu dem Mann werden, der er heute ist? Diese Frage wollten die Richter jetzt dem Bruder des 32-Jährigen stellen. Der Zeuge druckste jedoch herum. „Ich kann gerne darüber sprechen, aber nicht in öffentlicher Sitzung“, sagte er dann. Als naher Angehöriger des Angeklagten hätte der Zeuge gar nicht aussagen müssen. Von diesem Recht wollte er jedoch ausdrücklich keinen Gebrauch machen. Es schien, als habe der Mann ein echtes Interesse daran, dass die Richter seinen Bruder wirklich kennenlernen. Er sagte jedoch geheimnisvoll: „Ich müsste über wirklich schlimme Sachen aus unserer Familie erzählen. Das sind Dinge, die schrecklich sind. Ich habe Angst, dass auch mein Ansehen gefährdet ist, wenn die Öffentlichkeit davon erfährt.“
Angeklagter schrieb Brief
Vor Zuschauern werden die Details also nicht mehr erörtert werden. Klar ist jedoch, dass auch die psychiatrische Sachverständige Maren Losch großes Interesse daran hätte, mehr über den Angeklagten zu erfahren. Auch ihr will der 32-Jährige nämlich selbst nichts sagen.
Unterdessen wurde bekannt, dass der Oberhausener zuletzt dem Vater der Lebensgefährtin seines Bruders aus der Haft einen Brief geschrieben hat. Der Empfänger ist selbst Polizist und hat früher Mordkommissionen geleitet. „Ich habe keine Ahnung, warum er mir geschrieben hat“, sagte der Mann als Zeuge. In dem Brief soll unter anderem das Wort „Mafia“ eine Rolle spielen. Der Polizist hat das Schreiben aber direkt an die ermittelnden Kollegen weitergeleitet.