Hattingen. Ein Ruheplatz mit Verfallsdatum: Dieses Plätzchen für Verstorbene in Hattingens Hügelland ist besonders – ein Besuch bei Kurt, Christa und Antje.
Menschenleer ist es an diesem Morgen auf dem kleinen Friedhof im Hügelland. Nur das monotone Surren eines Rasenmähers vom Nachbarhaus und ab und an ein vorbeifahrender Pkw sorgen dafür, dass es auf der städtischen Anlage an der Straße Am Wasserturm, einem Ruheplatz für Verstorbene mit Verfallsdatum, zumindest nicht, sagen wir: totenstill ist.
Der Friedhof ist für weitere Beisetzungen bereits seit 2018 gesperrt
„Hunde bitte anleinen, Radfahrer bitte absteigen“, steht auf dem Schild am Eingang des Friedhofes in Bredenscheid-Stüter. Und ein Zettel der AVU an der Eingangstür zur (inzwischen verkauften) Friedhofskapelle rechts daneben informiert darüber, dass an diesem Morgen die Stromversorgung unterbrochen werden muss. Dabei ist das Gebäude verschlossen; und (noch) unbewohnt. Für Trauerfeiern wird die Kapelle unterdessen schon seit Jahren nicht mehr genutzt. Schließlich ist der Friedhof für weitere Beisetzungen bereits seit 2018 gesperrt, seine Entwidmung für das Jahr 2038 geplant.
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Viel Wiese, teils durchzogen mit Disteln und Wildblumen, befindet sich dabei zwischen den Wegen, einige Grabsteine – teils schon zerbrochen – liegen zusammengehäuft auf einer Stelle. Doch noch ist die Grünanlage hier unverkennbar ein Friedhof.
Im Schatten eines mächtigen Silberahorns lächelt eine Antje einen auf einem Foto an
Eine Marlies etwa hat hier ihre letzte Ruhe gefunden, ihr Name steht auf einem Grabstein links neben dem Eingangstor geschrieben. Ein steinernes Herz hat jemand zudem auf ihrem Grab platziert, ein Engelchen. Und unter Efeu versteckt steht in einen Kiesel eingraviert ein Spruch: „In liebevoller Erinnerung“. Ein wenig weiter ruhen Kurt und seine Christa. Und im Schatten eines mächtigen Silberahorns liegt Antje begraben, die einen auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie auf ihrem Grabstein freundlich anlächelt.
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Auf der anderen Seite des abschüssigen Friedhofes, zum Nachbarhaus hin, befindet sich unter anderem die Gruft der Waskönigs. Mehrere kleine Steine liegen auf der Kante der großen rechteckigen grauen Grabsteinplatte – Zeichen von Besuchenden, dass sie an die hier Bestatteten denken.
Viele Gräber sind liebevoll gepflegt, von anderen hat längst die Natur Besitz ergriffen
Etwa zwei Dutzend Grabstätten sind dabei auf dem Friedhof „Am Wasserturm“ noch als solche ersichtlich – darunter viele, die noch sehr liebevoll gepflegt sind. Von anderen hat derweil längst die Natur Besitz ergriffen.
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So auch von jener Grabstelle, an dessen Kopfende ein kleines Schild mit der „Nummer 140“ steht. Mit kniehohen Grasbüscheln ist die Einzelgruft durchzogen, ein verwitterter Kerzenhalter liegt umgekippt inmitten des Grüns – und ein Grabstein für Johannes, der hier 1984 beigesetzt worden ist. Mit gerade einmal 22 Jahren. Wieso, warum? Darauf gibt es hier und jetzt keine Antwort.
Der Blick schweift über die Weite der Anlage – und bleibt schließlich an einer Wasserstelle mit einigen Gießkannen hängen, die für Angehörige und Freunde hier Bestatteter bereitgestellt sind. Ihre beste Zeit haben diese Gießkannen dabei längst hinter sich, mit Klebeband sind sie notdürftig zusammengeflickt. Das Verfallsdatum dieses Ruheplatzes für Verstorbene, es wird auch hier irgendwie sichtbar.
Auf einer der verwitterten Holzbänke lässt sich’s durchatmen – und tagträumen
Der Rasenmäher ist inzwischen verstummt, dafür nun fröhliches Vogelzwitschern zu hören, das Mähen einiger Schafe. Dann herrscht tatsächlich: totale Ruhe. Auf einer der verwitterten Holzbänke mit Blick auf die ersten kleinen Erhebungen des Hattinger Hügellandes und inmitten eines Naturidylls lässt sich’s durchatmen – und tagträumen.
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Zurück am Parkplatz vor dem Friedhofseingang kommt gerade Erika Nickel die Straße hinauf. Mit ihrem Hund Murphy, einem Jack-Russel-Terrier, gehe sie hier regelmäßig spazieren, sagt die Bredenscheiderin. „Weil es hier so schön ruhig ist.“
+++ Dieser Text wurde zuerst am 28. Juli 2023 veröffentlicht +++