Hattingen. Nach einem blutigen Beziehungsdrama bleibt ein Familienvater aus Hattingen in Freiheit. Ein Sonderfall, sagen die Richter. So lief der Prozess.

Auf den ersten Blick ist dieses Urteil kaum zu verstehen: In Hattingen hat ein Mann im Eifersuchtswahn mit einem Messer auf seine Frau eingestochen. Dass die 41-Jährige überlebt hat, ist nur einer sofortigen Not-Operation zu verdanken. Ins Gefängnis muss ihr Ehemann dafür nicht.

Die Richter am Essener Landgericht haben den vierfachen Vater am Dienstag zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. „Ein Sonderfall“, hieß es in der Urteilsbegründung. Normalerweise wären in so einem Fall drei Jahre oder mehr verhängt worden – trotz Entschuldigung, Schmerzensgeld und Reue.

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Es war die Ehefrau, die in diesem Verfahren den Ausschlag gegeben hat. Sie hatte sich trotz ihrer lebensgefährlichen Verletzungen und trotz des laufenden Scheidungsverfahrens dafür eingesetzt, dass ihr Mann nicht ins Gefängnis muss. Vor allem wegen der gemeinsamen Kinder, von denen zwei mit Genehmigung des Jugendamtes beim Angeklagten leben.

Trotz des laufenden Scheidungsverfahrens für den Mann eingesetzt

„Messerangriffe tolerieren wir nicht“, so Richter Thomas Kliegel an die Adresse des 45-Jährigen. „Aber wir wollen nicht noch mehr Unheil über die Familie bringen, als Sie das schon gemacht haben.“ Auch die Staatsanwaltschaft hatte in diesem speziellen Fall nur eine Bewährungsstrafe beantragt.

Es war der 5. Dezember 2021, als der Angeklagte nach der Arbeit mit einem Messer auf seine Frau losgegangen ist. Einer seiner Söhne hatte noch versucht, das Drama zu verhindern, allerdings vergeblich.

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Die seit 18 Jahren bestehende Ehe war zu diesem Zeitpunkt längst am Ende. Die Frau wollte sich trennen, man schlief bereits in getrennten Betten. Trotzdem wollte der heute 45-Jährige die Situation nicht akzeptieren. Er vermutete eine Affäre seiner Frau, war offenbar außer sich vor Wut und Eifersucht. „Er hat sich da reingesteigert“, hieß es im Urteil.

Das Urteil ist rechtskräftig

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In den Wochen vor der Bluttat hatte der Hattinger seine Frau ständig überwacht. Er war an ihrer Arbeitsstelle aufgetaucht, hatte sie mit Videoanrufen überhäuft. „Ihre Ehefrau ist nicht ihr Eigentum“, so Richter Kliegel. „Wenn sie gehen möchte, muss man sie gehen lassen.“ Im Prozess hatte der Angeklagte ein Geständnis abgelegt, die Schuld aber auch immer wieder im Verhalten seiner Frau gesucht. Am Tattag sei dann irgendetwas in seinem Kopf „kaputtgegangen“.

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Vor der Urteilsverkündung hat sich der 45-Jährige bereiterklärt, in den nächsten 20 Jahren insgesamt 23.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Die ersten 5000 Euro hat er bereits überwiesen. Der Rest soll in monatlichen Raten folgen.

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Das Urteil ist rechtskräftig. Auch die Ehefrau hat es akzeptiert. Sie leidet immer noch unter den Folgen der Tat – körperlich und psychisch. Aktuell wartet sie auf eine Traumatherapie.