Hattingen. Kitas demonstrieren und starten eine Petition. Ex-Abgeordneter aus Hattingen erklärt, wie Druck gemacht werden kann für Verbesserungen in Kitas.
Kitas haben auf Initiative des Wichern Kindergartens in Bredenscheid und seines Trägers, des Evangelischen Kirchenkreises Hattingen-Witten, vor dem Landtag auf ihre Personalnot aufmerksam gemacht. Zum „Betreuungsgipfel“ hatten die zuständigen Fachausschüsse in dieser Woche geladen. Etwa 150 Kita-Angestellte und Eltern demonstrierten zeitgleich in Düsseldorf. Die Online-Petition zum Thema haben in fünf Tagen bisher knapp 1900 Menschen unterschrieben. Doch Aussichten auf Erfolg hätte wahrscheinlich nur eine Volksinitiative, erklärt Politikwissenschaftler Rainer Bovermann.
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Der Hattinger Rainer Bovermann war 17 Jahre lang für die SPD Mitglied des NRW-Landtags. Er leitete unter anderem die Enquete-Kommission zum Thema „Chancen für Kinder – Rahmenbedingungen und Steuerungsmöglichkeiten für ein optimales Betreuungs- und Bildungsangebot in NRW“. Für uns erklärt er, weshalb die Mühlen oft so langsam mahlen, welche Möglichkeiten Bürger haben und warum es gerade im Kita-Bereich so schwierig ist, grundlegende Veränderungen herbeizuführen.
„Manchmal wirkt der Landtag in Düsseldorf wie ein Raumschiff, das sich abschottet“, sagt Bovermann. Doch Bürgerproteste bekämen die Abgeordneten durchaus mit. Vor allem öffentlicher Druck und Berichterstattungen durch Medien kommen an, weiß der Welperaner, der 2022 aus dem Landtag ausschied. Dennoch sind Veränderungen gerade im Bereich der Kitas schwierig.
Unterschiedliche Einzelinteressen
Das Problem: „Es gibt bei frühkindlicher Förderung keine einheitliche starke und durchsetzungsfähige Interessenvertretung“, beurteilt Bovermann. Die Einzelinteressen seien sehr verschieden „und da stellt man sich oft gegenseitig ein Bein“, bedauert er. Der Politikwissenschaftler sieht „klassische Zielkonflikte“. So müssten Kita-Plätze ausgebaut werden, also eine Steigerung der Quantität. Zudem ginge es um die Finanzierung und Beitragsfreiheit. Aber gleichzeitig auch um eine Steigerung der Qualität.
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„Es geht ja nicht nur um Betreuung, sondern Bildung.“ Das weiß der 65-jährige aus erster Hand, arbeitet doch seine Frau in einer Kita. Selbstkritisch merkt er an, die Politik habe zu sehr auf das Ziel gesetzt, Eltern von Beiträgen zu entlasten. „Da geht viel Geld rein, das beim Personal fehlt.“
Mehr als 15 Jahre ist seine Arbeit in der Enquete-Kommission nun her, die auf langfristige Veränderungen ausgelegt ist. Vieles wurde umgesetzt, sagt er, aber grundsätzliche Probleme blieben. So kritisierte schon die Kommission, dass für die Jüngsten zu wenig Geld ausgegeben werde. Das System der Pauschalen, das vorsieht, dass ab einer bestimmten Anzahl Kinder eine bestimmte Summe Geld gezahlt wird, sieht Bovermann als „Urproblem“.
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Eine Gesetzesänderung braucht jedoch Zeit. Ein halbes Jahr dauere es mindestens, bis eine Änderung nach erster Lesung, Einbringung in den Landtag, Diskussion in den Ausschüssen, zweiter Lesung und Schlussabstimmung beschlossen sein könnte. Für die Forderungen, die der Kita-Verbund in seiner Petition anbringt, wäre eine solche Gesetzesänderung nötig. Kurzfristig ließe sich hier also nichts machen.
Volksinitiative als Alarmsignal
Die Petition ist, so Bovermanns Einschätzung, nicht das geeignete Mittel, Forderungen durchzusetzen. Zwar werde sich der Petitionsausschuss damit befassen, Antworten könne er aber nicht liefern. Zielführender sei da eine Volksinitiative als Verfahren der Bürgerbeteiligung. Die zwingt den Landtag dazu, sich mit einem Thema zu befassen. „Die Entscheidung trifft der Landtag allein, aber eine Volksinitiative ist ein deutliches Alarmzeichen“, erklärt der Hattinger.
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0,5 Prozent der Stimmberechtigten in NRW müssen für so eine Initiative unterschreiben – das sind etwa 66.000 Menschen. Deshalb brauche es dafür starke Partner – Kirchen, Gewerkschaften, Parteien etc. Kurzfristig könne nur für mehr Attraktivität des Berufs beworben werden, bevor grundlegende Änderungen möglich sind.