Hattingen. Ein krebskrankes Mädchen aus Hattingen erhielt einen Avatar vom Kinderschutzbund. Was der Roboter kann und wie er anderen Kindern helfen soll.

Isolation verhindern heißt: „AV1“ – ein kleiner Roboter. Der Kinderschutzbund Hattingen/Sprockhövel konnte mit Unterstützung einer privaten Spende den kleinen Avatar für ein an Krebs erkranktes Kind anschaffen. Für Antonia (Name geändert) war „Robbi“ im Klassenzimmer Augen, Ohren und Stimme zugleich. Nun soll er einem anderen Kind helfen.

„Robbi hat einfach die Teilhabe an der Klassengemeinschaft wieder ermöglicht“, erklärt Anne-Katrin Braß, Sozialarbeiterin der Gemeinschaftsgrundschule Alt-Blankenstein. „Antonia konnte einfach dabei sein, mit den anderen lachen, Spielen oder auch den ein oder anderen Streit schlichten“, erinnert sie sich zurück. „In den Pausen haben wir uns abgewechselt und waren dann alleine mit ,Robbi’“, ergänzt Mirja (9), eine Mitschülerin.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

So war nicht nur der Unterricht, sondern stets auch „Robbi“ im Mittelpunkt des Klassengeschehens. „Wir wollten einfach wissen, wie es ihr geht. Sie hätte ja auch sterben können“, ergänzt eine weitere Mitschülerin. Antonias Stellvertreter in der Klasse ermöglichte daher nicht nur den Kindern eine Art der Teilhabe, die über das Verfolgen von Unterrichtsinhalten hinausging.

Aber wie genau funktioniert der Avatar? Von zu Hause oder aus dem Krankenbett heraus verbindet sich der Schüler oder die Schülerin über eine App mit einem mobilen Endgerät mit dem Roboter. Dank einer eingebauten Kamera, einem Mikrofon und der Möglichkeit über „AV1“ einfache Mimik – wie ein lächelndes Emoji-Gesicht – auszudrücken, haben Kinder wie Antonia die Chance, sich direkt zu Wort zu melden. Das „Aufzeigen“ wird durch Lichtsignale am Kopf gesteuert und ist so ebenfalls möglich.

Kontakt zum Kinderschutzbund

Wer an dem Avatar interessiert ist und durch ihn einem Kind die Teilhabe am Unterricht wieder ermöglichen will, kann sich beim Kinderschutzbund Hattingen/Sprockhövel unter: melden.

Die Entwicklerfirma No Isolation ist ein norwegisches Unternehmen, das durch den Einsatz von Technologie Einsamkeit und soziale Isolation gerade bei Kindern verringern will. Der AV1 ist ein Telepräsenz-Avatar, mit dem Kinder und Jugendliche trotz Krankheit weiterhin am Unterrichtsgeschehen teilnehmen können.

Antonia geht es mittlerweile besser – sie ist in der Remission und wieder fest in den Klassenalltag integriert. „Robbi ist nun für jemand anderes bereit, der ihn braucht“, erklärt Kerstin Lohmann vom Vorstand des Kinderschutzbundes. „Es ist so wichtig, dass er wieder in den Einsatz kommt“, findet auch Andrea Müller-Feld, Schulleiterin der Grundschule in Blankenstein. „Es ist kein Hexenwerk und technisch durchaus umsetzbar.“ Die direkte Arbeit ersetze der kleine Stellvertreter dabei aber nicht, sondern biete lediglich eine große Unterstützung, um Nähe und Vertrauen aufrechtzuerhalten.

>>> Mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel

Arbeitsblätter oder Nachrichten erhielt Antonia von ihren Mitschülern per Post oder Klassenlehrerin Nadine Graf brachte sie direkt vorbei. „Auch mit der ganzen Klasse haben wir Antonia ein paar Mal besucht“, erinnert sie sich zurück. Aufgrund von Corona aber nur kurze Besuche auf Abstand. „Das war einfach so wichtig, um allen auch bewusst zu machen: Das ist immer noch Antonia.“

Auch interessant

Einmal in der Woche besuchte die Lehrerin Antonia alleine, um den Kontakt zu halten. Dabei ging es nicht nur um Unterrichtsinhalte. „Wir haben dann einfach über aktuelle Geschehnisse in der Klasse gesprochen, von Streitigkeiten oder wie es den anderen aktuell geht“, erinnert sie sich. „Das sollte Antonia einfach das Gefühl vermitteln: Du gehörst immer noch dazu“, erklärt die junge Mutter.

Und genau deswegen ist der gerade einmal 30 Zentimeter große Roboter in den wenigen Monaten seines Einsatzes für die Kinder zum festen Klassenmitglied geworden. „Wir haben Antonia sehr vermisst und es war dann einfach so schön, durch „Robbi“ mit ihr sprechen zu können“, erklärt ein Mitschüler.

>>> Folgen Sie unserer Redaktion auf Facebook – hier finden Sie uns

Auch interessant

„Mit Einsatz des Avatars können sich die Kinder zugleich auch mit dem Thema der Krankheit auseinandersetzen“, meint Kerstin Lohmann vom Kinderschutzbund. „Ohne ,Robbi’, wäre Antonia einfach weg gewesen und ihre Mitschüler mit der Ungewissheit konfrontiert“, erzählt die studierte Sozialpädagogin weiter.

Nun wartet „Robbi“ auf seinen nächsten Einsatz und der Möglichkeit, einem anderen kranken Kind die Teilhabe am Schulalltag zu ermöglichen.