Essen/Hattingen. Mia (11) hat Knochenkrebs, ihr linkes Bein war in Gefahr. Sie erzählt von der OP in der Uniklinik Essen und wie die Amputation abgewendet wurde.
Die größte Aufregung, die es für Mia Willmes im Jahr 2022 geben sollte, war der Wechsel von der Grundschule zur Albert-Einstein-Realschule in Essen-Rellinghausen. Doch dann erschütterte eine Krebsdiagnose die Elfjährige, die mit ihrer Familie in Hattingen-Niederwenigern lebt. Seither stehen nicht mehr Mathe, Deutsch und Freunde auf Mias Stundenplan, sondern Chemotherapie, Krankenhausaufenthalte, Operation. Ihr Leben steht Kopf, doch Mia erzählt davon mit bewundernswertem Gleichmut.
Ende März, Anfang April hatte sie zum ersten Mal heftige Schmerzen im linken Bein: „Abends tat der Oberschenkel sehr weh.“ Ihre Eltern, die außer Mia den kleinen Lasse (1) und die 13-Jährige Hanna haben, dachten anfangs an nichts Schlimmes. „Wir gingen von Wachstumsschmerz aus, den hatte auch unsere Große“, erinnert sich Vater Florian Willmes. Auch der Kinderarzt habe das für plausibel gehalten.
Trotz schlimmer Schmerzen machte sie ihre Trapez-Nummer
Mia machte weiter Judo, trainierte auch mit für das Zirkus-Projekt zum Abschluss der Grundschulzeit: eine Trapez-Nummer. „Dabei hing ein Mädchen an meinen Füßen, ein anderes stand auf meinen Knien.“ Eigentlich hätte sie auf Mias Oberschenkeln stehen sollen, aber das sei zu schmerzhaft gewesen. Für die Aufführung gab es viel Applaus und Mia ist froh, dass sie dabei war: „Das war cool.“ Der Schmerz blieb.
Die besorgten Eltern gingen erneut mit ihr zum Kinderarzt, der ein Blutbild machte und sie an einen Orthopäden überwies. Der röntgte das Bein und entdeckte am 10. Mai einen Tumor im linken Oberschenkel: Knochenkrebs. „Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Es war so ein Schock“, erinnert sich Mias Mutter Kathrin Willmes.
Mia hat viel Mut, aber riesige Angst vor Spritzen
Ihr Mann ruft wegen der weiteren Diagnostik den Essener Radiologen Dr. Karlgeorg Krüger an, mit dem er beruflich Kontakt hatte. „Wir haben sofort einen Termin gemacht. Kinder gehen immer vor“, sagt Krüger beim Gespräch im Zuhause der Familie in Niederwenigern. Der Arzt erinnert sich an Mias Spritzen-Phobie, ihre Tränen. „Ich hatte riesige Angst“, sagt das Mädchen. Mit viel Zureden habe man ihr das Kontrastmittel spritzen können, das für gute Bilder unabdingbar sei. „Das ist wichtig für die Operateure.“ Per Datenleitung habe er die Bilder in die Uniklinik Essen geschickt.
Leider hätten nicht alle Beteiligten so ein Tempo vorgelegt, bedauert Krüger. Sechs Wochen seien vergangen, bis Mia einen Termin für das PET/CT hatte, eine besondere Computertomographie, mit der vor dem Start der Chemotherapie geklärt wird, ob der Krebs gestreut hat. Zum Glück war das nicht der Fall. „In der Zwischenzeit hatte sich der Tumor verdoppelt“, erinnert sich Mias Vater. Das Praxisteam um Karlgeorg Krüger ist ohnehin in Sorge: „Wir haben alle gezittert, gefürchtet, dass Mia ihr Bein verliert.“
Die Amputation kann abgewendet werden
Dank der Spezialisten der Uniklinik Essen – von der Kinderonkologie bis zur Tumororthopädie und Sarkomchirurgie – kann eine Amputation verhindert werden. Nach einem langen Weg für Mia: Anfang Juli startet die Chemotherapie, ihr erster Krankenhausaufenthalt. „Die waren alle sehr nett zu mir. Trotzdem war es blöd: Meine Haare fielen aus, und ich musste mich ständig übergeben. Mir war noch übel, als ich schon wieder zwei Wochen zu Hause war.“
Der nächste Klinikaufenthalt steht da schon bevor: Am 14. Oktober wird Mia in einer Operation der Oberschenkelknochen weitgehend entfernt und ein Implantat eingesetzt. Sechs Stunden dauert das. Nicht viel für eine innovative Hightech-OP: „Aber wenn man draußen sitzt, ist das lang“, sagt Kathrin Willmes.
Zehn Tage später wird Mia entlassen, ihr Bein ist gerettet: Die eingesetzte Prothese soll sich im Wachstum anpassen und so weitere Operationen überflüssig machen. Um auch eine Rückkehr des Krebses zu verhindern, läuft die Chemotherapie weiter. Mia sagt, dass ihr davon immer noch schlecht werde: „Aber ich übergebe mich nicht mehr.“
Vielleicht kann sie sogar wieder Skifahren
Momentan hat sie Online-Unterricht über das iPad. Sonst wird ihr Tag durch Untersuchungen, Verbandswechsel, Physiotherapie strukturiert. Anstrengend ist das, doch die Prognosen sind gut: Mit dem Implantat kann Mia zwar keinen Kontaktsport, aber sonst fast alles machen. „Wir hoffen, dass sie sogar wieder Skifahren kann“, sagt ihre Mutter.
Noch muss sich Mia ruhiger beschäftigen, baut gern mit Lego, nach Anleitung oder nach ihrer Fantasie. Dr. Krüger hat sich von seiner jungen Patientin eine Wunschliste geben lassen und mit Hilfe von „Frechdachs“ in Kettwig, Lego und seinem Team besondere Bausätze besorgt, über die sich Mia sehr freut: Sie hat ja noch viele lange Tage vor sich, bis sie nach den Osterferien 2023 hoffentlich wieder zur Schule gehen kann.