Hattingen. Unheilbar an Krebs erkrankt ist Ines Linke-Beushausen aus Hattingen. In einem Wutmoment hat die Bochumer Lehrerin die Idee für ihre Voodoo-Krebse.
Ihre Schülerinnen und Schüler haben Briefe an sie geschrieben und Bilder für sie gemalt. Eines zeigt, wie sie am Krankenbett ihrer Lehrerin stehen und ein Schild hochhalten, darauf steht: „Wir wollen, dass unsere Frau Linke wieder zurückkommt.“ Auch Ines Linke-Beushausen wünscht sich das sehr. Doch ob sie wieder unterrichten wird an der Astrid-Lindgren-Schule in Bochum, ist ungewiss. Denn die Hattingerin ist an Krebs erkrankt. Unheilbar, sagt sie.
Es ist der 24. Februar – der Tag, an dem mitten in Europa plötzlich wieder Krieg herrscht – als Ines Linke-Beushausen erfährt, dass sie Eierstockkrebs im fortgeschrittenen Stadium hat, mit Metastasen im ganzen Bauchraum und in der Lunge. Ines Linke-Beushausen ist geschockt, fast wie gelähmt. Zum Glück hat sie ihren Mann Andreas (43) an ihrer Seite.
Ihre unheilbare Krebserkrankung: Ein „großer S...-Dreck“
Im Klinikum Velbert befindet sich die 47-Jährige zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Tagen, als sie von diesem „großen S...-Dreck“ erfährt. Eineinhalb Liter Wasser haben die Klinikärzte ihr da bereits aus dem rechten Lungenlappen entfernt, sie zudem umfassend untersucht – und eine Gewebeprobe aus der Lunge entnommen, die ihr in den Monaten zuvor zunehmend weniger Luft zum Atmen gab.
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Doch die Ärzte, die Ines Linke-Beushausen damals immer wieder aufsuchte, sagten ihr: Sie habe nichts Schlimmes. Und: Ihre Lunge sei frei. Auch Corona-Tests blieben negativ. Und die starken Unterleibsschmerzen Anfang vergangenen Jahres, die der Luftnot vorausgegangen waren, führte ihre Frauenärztin auf zwei „harmlose“ Zysten zurück, erinnert sich die Hattingerin.
„Ich kann diesen Körper nicht mehr ertragen!“
Die Monate, nachdem sie dann endlich Klarheit bekommen hat über ihren gesundheitlichen Zustand und insgesamt sechs sehr strapazierende Chemobehandlungen erhält, sind für Ines Linke-Beushausen wie eine Achterbahnfahrt - physisch und psychisch. An einem Abend kann sie nicht mehr. Sie trommelt mit beiden Fäusten wild und immer wilder auf ihren inzwischen deutlich angeschwollenen Bauch, sagt zu ihrem Mann: „Ich kann diesen Körper nicht mehr ertragen!“ Da greift er ein.
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In der Nacht hat die Hattingerin – die inzwischen Chemotabletten einnimmt, eine sogenannte Erhaltungstherapie – dann die sie bis heute durch solche Verzweiflungsmomente tragende Idee. Die Kunstlehrerin näht sich einen sogenannten Voodoo-Krebs – einen kleinen Krebs aus Stoff. Inzwischen hat sie weitere für den Ambulanten Hospizdienst Hattingen-Witten gefertigt, um mit diesen auch anderen kranken Menschen und ihren Angehörigen zu helfen.
„Dem Krebs in mir ein Gesicht gegeben“
Mit ihrem Voodoo-Krebs habe sie „dem Krebs in mir ein Gesicht gegeben“, sagt sie. Im Gegensatz zu ihrer Erkrankung könne man den Voodoo-Krebs dabei sehen und vollständig ertasten. Mehr noch: „Ich kann meine Wut an ihm auslassen, ihn anschreien, kneifen, schlagen, gegen die Wand werfen, ihm Schimpfwörter geben, ihn als Nadelkissen benutzen.“ Oder was auch sonst ihr noch einfällt in den schlechten Momenten, in denen der Krebs sie stark ängstigt, wütend, verzweifelt stimmt.
Stoffkrebse am „Sterne“-Stand – und raus aus dem Tabu
Dem Ambulanten Hospizdienst Hattingen-Witten hat Ines Linke-Beushausen etliche ihre selbstgefertigten Voodoo-Krebse geschenkt – für die Weitergabe gegen eine Spende zugunsten des Projektes „Hospiz macht Schule“.
Erhältlich sind sie – sowie von Ines Linke-Beushausen ebenfalls selbstgenähte Port-Kissen – am „Sterne“-Verkaufsstand des Vereins – vom 26. November bis zum 11. Dezember, jeweils von 11 bis 18 Uhr; vor dem früheren Depot-Laden im Reschop-Carré. Auf Wunsch können Interessierte sich dort auch die Ausstellung zum Projekt „Hospiz macht Schule“ ansehen.
Ines Linke-Beushausen sagt, es sei ihr ein großes Anliegen, das Tabu unheilbare Erkrankung aufzubrechen. „Ich selbst bestehe ja jetzt trotz fortschreitenden Krebses nicht nur noch aus diesem. Und ich wünsche mir, dass man mich weiterhin wahrnimmt und nicht behandelt wie jemanden, den man schon zu Lebzeiten aufgegeben hat.“
In den guten Momenten dagegen schmiedet die Hattingerin Reisepläne für Trips nach Venedig, Prag, Danzig. Sie träumt davon, noch ihren 50. Geburtstag zu erleben; und den 18. ihrer Tochter (15). Und sie sagt, ohne den Chefarzt der Pneumologie im Klinikum Velbert, der ihre schwere Krebserkrankung ja erst feststellte und am 24. Februar dann die Diagnose mitteilte, „hätte ich nicht so schöne Momente gehabt in meinem Leben seitdem“.
Die schönen Dinge im Leben nicht mehr aufschieben auf ein Irgendwann
Einen Kursus im Stand-up-Paddling habe sie im Sommer zusammen mit ihrem Mann gemacht – „das wollte ich schon seit einigen Jahren“. Sie hat jüngst die Van-Gogh-Ausstellung in Mülheim besucht, sich mit einer alten Schulfreundin nach über zwei Jahrzehnten erstmals wieder getroffen. Ines Linke-Beushausen sagt: „Ich will die schönen Dinge im Leben nicht mehr aufschieben auf ein Irgendwann.“
Auch ihr Voodoo-Krebs hilft ihr dabei.