Hattingen. Mit 14 hat die junge Frau einen schweren Unfall, ist seither behindert. Sie kämpft sich ins Leben zurück. Jetzt gab es viel Grund zur Freude.
14 Jahre alt ist Wenke Müller, als ein schwerer Verkehrsunfall ihr Leben aus der Bahn wirft. Seither ist die junge Frau mehrfach behindert, doch aufgegeben hat sie sich nie. Jetzt ist für sie ein Traum in Erfüllung gegangen: Die 23-jährige hat eine feste Stelle gefunden - bei der Wodantaler Landbäckerei in Hattingen. Die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz hatte sie schon fast aufgegeben.
14-Jährige erleidet ein schweres Gehirntrauma
Das Datum wird Wenke Müller nie vergessen. Es war der 18. April 2013, als sie nachmittags mit ihrem Fahrrad zu einer Freundin fahren wollte. „Dort bin ich aber nie angekommen“. Beim Überqueren einer Straße übersieht sie ein Autofahrer. Mit dem Kopf schlägt das junge Mädchen auf der Motorhaube des Wagens auf, erleidet ein schweres Gehirntrauma und einen Schlüsselbeinbruch. Rund vier Monate lang versetzten die Ärzte Wenke Müller in ein künstliches Koma.
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Als sie erwacht, zeigen Untersuchungen das ganze Ausmaß der Folgeschäden: spastische Lähmungen, Konzentrations- und Sprachstörungen. Oftmals wollen Hände und Beine ihr nicht mehr gehorchen. „Ein Teil meines Gedächtnisses ist auch verschwunden, an die letzten Wochen vor dem Unfall kann ich mich kaum erinnern“.
Therapien in Hattinger Reha-Klinik
Als sie eine Reha in einer Hattinger Klinik antritt, geht es langsam bergauf. Neun Monate lang erhält Wenke Müller eine Therapie nach der anderen. Sprach- und Bewegungstraining gehören in dieser Zeit ebenso zum Alltag wie Gehirnjogging.
992 Schwerbehinderte ohne Job
Nach Angaben der Arbeitsagentur für Hagen und den EN-Kreis haben 3542 Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz, 992 sind arbeitslos gemeldet.
Es gibt aber kreisweit 15.530 schwerbehinderte Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Das bedeutet, viele von ihnen nehmen nicht am Erwerbsleben teil und sind auch nicht arbeitslos gemeldet.
Insgesamt stellen 625 Arbeitgeber im Bezirk die Stellen zur Verfügung. Firmen mit mindestens 20 Beschäftigten, die auf weniger als fünf Prozent der Stellen, Schwerbehinderten, zahlen eine Ausgleichsabgabe, die zwischen 140 und 360 Euro monatlich beträgt.
„Der Mut hat mich nie verlassen“, sagt die junge Frau, die heute in Wetter lebt. „Meine Mutter gibt mir stets Rückhalt“. Sie wich vom Tag des Unfalls an nicht mehr von Wenkes Müllers Seite. Verhehlen will sie aber keineswegs, dass immer mal wieder heftige Zweifel an ihr nagen, wie es denn weitergehen soll. Doch irgendwie schaffe sie es, solche Stimmungen zu überwinden.
Für sie selbst war nach Hattingen das Berufsbildungswerk der Stiftung Volmarstein eine der nächsten Stationen. Sie legte sich kräftig ins Zeug, holte dort den Realschulabschluss nach, absolvierte eine dreijährige Ausbildung zur „Kauffrau für Büromanagement“, wie es heute heißt. Dass sie nun gerade in Volmarstein einen Platz fand, sollte sich als Glücksfall erweisen.
Betrieb findet die neue Mitarbeiterin „super“
In dem dortigen Inklusionscafé der Awo arbeitete Delia Will. Ihr Mann Hendrik hat im Sommer die Wodantaler Landbäckerei übernommen, seine Frau seht ihm zur Seite. „Wir suchten händeringend eine Fachkraft, die bei uns die Büroarbeit übernimmt“, erklärt das Paar. Beim Vorstellungsgespräch sollte sich der Eindruck bestätigen, den Delia Will auch vorher schon bei mehreren Treffen gewonnen hatte, dass nämlich die 23-Jährige zum Betrieb und zum Team passt. „Als ich die Zusage erhielt, war ich schon ein bisschen aus dem Häuschen“, sagte Wenke Müller. Fast hätte sie die Flinte ins Korn geworfen. Eine Bewerbung nach der anderen hatte sie bereits geschrieben, aber ohne Erfolg.
Nun ist sie seit gut einem halben Jahr für die Buchführung in der Bäckerei zuständig, kümmert sich um Bestellungen, Lieferungen und Rechnungen. Chefin und Chef, Celina Meyer als auch Hendrik Will, sind sich einig: Die neue Kraft macht „ihre Sache super“. Sie habe sich blitzschnell eingearbeitet, regele alles selbstständig. Wenn sie wirklich einmal Unterstützung braucht, „stehen wir ihr natürlich zur Seite“. Manchmal hat Wenke Müller Probleme, beim Gehen das Gleichgewicht zu halten. Dann ist immer jemand aus dem Betrieb zur Stelle. Wenn sie im Übrigen abends mit dem Bus nach Hause fährt, holt sie zur Sicherheit stets ihr Freund ab.
Arbeit bedeutet der jungen Frau unheimlich viel
Die 23-Jährige hat „gleich vom ersten Tag an großen Gefallen an der Arbeit gefunden hat“. Sicherlich sei so ein Büroalltag anstrengend, sie brauche immer wieder mal eine Pause, die sie sich auch nehmen könne. Aufgrund ihrer Erkrankungen hat sie auch keine Vollzeit-, sondern eine Teilzeitstelle. „Die Arbeit gibt mir nämlich unheimlich viel“. Um zur Ruhe zu kommen, greift die junge Frau gern zum Buch. Aktuell liest sie die Biografie von Michelle Obama, der Frau des früheren US-Präsidenten Barack Obama. „Sie hat ein echtes Kämpferherz“, sagt Wenke Müller und dabei könnte man meinen, sie spricht auch irgendwie über sich selbst.