Hattingen. Wann und warum die Erklärtafel am Horkenstein in Hattingen verschwand, ist so rätselhaft, wie die Geschichten um den Stein variantenreich sind.

Ein 20 Tonnen schwerer Ruhrsandstein liegt am Parkplatz vor dem Bunker am Reschop in Hattingen weitestgehend unbeachtet. Dabei ist es ein Stein mit Geschichte – der Horkenstein. Neben dem einst eine Tafel die Bedeutung erklärte. Unklar ist, wann sie verschwand.

Ursprünglich stammt der Stein, mit dem jüngst auf Bierflaschen geworben wurde, aus Bochum-Dahlhausen und lag auf einer rechtsseitigen Anhöhe des Ruhrtals. Dort thronte er bis 1876. Amtmann Friedrich Wilhelm Schumacher, so Stadtarchivar Thomas Weiß, rettete den Stein vor Zerstörung, ließ ihn in Hattingen im Hof des Amtshauses an der Bahnhofstraße aufstellen – mit Hilfe von Geräten der Henrichshütte. Dahlhausen, so der Barfußhistoriker Dieter Bonnekamp, gehörte nämlich zum Amt Hattingen.

Die verschwundene Tafel am Horkenstein Hattingen wirft Fragen auf

Als Anfang der 1980er-Jahre die Bochum-Dahlhauser den Stein – der schon Teil eines Kunstprojekts von Holger Vockert war – wiederhaben wollten, geriet das Steindenkmal wieder in den Blick. Er sollte einen prominenteren Standort erhalten – die neu gestaltete Grünanlage am heutigen Parkplatz am Reschop-Bunker, die 68.000 Mark kostete.

So sah die verschwundene Tafel am Horkenstein in Hattingen aus.
So sah die verschwundene Tafel am Horkenstein in Hattingen aus. © Dieter Bonnekamp

Bei der Umsetzung im Juli 1984 mit einem Spezialkran riss ein Stahlseil beim ersten Anheben. Ausgerichtet wurde der Stein nach Süden, stand unter Denkmalschutz und erhielt das erste Informationsschild, das in Hattingen an historischen Häusern und Orten angebracht werden sollte. Es selbst war befestigt auf einer Steinplatte, ist aber inzwischen verschwunden.

Text auf der Tafel stammte von Heimatpfleger Heinrich Eversberg

„Wann die Tafel verschwand, konnte mir bisher keiner sagen“, sagt Bonnekamp, der sich wie Lars Friedrich, Harri Petras und Dirk Sondermann intensiv mit dem Stein beschäftigt hat. Der Text darauf jedenfalls stammte von Heimatpfleger Heinrich Eversberg: „Der Horken- oder Heidenstein ist das einzige Steindenkmal von hohem kulturgeschichtlichen Wert, das an der mittleren Ruhr im ehemaligen Gau Hatterun noch vorhanden ist. Es wurde von den fränkischen Stamm der Hattuarier zu kultischen Zwecken aufgestellt.“ Es handele sich um einen Kalender- und Ortungsstein, mit dem man die Jahreszeitenwende bestimmte.

Holger Vockert band 2007 seinen Spiderman auf den Horkenstein.
Holger Vockert band 2007 seinen Spiderman auf den Horkenstein. © WAZ | Walter Fischer

Eversberg ist laut Bonnekamp der einzige, der den Stein auch „Heidenstein“ nennt, „der aber liegt noch immer in einem schmalen Bach nahe der Gaststätte ,Zum Deutschen’“.

Zahn der Zeit nagte an der Tafel

Wann genau die Tafel entfernt wurde, kann auch Weiß nicht sagen. „Vielleicht wurde sie wegen Unlesbarkeit entfernt.“ Der Zahn der Zeit hatte an ihr genagt.

Namensherkunft und Sagen

Zum Namen Horkenstein selbst gibt es verschiedene Deutungsversuche wie Högr, altnordisch für „Heiligtum“, oder Eorcanstan, angelsächsisch für „Heiliger Stein“, oder horkos, altgriechisch für „Schwur“.

Dieter Bonnekamp nennt weitere Namensdeutungen wie die von Rautert: Er leitet ihn vom Trinkgott Gurcho aus der altdeutschen Mythologie her. So könnte aus Gurchos-Stein der Horkenstein entstanden sein.

Dirk Sondermann hat alles Wissenswerte rund um die Sage auf dem Portal sagenhaftes Ruhrgebiet zusammengestellt.

Gewagt scheint Bonnekamp Eversbergs These, dass der Stein vom germanischen Stamm der Hattuarier vor 1500 oder 2000 installiert wurde. „Mir sind solche Steine von den Germanen, die bei uns lebten, nicht bekannt. Ich denke, dass sehr viel früher die ersten Menschen, die hier lebten, uns den Stein hinterließen. Das wäre dann vor 4000 bis 5000 Jahren gewesen, also in der Jungsteinzeit. Aus dieser Zeit haben wir ja den Fund eines Steinbeils an der Kohlenstraße.“

Geschichten rund um den Stein

Jedenfalls ranken sich reichlich Geschichten um den Stein. „Auf den Opferstein soll eine so genannte Blutrille hinweisen, die man nur mit viel Fantasie erkennt“, referiert Bonnekamp eine Erklärung des Hattinger Stadt- und Landrichters Friedrich Rautert.

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Sagen ranken sich darum, wie der Stein nach Dahlhausen kam. Einer Volkssage nach holte der Teufel den Stein aus dem Morgenland, um damit den Heiligen Ludger zu erschlagen, der in Niederwenigern betend dafür sorgte, dass die Einheimischen alle in den Himmel kamen. Aber der Teufel ermüdete auf der Reise. Ein Kaufmann, der von der Kirmes in Niederwenigern kam, ließ ihn raffiniert glauben, er sei am Jordan und weit weg von Niederwenigern. Der Teufel warf den Stein weg – entweder, weil er keine Lust aufs Schleppen hatte, oder weil er mit einem Kreuz gebannt wurde.

Dichter Heinrich Kämpchen erwähnt den Stein

Dichter Heinrich Kämpchen thematisiert den Stein in einem Gedicht: „Umspielt vom gold´nen Abendschein, so liegst du da, mein Horkenstein. Inmitten der begrünten Flur, du alter Wächter an der Ruhr. Noch eh man schlug die Hermannsschlacht, hast du gehalten schon die Wacht, sahst du auf diesen heil’gen Höh’n die alten Odinseichen steh’n. Da dräute Urwald dicht und wild, doch hier war heiliges Gefild.“

Eine Steinzeitausstellung im Bügeleisenhaus 2012 widmete dem Stein einen ganzen Raum. Kurator Lars Friedrich befasste sich damals mit den verschiedenen Sagen und Nennungen des Steins – „von der ersten schriftlichen Erwähnung zwischen 1711 und 1721 an“.

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Ob und wann es eine neue Tafel geben soll, steht in den Sternen.