Hattingen. Viele Bürger in Hattingen wollen selbst Energie erzeugen, um unabhängig zu sein. Wieso es so schwierig ist, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen.

Immer mehr Bürger wollen Energie selbst erzeugen. Zu groß ist die Angst, dass die Versorgung über kurz oder lang nicht mehr gesichert ist. Zu den gefragtesten Lösungen gehören Solaranlagen. Der Markt boomt, doch es herrscht keineswegs eitel Sonnenschein.

Bürger in Hattingen erkundigen sich nach Modellen

Einen stark gestiegenen Beratungsbedarf melden sowohl die AVU als auch die Stadtwerke. Die Energieexperten in beiden Unternehmen sind stärker gefragt denn je. „Mit Beginn des Ukraine-Krieges merken wir ein massiv gewachsenen Interesse“, sagt Steven Scheiker, Leiter Markt und Vertrieb der Stadtwerke. „Mit uns nehmen Kunden Kontakt auf, weil sie sich erst einmal grundsätzlich über Photovoltaik informieren wollen.“ Es seien aber auch viele Bürger darunter, die gleich auf den Punkt kommen und eine Anlage kaufen möchten. Gab es vor Kriegsbeginn eher vereinzelte Anfragen, haben sich seither 50 Kunden gemeldet, die große Solar- ebenso wie kleine Photovoltaikanlagen, so genannte Balkonkraftwerke, haben möchten.

Doch so schnell, wie es sich die Bürger wünschen, kommen die Sonnenpaneele noch nicht aufs Dach. Lieferengpässe machen den Versorgern oder auch Fachbetrieben zu schaffen, die die Anlagen installieren. Zudem mangelt es an Firmen und Fachkräften, die solche Aufträge dann auch erfüllen können.

Zum Einbau von Solaranlagen fehlt es an Fachkräften. Zudem kämpfen Anbieter mit enormen Lieferengpässen.
Zum Einbau von Solaranlagen fehlt es an Fachkräften. Zudem kämpfen Anbieter mit enormen Lieferengpässen. © dpa | Marijan Murat

Wartezeiten und Lieferengpässe verhindern eine zügige Installation

Man müsse mit einer Wartezeit von neun bis 15 Monaten rechnen, sagt AVU-Sprecher Jörg Prostka. Es liege beispielsweise an fehlenden Wechselrichtern, einem zentralen Modul, dass die Anlagen nicht der Nachfrage entsprechend hergestellt werden können. Die AVU würde gern den Wunsch vieler Kunden binnen kürzester Zeit erfüllen, aber momentan seien dem Unternehmen die Hände gebunden.

Ausbau von Solaranlagen in Unternehmen

Neben dem Ausbau von Solaranlagen auf privaten Dächern kümmern sich Stadtwerke und AVU auch um Photovoltaik in Unternehmen. Auch hier gebe es eine steigende Nachfrage, so die beiden Versorger.Darüber hinaus üben auch die Stadtwerke und die Stadt Hattingen einen engen Schulterschluss. Seit dem vergangenen Herbst betreibt das Unternehmen eine Solaranlage auf dem Dach der Erik-Nölting-Grundschule. Weitere Gebäude sollen folgen. Um die Dächer nutzen zu können, zahlen die Stadtwerke eine Miete an die Verwaltung.

Wartezeiten hin, Lieferengpässe her: Trotz der schwierigen Marktlage vereinbaren die Versorger mit den Kunden Termine, um sich schon mal ein Bild von den Bedingungen vor Ort zu verschaffen. Damit auch die passende Anlage bestellt werden kann, müssen einige Punkte geklärt sein: Lage des Hauses, Ausrichtung und Größe des Daches, möglicher Schattenwurf. Spannend ist auch die Frage, ob ein Kunde ein Wallbox, ein Ladegerät für E-Autos, hat und ob die auch über Solarenergie gespeist werden kann.

Nur rund ein Drittel des Verbrauchs lässt sich mit eigener Anlage decken

Steven Scheiker, Leiter Markt und Vertrieb der Stadtwerke: Photovoltaik deckt nur 30 Prozent des Verbrauchs in Privathaushalten ab.
Steven Scheiker, Leiter Markt und Vertrieb der Stadtwerke: Photovoltaik deckt nur 30 Prozent des Verbrauchs in Privathaushalten ab. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Allzu hohe Erwartungen an eine PV-Anlage versuchen Fachleute aber durchaus zu dämpfen. In der Regel lasse sich mit Photovoltaik nur rund ein Drittel des eigenen Stromverbrauchs abdecken, so Scheiker. Die größten Mengen in einem Haushalt würden morgens und abends verbraucht, zu den Zeiten liefern die Anlagen aber eher geringere Margen.

Um überschüssigen Strom zu sammeln, könne man einen zusätzlichen Speicher anschaffen. Der speise die Energie dann tagsüber ins Netz ein. Die Vergütung sei inzwischen aber sehr gering. Ob sich der Kauf eines solchen Gerätes rechne, müsse man sehr sorgfältig prüfen.

Nachrüstung von Haustechnik führt zu zusätzlichen Kosten

Bei der Frage nach den Preisen für PV-Anlagen halten sich die Anbieter sehr bedeckt. Verlässliche Zahlen lassen sich deshalb nicht nennen, weil es sich um einzelne und damit sehr unterschiedliche Konstruktionen handele, so Scheiker. Ein zusätzlicher Kostenfaktor kann entstehen, wenn Zähler und Stromleitungen im Haus nachgerüstet werden müssen oder das Dach Mängel aufweist.

Konkrete Preise haben die Stadtwerke indes für die so genannten Balkonkraftwerke parat. Die Spanne liegt zwischen rund 970 und 1500 Euro. Die Apparaturen lassen sich in einer Wanne im Garten, am Dach oder am Balkon installieren. Wenn man davon ausgeht, dass die Durchschnittsfamilie Mustermann (Eltern, zwei Kinder) rund 4000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, dann können die Mini-Kraftwerke meist nicht mehr als ein Zehntel abdecken.