Gladbeck. 114.000 Euro erbeutete eine Räuberbande im November 2010 in der Nationalbank Gladbeck. Ermittlungen der Polizei ergaben: Die angebliche Geisel Katja H. war in den Plan eingeweiht. Das Schöffengericht Gladbeck verurteilte sie nun zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Am Ende weinte Katja H. Tränen der Erleichterung. Als Richterin Rita Jensen das Urteil des Schöffengerichts verlas, stand fest: die Angeklagte muss nicht ins Gefängnis. Zwei Jahre Haft, zur Bewährung ausgesetzt, dazu eine Geldstrafe. Eine milde Strafe, lautete die Anklage doch auf räuberische Erpressung (darauf stehen zwischen drei und 15 Jahre Haft).

Zur Vorgeschichte: Es war der 11. November 2010, als Katja H. die Filiale der Gladbecker Nationalbank betrat und behauptete, sie sei entführt worden, in dem Koffer, der an ihren Arm gekettet war, befinde sich eine Bombe. Ein Mann gab den Bankangestellten Anweisungen per Handy, diese füllten einen zweiten Koffer mit 114.000 Euro, die per Taxi zu den Hintermännern gebracht wurden.

Nun ist klar: Die Bottroperin war nicht Geisel, sondern Mittäterin. André L., der Kopf der Bankräuberbande, auf deren Konto neben dem Gladbecker auch noch drei weitere Banküberfälle im nördlichen Ruhrgebiet gehen, hatte sie überredet.

Meister der Manipulation

Einen „Meister der Manipulation“ nennt Staatsanwalt Thomas Holz diesen André L., der vor dem Landgericht im Juli zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Er habe die Naivität der Angeklagten, seiner Ex-Freundin, ausgenutzt, um sie für seinen Plan zu gewinnen. Richtiggehend erleichtert habe sie gewirkt, als sie am 1. Februar festgenommen wurde, kurz nachdem die Bande aufgeflogen war.

Die hübsche 33-Jährige, die zum Tatzeitpunkt bei einem Escort-Service arbeitete, weint viel an diesem Vormittag im Amtsgericht Gladbeck. „Ich weiß nicht, wieso, aber ich habe irgendwie leichtsinnig zugesagt“, sagt sie. André L. sei ein guter Freund gewesen, auch nachdem die Liebesbeziehung zwischen den beiden gescheitert war. Er habe sie überredet, mitzumachen beim Überfall. „Der war sich so sicher“, sagt sie, habe ihr versichert, dass ihr nichts geschehen könne. Die Mittäter habe sie „nur vom Sehen“ gekannt – von den weiteren Überfällen nichts gewusst.

„Ich wollte abbrechen“

In der Nacht vor dem Bankraub habe sie Angst bekommen, schildert die Angeklagte. „Ich wollte abbrechen, ich hab gesagt, das ist mir zu bunt.“ André L. habe sie unter Druck gesetzt, erzählt, sie sei bereits als vermisst gemeldet, werde gesucht, es gebe kein Zurück, er habe mit dem Groll der Mittäter gedroht. H. wurde gefesselt und geknebelt, „damit die Spurensicherung später bei Untersuchungen etwas finden würde.“

An die Szenerie in der Nationalbank kann sie sich kaum erinnern. „Es war, als wenn ich schlafen würde, ich war irgendwie nicht richtig da“, sagt sie mit zitternder Stimme. 2000 Euro habe sie von der Beute bekommen – mehr habe sie nicht gewollt.

Über zwei Jahre hat sie geschwiegen „Ich kam überhaupt nicht damit klar, dass ich lügen musste“, sagt H. weinend. Schließlich habe sie die Lüge nicht mehr ausgehalten, habe einem Pfarrer in Gelsenkirchen die Tat gebeichtet. „Der Pfarrer hat gesagt, ich solle mich endlich stellen.“ Aus Angst vor den Mittätern habe sie das aber nicht getan.

Schwierige Kindheit

Anwalt Hans Reinhardt entwirft das Psychogramm einer leicht beeinflussbaren Frau. Schwierige Kindheit, häusliche Gewalt, Angst vor Liebesentzug, die Unfähigkeit, Nein zu sagen. So sei seine Klientin, die immer davon geträumt habe, Krankenschwester zu werden, schließlich sogar in der Prostitution gelandet – ein Ex-Freund hatte sie dazu überredet. Mittlerweile habe H. eine Sozialtherapie gemacht, geübt, Nein zu sagen. „Ich mache sowas nie wieder“, beteuert sie.

Viele mildernde Tatbestände fanden sowohl der Staatsanwalt als auch das Schöffengericht. Katja H. hat keine Vorstrafen, sie geht einer geregelten Arbeit als Hilfe in einer Praxis für Physiotherapie nach. „Eine junge Frau, die relativ naiv ist und sich durch manipulative Personen in diese Tat verstricken ließ“, so Richterin Jensen in der Urteilsbegründung. Dennoch habe sie eine entscheidende Rolle beim Überfall auf die Nationalbank gespielt.