Gladbeck. Erst vermeintliches Entführungsopfer und “Koffer-Geisel“, dann Komplizin: Im November 2010 betrat eine Frau samt Bomben-Attrappe die Gladbecker Nationalbank und erpresste 114 .000 Euro. Jetzt stand die Bottroperin (33) als Zeugin vor Gericht - und erhob schwere Vorwürfe gegen ihren Ex-Freund.

Umrahmt vom tiefschwarzen Haar wirkt das Gesicht der jungen Frau noch blasser, als sie den Zeugenstand im Essener Landgericht betritt. Sie war diejenige, die mit einem an ihr Handgelenk geketteten Koffer, der eine Bombe enthalten sollte, am 11. November 2010 die Filiale der Nationalbank an der Friedrich-Ebert-Straße in Stadtmitte betrat – um so letztlich 114.000 Euro zu erpressen.

Das Mitleid mit der vermeintlichen Geisel ist allerdings fehl am Platz, denn wie sich später herausstellte, ist die 33-Jährige nicht Opfer, sondern Komplizin. Sie war in den gesamten Bankraub eingeweiht.

Die 33-Jährige war die Freundin des Haupttäters

Nach dem Prozessauftakt Anfang Juni wurde die Bottroperin jetzt zur Tat vor der 17. Strafkammer wie weitere Zeugen angehört. Die 33-Jährige war die Freundin des

Haupttäters André L. (41) aus Bottrop. Kopf der Bande, der jetzt zur Last gelegt wird, von September 2009 bis August 2012 vier Banküberfälle mit einer Gesamtbeute von 161.000 Euro in Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop verübt zu haben. Der letzte Überfall auf die Sparkassen-Filiale in Fuhlenbrock brachte die Fahnder schließlich auf die Spur der Bande, so dass Spezialkräfte diesen Januar zuschlugen und die Mitglieder, darunter ein Gelsenkirchener (38) und ein Pullheimer (50), festnahmen.

Vier Banken überfallen

Bereits am 27. September 2010 überfielen André L. und sein Gelsenkirchener Komplize C. die Sparkasse in Scholven. Sie bedrohten die Anwesenden mit Schusswaffen, erbeuteten 15 000 Euro und flüchteten mit einem Roller. Den steckten sie später in Brand, um Spuren zu vernichten.

Nach der Riesenbeute in Gladbeck (114 000 €) schlug die Bande erst fast ein Jahr später, am 21. Oktober 2011 in Bismarck zu. André L. betrat allein die Sparkassen-Filiale und erbeutete durch Vorhalten einer Schusswaffe 22 000 Euro. Der Pullheimer Komplize A. (50) wartete im Fluchtfahrzeug, ihr Gelsenkirchern Kumpane C. (38) beobachtete das Bankumfeld, um gegebenenfalls vor herannahender Polizei via Handy zu warnen.

Die letzte Tat vor der Festnahme erfolgte am 15. August 2012 in Fuhlenbrock. Wieder war es André L., der mit einer Schusswaffe vom Kassierer der Sparkassen-Filiale 10 700 Euro erbeutete. Fluchthelfer auch diesmal der Pullheimer A., der mit einem Motorrad wartete. Der Gelsenkirchener Komplize C. observierte wieder das Umfeld.

Als ihr bewusst geworden sei, worauf sie sich da einlasse, erzählte die Bottroperin vor Gericht, habe sie geweint und wieder aussteigen wollen. Aber ihr Freund André habe sie gedrängt, "die Sache durchzuziehen". Dass seine Mandantin dem Bandenchef hörig gewesen sei, erzählt später auch ihr Verteidiger. Er hofft darauf, dass die Bereitschaft seiner Mandantin zur Aussage sich später positiv auf deren Prozess auswirkt. Ihre Verhandlung ist vor dem Gladbecker Amtsgericht am 13. August terminiert.

Tat detailliert vorbereitet

Was aber gegen die junge Frau spricht, ist die detaillierte Vorbereitung zur Tat. So berichtet sie auch vor Gericht, dass sie mit dem Taxi zur Bank gefahren sei und mit einem 10-Euro-Schein bezahlte. Den habe sie zuvor „mit Spülmittel gereinigt“, um keine Spuren zu hinterlassen. Auch die Tat selbst - als angebliche entführte "Kofferbombe-Geisel" - zog die Bottroperin bis zum Ende überzeugend durch. So dramatisch, dass der Bankdirektor ihr jetzt vor Gericht "großes schauspielerisches Talent" bescheinigte.

Geständig sind auch der Gelsenkirchener und der Pullheimer Mittäter. Bandenchef André L. verweigert bislang die Aussage. Ihm droht die höchste Haftstrafe. Der Prozess in Essen wird mit möglichem Urteilsspruch am 3. Juli fortgesetzt.