Essen. Vor dem Landgericht Essen muss sich eine 36-jährige Gladbeckerin verantworten. Sie soll ihre dreijährige Tochter vor laufender Internet-Kamera regelmäßig sexuell missbraucht haben.

Jungenhaft, fast kindlich wirkt die 36-Jährige aus Rentfort. „Aufgeregt“ sei sie, teilt sie Richterin Luise Nünning mit. Und erzählt von ihrer Vergangenheit. Zu dem, was ihr vor dem Landgericht Essen vorgeworfen wird, will sie erst an einem nächsten Prozesstag erzählen. Nichtöffentlich. Denn es sind schlimme Taten. Regelmäßig soll sie ihre dreijährige Tochter vor laufender Internet-Kamera sexuell missbraucht haben.

Es ist eine Dokumentation des Grauens, des Unfassbaren, die Staatsanwältin Kathi Nothdurft in ihrer Anklage vorliest. Einzelheit an Einzelheit reiht sie aneinander, beschreibt detailliert 32 Videos mit Mutter und Tochter als einzige Darstellerinnen. Immer wieder fordert die Angeklagte ihre zu Beginn der Tatserie zweieinhalb Jahre alte Tochter auf, sexuelle Handlungen zuzulassen oder selbst sexuell aktiv zu werden.

Weinen, Erbrechen und Wegdrehen

Das Kind ist keinesfalls willenlos oder unterwürfig. So wie die Anklägerin die Bilder beschreibt, wehrt sich das Kind massiv. Es presst die Beine zusammen, die Mutter drückt sie wieder auseinander. Oder die Dreijährige schreit nach ihrem Bruder, vier Jahre älter als sie. Von einem „entsetzlichen Schreien“ spricht die Staatsanwältin, die die Bilder gesehen hat.

Die Kleine wehrt sich durch Weinen, durch Erbrechen oder schnelles Wegdrehen aus dem Kamerabereich. Die Mutter lässt sich dadurch nicht stoppen. Sie drückt das Kind auf die Couch, ignoriert das weinen und lacht selbst in die Kamera. Oder sie beschimpft ihr Kind: „Du Schwein.“

Angebliche Erpressung

Seit Oktober sitzt die bislang nicht vorbestrafte Frau in Untersuchungshaft. Im vergangen Jahr hatte die Polizei bei Ermittlungen gegen einen Mann aus dem Koblenzer Raum in dessen Computer kinderpornografische Aufnahmen entdeckt. Durch E-Mail-Adressen auf der Festplatte ordnete sie die Filme schnell der Gladbeckerin zu. Bei der Polizei räumt sie die Taten pauschal ein, soll von Erpressung geredet haben. Aber das macht offenbar wenig Sinn, weil sie laut Anklage die Aufnahmen auf Verlangen auch an andere Chat-Teilnehmer abgegeben haben soll.

Kinder in Obhut des Jugendamtes

In Magdeburg ist sie geboren. „Meine Kindheit war ganz gut“, erzählt sie. Vorher hatte sie gesagt, dass sich ihre Eltern getrennt hatten, als sie sechs Jahre alt war. Der Vater ein Straßenbauer, die Mutter Verkäuferin. Nach der Wende zog sie mit „Mama und Schwester“ nach Gladbeck, wo Verwandtschaft lebte. Die Hauptschule meisterte sie mit Abschluss zehnter Klasse, die Ausbildung als Verkäuferin brach sie nach zwei Jahren ab. „Warum?“, fragt die Richterin. „Weil ich keine Lust mehr hatte“, antwortet freimütig die Angeklagte. Es ist eine Mischung aus Naivität und Dreistheit, die aus ihr spricht.

An ihrer „Mama“ hängt sie immer noch sehr, das zeigt sie deutlich. Von ihrer Ehe, die 2001 bis 2010 bestand, erzählt sie auch: Von Handgreiflichkeiten, die sie sich nicht gefallen ließ und „ihm auch eine langte“. Dass die Streitigkeiten eine Erklärung für die Verhaltensauffälligkeiten ihres Sohnes seien könnten, liegt auf der Hand. Schon im Kindergarten gab es Probleme mit ihm. Beide Kinder kamen nach Verhaftung der Mutter in die Obhut des Jugendamtes. Die Mutter weiß, wo sie leben und auch, „dass es ihnen gut gehen soll“.