Dorsten./Essen. . Eines der Mädchen schwieg im Prozess, ein anderes konnte sich an viele Taten nicht mehr erinnern. Der V. Essener Strafkammer reichte das als Basis für eine Verurteilung nicht aus. Aus Mangel an Beweisen sprach sie deshalb den 40-jährigen Dorstener vom Vorwurf frei, seine Stieftochter und ihre Cousine sexuell missbraucht zu haben.
Acht beziehungsweise sechs Jahre alt waren die beiden Mädchen, als es zu den angeklagten Taten gekommen sein soll. Viel Zeit ist seitdem vergangen. 1993 soll der Missbrauch der Stieftochter begonnen haben, 1998 der an ihrer Cousine. Sie hatte sich Weihnachten 2009 ihrer Mutter anvertraut, war dann auch von der Stieftochter unterstützt worden. Deren Mutter, mittlerweile in Trennung lebende Ehefrau des Angeklagten, war aber skeptisch geblieben. Ihre Tochter hatte den Stiefvater Jahre zuvor gegenüber der Mutter belastet, nach einem Gespräch mit ihm aber gesagt, sie hätte gelogen und ihn fälschlich belastet.
Im Prozess vor dem Landgericht Essen schwanden jetzt die belastenden Elemente. Die Stieftochter machte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, die Cousine erinnerte sich nach so vielen Jahren an viele Taten nicht mehr konkret, konnte nur zwei Fälle detaillierter schildern. Der Rest ihrer Vorwürfe blieb vage.
„Es war die Wahrheit, und das musste gesagt werden“
Staatsanwältin Katharina Küpper reichten die Beweise in den zwei Fällen aber aus, die Verurteilung des nicht vorbestraften Mannes zu beantragen. Sie forderte zwei Jahre und acht Monate Haft für den Dorstener, der die Taten von Anfang an bestritten hatte. Rechtsanwalt Andreas Lechtenböhmer, der die Cousine als Nebenklägerin vertrat, schloss sich ihr an. Er hätte selten eine Zeugin gesehen, die einen sexuellen Missbrauch so sachlich und ohne Belastungstendenz geschildert hätte. Er zitierte auch die Einschätzung einer Kripo-Beamtin aus der ersten Vernehmung: „Es war die Wahrheit, und das musste gesagt werden.“
Verteidiger Andre Dora warnte dagegen vor einer Verurteilung: Er wies auf Widersprüche in der Aussage der Cousine zu Aussagen anderer Zeugen hin. So hatte sie gesagt, sie habe Onkel und Tante als Kind oft besucht. Die Tante hatte dem widersprochen. So oft sei das Mädchen gar nicht da gewesen.
Es waren Bedenken, die das Gericht später im Urteil teilte. Richterin Luise Nünning erinnerte an das Beziehungsgeflecht innerhalb der Familie, das für die Juristen nicht belastbar sei: „Jeder hat eine sehr individuelle Wahrnehmung, ohne etwas zu belegen.“ So bleibe letztlich Aussage gegen Aussage ohne unterstützende Indizien in die eine oder andere Richtung: „Insgesamt reicht es nicht für eine Verurteilung.“