Essen. . Das Landgericht Essen hat einen 66-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Er hatte das Vertrauensverhältnis zu seiner damals sechsjährigen Stief-Enkelin ausgenutzt. Die heute Achtjährige musste vor Gericht ihr Martyrium schildern.
Zart und zierlich ist das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen – gerade mal acht Jahre alt. Ängstlich betritt sie an der Hand ihrer Pflegemutter und einer Anwältin den Gerichtssaal C33. „Wie geht es Dir“, möchte die Vorsitzende Richterin Luise Nünning wissen. „ Schlecht“, sagt die Kleine leise. Als „ganz schön groß“ empfindet sie den Saal und sicherlich schlimm für das Kind: Auf der Anklagebank der V. Strafkammer des Landgerichtes, gleich links vom Zeugenstuhl, sitzt ihr Stiefopa. Der Mann, der die damals Sechsjährige im Juli vor zwei Jahren in seiner Wohnung im Essener Norden mehrfach sexuell missbraucht hat.
Das Kind muss gegen den einschlägig vorbestraften „Opa“ aussagen. Zwar ist der 66-Jährige teils geständig, verharmlost aber die Übergriffe, so dass Fragen offen bleiben und die Kleine als Zeugin gehört werden muss. Das Gericht glaubte ihr und verurteilte den Angeklagten am Montag wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten.
„Er hat mich einfach ausgezogen“
Schwer erträglich zu hören, wie das Mädchen etwa schildert, sie habe sich vor dem Opa auf den Boden knien müssen, als er auf seinem Bürostuhl vor dem Computer gesessen habe. Sie musste ihn sexuell befriedigen. Die Sechsjährige war damals allein ein paar Tage zu Besuch bei dem Mann ihrer verstorbenen Großmutter, den sie bis zu jenem Juli vor zwei Jahren „sehr gern hatte“, jetzt dagegen „gar nicht mehr“. Das Vertrauen des Kindes nutzte der Mann aus. Wie es angefangen hat? „Er hat mich einfach ausgezogen“, erzählt sie. „Warum“, möchte die Richterin wissen. „Ich weiß es ja auch nicht“, antwortet das Mädchen. „Dann hat er mit mir Sex gemacht“, sagt sie, und das mehrfach im Wohnzimmer auf der Couch. „Das hat sich ekelhaft angefühlt und hat sehr weh getan“, erinnert sie sich. Das Mädchen habe die Übergriffe gar nicht in ihrer Tragweite verstanden, erklärt später Gutachter Professor Dr. Bernhard Blanz, es habe sie nicht als etwas „ganz Schlimmes“ erlebt.
Der Mutter berichtete das Mädchen wenig später: „Ich habe ein Geheimnis mit Opa“, hatte der ihr doch aufgetragen, mit niemandem über die Geschehnisse zu reden. Stolz soll sie sich auch dem Opa zugewendet haben: „Ich habe das Geheimnis nicht verraten.“ Der, so berichtet die 32-jährige Mutter als Zeugin, habe ihrer Tochter daraufhin einen Kinobesuch versprochen. Das Mädchen vertraute sich dann doch der Mutter an. Es kam zur Anzeige. Der Sachverständige beurteilt die Angaben des Kindes als glaubwürdig.
„Sie machte alles freiwillig“
Der Angeklagte, der 1995 wegen Missbrauchs einer eigenen sowie einer Stieftochter bereits zu zwei Jahren acht Monaten Haft verurteilt worden ist, bestritt zu Beginn der Ermittlungen die neuen Vorwürfe. Dennoch habe er gleich angefangen für eine drohende Haft zu sparen, teilt er mit. Da brauche man nämlich Geld, so seine Erfahrung, für eine Art Grundausstattung, etwa für einen Fernseher. 1000 Euro hatte er zusammen. „Vom Munde abgespart“, sagt der bärtige Angeklagte mit den kurzen grauen Haaren melodramatisch Das Gericht dachte eher an eine geplante Flucht, als man das Geld fand und nahm ihn in Haft.
Im Prozess schildert der 66-Jährige einen eigentümlichen Hintergrund für die Übergriffe: Er sieht sich als eine Art Detektiv. Das Verhalten des Kindes, so erklärt er, habe darauf hingedeutet, dass sie schon zuvor sexuell missbraucht worden sei. Er habe herausfinden wollen von wem. „Neugierde“ nennt er als Motiv am Interesse für den Körper des Kindes, räumt dann auch „Erregung“ ein, die ihn gepackt habe, als Verteidiger Volker Schröder ihm auf die Sprünge hilft.
Mit Kitzeln habe er die Kleine aufmuntern wollen, erinnert sich der Angeklagte, beim Gerangel auf der Couch soll sie ihn dann berührt haben. „Sie machte alles freiwillig“, behauptet der 66-Jährige und habe sogar gefragt: „Opa darf ich noch mal?“