Gelsenkirchen / Gladbeck. Kläger werfen Kommunen Untätigkeit vor. Gericht bereitet sich auf Eilanträge während der Fußball-Europameisterschaft vor

Ein arbeitsintensives Jahr erwartet die 64 Richterinnen und Richter am Gelsenkirchener Verwaltungsgericht. Mussten das Gericht, dass auch für Gladbeck zuständig ist, schon im letzten Jahr eine Zunahme der Asylverfahren verkraften, warten auf die Gerichte in den nächsten Monaten zusätzliche Aufgaben. Die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft und Klagen über noch nicht entschiedene Einbürgerungsanträge werden die Kammern beschäftigen.

Mehr Klagen von Asylbewerbern erwartet für 2024

Präsident Dr. Siegbert Gatawis rechnet mit einem starken Anstieg von Klagen und Eilanträgen von Asylbewerbern. Als Indiz dafür sieht er auch die deutliche Zunahme von Asylanträgen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Im letzten Jahr hatte das Bundesamt über 352.000 Anträge zu entscheiden. Der ständige Rückgang der Zahlen seit 2018 ist vorerst gestoppt. Innerhalb eines Jahres erhöhte sich am Verwaltungsgericht mit 2.846 Klagen allein im Bereich der Asylverfahren die Zahl der Eingänge dramatisch um 1.240 Verfahren: Ein Plus von rund 78 Prozent.

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2872 Verfahren konnten die Kammern als erledigt ad acta legen. Die Aufgaben nehmen zu, der Stellenplan ist noch unverändert. Da die Politik eine Verkürzung der Laufzeiten von Asylverfahren anstrebt, hofft Gatawis auch auf eine personelle Verstärkung des Gerichts. Viele Betroffene ziehen für eine Verbesserung ihres Status vor Gericht.

Kläger werfen Stadtverwaltung Untätigkeit vor

Sie wollen als Flüchtlinge anerkannt werden, um beispielsweise auch ihre Familien nachholen zu können oder durch Ausstellen eines Ausweises nicht an einen bestimmten Standort gebunden zu sein. Der Kriegszustand in ihrem Heimatland garantiert zunächst nur den subsidiären, also den vorläufigen Schutz. Die meisten Anträge werden von Syrern, Irakern, Türken, Iranern, Afghanen gestellt. Als Folge der Antragszunahme hat das Gericht jetzt eine zweite Türkeikammer eingerichtet. Von den 19 Kammern, so Gatawis, befassten sich Kolleginnen und Kollegen in 16 Kammern unter anderem auch mit Asylverfahren.

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Immer häufiger landen Einbürgerungsanträge vor Gericht. Und zwar dann, wenn die Antragsteller den Behörden Untätigkeit vorgeworfen haben, weil die Städte nicht binnen drei Monaten seit Antragstellung reagiert haben. Zum Teil warteten Leute bis zu zwei Jahren auf die Bearbeitung ihrer Anträge. Corona und Personalmangel in den Städten hat die Bearbeitungszeit offensichtlich weiter in die Länge gezogen.

Flut von Eilanträgen zum Versammlungsrecht rund um EM erwartet

In Gelsenkirchen ist die Zahl der Anträge von 483 in 2021 über 1043 (2022) auf zuletzt fast 2000 (2023) gestiegen. Am Verwaltungsgericht gingen im letzten Jahr 85 Einbürgerungsklagen ein; Tendenz steigend. Bis April 2024 lagen schon 51 Klagen vor. Aber auch wenn die Kommune durch Gerichtsentscheid gezwungen wird, zu reagieren, kann sich das Verfahren mangels Personal weiter in die Länge ziehen.

Viel abgearbeitet im Jahr 2023

Trotz schlanker Besetzung konnten vom Verwaltungsgericht zum Jahresende mehr Fälle erledigt worden, als Anfang des Jahres neu eingingen. Den 8211 Neuzugängen stehen 8516 erledigte Verfahren gegenüber. Auch die Zahl der anhängigen, also noch laufenden Verfahren konnte zum Jahresende mit 7866 um 306 verringert werden.

Eine Flut von Eilanträgen zum Polizei- und Versammlungsrecht befürchtet das Gericht auch im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft. Zehn von 51 Spielen fallen in den Gerichtsbezirk der Gelsenkirchener. Unter anderem könnten Aufenthaltsverbote von Gewalttätern eine Rolle spielen. Beim sogenannten Sommermärchen 2006 habe es gut funktioniert, sagt Gatawis. Die Gerichtsmannschaft sei auch in diesem Jahr gut vorbereitet. Als Präventivmaßnahme gilt für Richterinnen und Richter im Juni und Juli eine Urlaubssperre.