Gelsenkirchen. In Gelsenkirchens Ausländeramt soll es nach Umstrukturierungen besser laufen. Doch nun melden sich überforderte Mitarbeiter: „Wir sind am Limit.“

  • Nachdem Mitarbeiter des Gelsenkirchener Jugendamtes Alarm geschlagen haben, berichten auch Mitarbeiter im Ausländeramt von einem „Flächenbrand“.
  • Die Zustände bei der Ausländerbehörde seien katastrophal, heißt es, Hilferufe würden nicht gehört, die Überforderung sei überall zu spüren.
  • Die Stadt hat währenddessen weiterhin Probleme, geeignetes Personal zu finden – nicht nur für die Ausländerbehörde.

Die Wellen schlugen hoch nach dem WAZ-Bericht über die „dramatische Unterbesetzung im Gelsenkirchener Jugendamt“, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter dieser Redaktion geschildert hatten, um sich „endlich Gehör zu verschaffen“ in Politik und Verwaltung. Werde nicht gegengesteuert, so drohten „schlimme Folgen“ für Kinder und Familien.

Weil sie zu wenig Personal hat, um den Anforderungen ihrer Bürger zeitnah gerecht zu werden – etwa im Bürgercenter oder beim Straßenverkehrsamt –, sieht sich die Stadtverwaltung auch an anderer Stelle immer wieder harter Kritik ausgesetzt. Im Zentrum des Unmuts ist dabei oft auch dieAusländerbehörde, die sich um die Anliegen der 62.000 Menschen in Gelsenkirchen ohne deutschen Pass kümmert. Der Tenor auch hier: Es dauert Monate, bis wichtige Angelegenheiten bearbeitet würden.

„Das stimmt“, sagen jetzt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde, und sie klagen: „Wir sind am Limit.“

„Die Zustände bei der Ausländerbehörde sind eine Katastrophe.“

Mit Bedauern hätten die Mitarbeiter der Behörde zur Kenntnis genommen, dass „wieder einmal ein negativer Artikel über unsere Ausländerbehörde erschienen ist“, sagen Sachbearbeiter im Gespräch mit der WAZ und spielen auf den Bericht über wartende ukrainische Flüchtlinge vor der Behörde an. Vor einigen Wochen war es auch deshalb zu Unmut gekommen, weil Mitarbeiter an der Telefonhotline der Stadt falsche Angaben zu den Öffnungszeiten bei der Ausländerbehörde gemacht hatten, was dazu beitrug, dass dutzende Menschen stundenlang an der Zeppelinallee warten mussten.

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„Berichte wie diese hat es in den letzten Monaten und Jahren regelmäßig gegeben“, sagen die Behördenmitarbeiter. Und: „Natürlich können wir die Seite unserer Klienten absolut verstehen. Von der Bearbeitung der Anträge hängen mitunter ja auch Existenzen ab, da einige Klienten vom Arbeitgeber gekündigt werden, wenn sie keinen aktuellen Aufenthaltstitel vorweisen können. Wir als Mitarbeiter sind uns dessen wirklich bewusst. Allerdings fehlen uns einfach die Arbeitskräfte. Die Zustände bei der Ausländerbehörde sind eine Katastrophe.“

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Seit der Flüchtlingswelle im Jahr 2015/2016 würden die Angestellten der Behörde immer wieder darauf drängen, dass das Personal aufgestockt werde. „Leider haben all unsere Bitten nicht ausreichend Gehör gefunden. Nun stehen wir mitten in der nächsten Flüchtlingswelle und es hat sich kaum etwas geändert oder verbessert“, berichten resignierte Betroffene. Zwar seien nach einer Organisationsuntersuchung im vergangenen Jahr zuletzt sieben neue Stellen geschaffen worden, doch das reiche bei weitem nicht aus.

Mitarbeiter der Ausländerbehörde Gelsenkirchen: „Die Zustände in unserer Abteilung führen auch dazu, dass Kollegen krank werden“

Von unbezahlten Überstunden bis spätabends ist die Rede. Nicht selten sei es vorgekommen, dass Sachbearbeiter noch abends E-Mails an Klienten mit Terminen verschickt haben, „weil der Tisch mit Arbeit einfach niemals leerer wird.“

„Uns tun die Klienten wirklich leid und wir geben unser Bestes, uns um alle Belange zu kümmern. Aber mit der zu geringen Anzahl an Mitarbeitenden ist das einfach nicht möglich. Die Zustände in unserer Abteilung führen dazu, dass Kollegen krank werden, weil die Belastung einfach zu hoch ist, oder dass sie sich wegbewerben. Unsere Hilferufe werden nicht ernst genommen.“

So ist das Amt aufgeteilt

Das Ausländeramt ist in vier Bereiche aufgeteilt: In Team 1 (Service) werden Anträge und Bescheinigungen angenommen, herausgegeben und Akten verwaltet. Auch übernimmt Team 1 die Betreuung von Asylbewerbern, die der Stadt zugewiesen wurden. .

Team 2 (Aufenthalt und Integration) prüft und entscheidet über Anträge, die im Team 1 aufgenommen werden. Auch werden hier Visa-Anträge über die Botschaften bearbeitet. Team 2 ist im Austausch mit anderen Behörden, beispielsweise auch um Scheinvaterschaften zu prüfen.

Team 3 (Rechtliches und EU) kann Anträge auf einen Aufenthalt ablehnen, die in Team 2 vorgeprüft wurden. Auch nimmt das Team an Schwerpunktkontrollen z.B. am Arbeiterstrich oder in Schrottimmobilien teil und kann den Verlust der EU-Freizügigkeit feststellen und Abschiebungsandrohungen aussprechen.

Team 4 (Rückkehrmanagement) ist das ausführende Organ und kümmert sich darum, dass ausreisepflichtige Ausländer auch wirklich das Land verlassen. Hierzu findet aber zunächst erneut eine Prüfung statt, ob nicht doch eine Bleibeperspektive besteht.

Knapp 61 Kräfte kümmern sich im Gelsenkirchener Ausländeramt um 62.000 Menschen

„Das Geschäft läuft nicht immer ruckelfrei“, hatte Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referats Sicherheit und Ordnung der Stadt, noch im vergangenen November im Gespräch mit der WAZ eingeräumt – nicht ohne dabei zu betonen, dass es in Ausländerämtern vieler anderer Städte ähnlich aussehe.

Vor der internen Prüfung waren für die Anliegen der 62.000 Ausländer in Gelsenkirchen 53,75 Stellen eingeplant, danach wurde der Personalschlüssel um sieben Kräfte erhöht. Noch in diesem Jahr wird nach Angaben der Stadt evaluiert, ob das ausreichend ist oder weitere Stellen geschaffen werden müssen.

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Fakt sei aber, dass die Stadtverwaltung an vielen Stellen durchgängig Personal in nicht geringer Menge suche. Dieses zu finden sei auf dem Arbeitsmarkt aber – auch in Konkurrenz zu anderen Städten – seit Jahren sehr schwierig. Mit anderen Worten: Gemessen an der anfallenden Arbeit ist die Stadt an vielen Stellen unterbesetzt.

Die Zahl ihrer Mitarbeiter bestimmt festzulegen, sei „kommunale Selbsthoheit“, erklärt ein Sprecher des Kommunalministeriums in Düsseldorf. Natürlich setze der Haushalt der Personalplanung Grenzen, eingestellt werden könne schließlich nur, wer auch bezahlt werden kann. Grundsätzlich aber entscheide jede Stadt selber, wie viele Mitarbeiter sie beschäftigt und wo, solange sie ihren Pflichten nachkommt.