Gladbeck. Um kleine Patienten mit seltenen Krankheiten besser behandeln zu können, geht die Kinderklinik Datteln neue Wege. Auch Eltern sind eingebunden.
Ein neues Projekt soll die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit seltenen Erkrankungen optimieren. „Wir wollen ausprobieren, ob unsere neue Versorgungsform besser und vielleicht sogar billiger ist als die reine Regelversorgung“, sagt einer der Projektleiter, Prof. Boris Zernikow von der Kinder- und Jugendklinik Datteln, in der auch Kinder aus Gladbeck behandelt werden.
Bei dem Projekt spielen digitale und telemedizinische Elemente eine Rolle, es wird verstärkt interdisziplinär gearbeitet, die Bedürfnisse der Betroffenen sollen im Mittelpunkt stehen. Insgesamt sind fünf deutsche Universitätskliniken beteiligt, das Vorhaben wird wissenschaftlich begleitet und mit rund 8,8 Millionen Euro vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert.
Zunächst wird herausgefiltert, was genau der Patient braucht
„Das Projekt kombiniert alte Bausteine der Regelversorgung mit Neuem“, erläutert Boris Zernikow und nennt ein konkretes Beispiel: „Bisher meldete sich ein Patient mit einer seltenen Erkrankung mit seiner Diagnose in einem entsprechenden Fachzentrum und man machte dort einen Termin aus. In unserem neuen Projekt machen wir zunächst mit dem Patienten eine Videokonferenz, um zu filtern, was er braucht. Dann gibt es eine Fallkonferenz, bei der Ärzte, Pflegekräfte und Psychologen gemeinsam Fragen abklären, zum Beispiel: Muss der Patient vorher noch Untersuchungen machen lassen? Sollte er ambulant oder stationär kommen? In einem dritten Schritt wird dem Patienten dann in einer erneuten Videokonferenz der erstellte Plan vorgeschlagen.“
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Es geht auch um psychologische Betreuungen und Schulungen
Dieser Ablauf vor dem eigentlichen Besuch des Fachzentrums soll laut Zernikow sicherstellen, dass „die Patienten genau das in der Klinik bekommen, was sie gewollt haben.“ Dabei setzt das neue Projekt mit dem Namen „B(e) NAMSE“ – NAMSE steht für „Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“ – auch auf den Blick über den rein medizinischen Tellerrand hinaus. Stichworte sind hier die psychologische Betreuung vor Ort sowie verschiedene Schulungen der Patienten und ihrer Familien.
„Es ist wichtig, dass die betroffenen Familien selber Experten für die Krankheit werden“, betont Prof. Zernikow. So soll es in Schulungen zum Beispiel um die große Bedeutung von Ernährung und Bewegung für die Erkrankung gehen, um die psychosoziale Belastung, die die meist schlimmen Erkrankungen mit sich bringen, um den richtigen Umgang – mit der Krankheit und dem erkrankten Kind -, damit es eine möglichst normale Entwicklung nimmt.
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Auch der Wechsel von Kinder- und Jugendkliniken zur Erwachsenenmedizin steht auf dem Programm von „B(e) NAMSE“. Zernikow: „Diese sogenannte Transition ist gefährlich, es drohen durch den Wechsel in neue Hände wichtige Informationen verloren zu gehen. Deshalb wollen wir den Übergang hier strukturierter durchführen.“
Ein Projekt im Sinne der Patienten
Für den Chefarzt des Deutschen Kinderschmerzzentrums und des Kinderpalliativzentrums an der Dattelner Kinderklinik steht fest, dass das neue Projekt im Sinne der Patienten ist: „Wir richten uns danach, was die Familien möchten.“ Dies sei auch ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung des Projekts gewesen: „Wir haben Eltern-Wünsche gehört und berücksichtigt. So wurde zum Beispiel von Eltern gesagt, dass sie sich in ihrer Situation allein fühlen. Deshalb bietet sich eine vielleicht auch langfristige psycho-soziale Betreuung an. Das kann auch online stattfinden“, sagt Boris Zernikow – mit Blick auf die weit verstreuten Patienten im Feld der seltenen Erkrankungen.
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Eine Krankheit wird innerhalb der Europäischen Union dann als selten eingestuft, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen daran leiden. Die Finanzierung von „B(e) NAMSE“ läuft über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren. Boris Zernikow hofft bei dem Projekt auf eine bessere Versorgung, eine positive Evaluation, eine entsprechende Empfehlung an die Krankenkassen und schließlich auf die Übernahme der „B(e) NAMSE“-Bausteine in die Regelversorgung. „Ich bin da total zuversichtlich“, betont der Mediziner. „Denn es gibt in unserem Projekt viele Elemente, die die Patienten brauchen.“