Gladbeck. Vollgekotete Wege, Angriffe auf Jogger: Die große Population an Kanadagänsen hat in Gladbeck zu Beschwerden geführt. So ist die Lage aktuell.
Was waren Aufregung und Ärger doch groß, vor vier, fünf Jahren. Da häuften sich vor allem im Sommer die Beschwerden bei der Stadt – über vollgekotete Spazierwege in Wittringen und im Nordpark, über aggressive „Attacken“ beispielsweise auf Jogger und Kinder. Der Übeltäter ist rasch benannt: die Kanadagans! Sie hat sich in den vergangenen Jahren rasant verbreitet, eben auch in Gladbeck.
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In Gladbeck agiert eine Arbeitsgruppe „Kanadagans“
Im Rathaus hat man schnell auf die Brisanz der Lage reagiert und in der Verwaltung eine Arbeitsgruppe „Kanadagans“ etabliert. Sogar eine Gänsemanagerin – eine Biologin – wurde in Abstimmung mit der Umweltbehörde vom Kreis Recklinghausen 2021 engagiert. Ziel aller Maßnahmen: Die Vogel-Population so zu regulieren, dass Mensch und Gans in Gladbeck eine friedliche Koexistenz führen können. „Auf keinen Fall wollen wir die Kanadagans völlig loswerden. Die Parkanlagen wie Nordpark und Wittringen sind nicht nur für den Menschen, sondern eben auch für die Tiere da“, betont Jürgen Harks, im Rathaus Leiter der Umweltabteilung und deshalb natürlich federführend auch mit der AG Kanadagans befasst.
Nach gut zweieinhalb Jahren Gänsemanagement in Gladbeck kann Harks auf jeden Fall schon einmal eine positive Zwischenbilanz aller ergriffenen Maßnahmen ziehen: Zumindest seiner Abteilung liegen kaum noch Beschwerden über Verhalten und Hinterlassenschaften der kanadischen „Problem“-Gans vor.
Die Ei-Entnahme aus den Nestern soll den Gänsebestand regulieren
Zweieinhalb Jahre wird die Biologin der AG Kanadagans noch zuarbeiten. Sie reguliert nicht nur den Bestand an Tieren, indem sie Eier aus den Nestern der Kanadagans entnimmt. Vielmehr ist ihr Job das umfassende Monitoring, um zu ermitteln, wie auf Dauer mit der Situation umzugehen ist – damit die Kanadagans eben irgendwann überhaupt kein Problem mehr darstellt. „Die Ei-Entnahme ist aber natürlich schon sehr spektakulär“, so Harks. Er stellt aber auch sofort klar, dass den brütenden Gänsen niemals alle Eier genommen werden. Ein bis zwei bleiben immer im Nest, denn die Vögel sollen auf jeden Fall einen Bruterfolg haben.
So viele Kanadagänse gibt es aktuell in Gladbeck
Hier einige Zahlen: Im vergangenen Jahr war aufgrund der nur recht kleinen Population die Ei-Entnahme überhaupt nicht notwendig. In diesem Jahr griff die AG allerdings wieder ein. 13 Tiere in Wittringen und zwölf im Nordpark wurden gezählt. In den Nestern in Wittringen wurden 45 Eier entfernt und 17 belassen. Im Nordpark durften 18 Eier in den Nestern bleiben, 43 „verschwanden“. Das Ergebnis aktuell sind zwölf Gänseküken, die mit Mama und Papa Gans durch Parkanlagen watscheln und auf den Teichen paddeln. Wie viele tatsächlich auch überleben, wird die Zeit zeigen. Die Tiere stehen auf jeden Fall unter einer engmaschigen Beobachtung, denn aller 14 Tage wird aktuell in Wittringen und im Nordpark auf den Bestand geschaut, werden Daten gesammelt für die Jahresstatistik.
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Wer bei diesen Zahlen aufhorcht, weil sie ihm aufgrund eigener Beobachtungen viel zu gering vorkommen, für den hat Jürgen Harks einige Daten und Fakten rund um die Kanadagans parat: Dem Nestbau folgt die Brutzeit, die im Fall der Gänse gerade zu Ende gegangen ist. Es schließt sich an: die Mauser. Die Zeit also, in der Vögel Federn verlieren und neue bilden. Das macht sie für gut vier Wochen allerdings flugunfähig.
Warum die Mauser Einfluss auf die Population der Gänse hat
Konkret bedeutet das: Kanadagänse, die aus der Region in Gladbeck einfliegen und hier die Mauser durchleben, erhöhen für diesen Zeitraum die Population. „Sie verbringen so zu sagen den Urlaub im Nordpark oder in Wittringen, ziehen dann aber auch meistens wieder weiter.“ Bei den Beobachtungen seien sogar schon Vögel aufgefallen, die es vom Niederrhein hierhin verschlagen hat.
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In der nächsten Zeit sei es also durchaus möglich, dass es wieder zu einigen Beschwerden über die „vielen Kanadagänse“ kommen könnte. Warum die Zeit der Mauser wichtig ist, erklärt Carolin Reich, in der Umweltabteilung für den Umwelt- und Artenschutz zuständig, und deshalb natürlich auch in der AG Kanadagans aktiv. „Sie dient nämlich auch dem Schutz der Küken, die in diesen Wochen, umgeben von den ausgewachsenen Vögeln, flügge werden.“
Am Ende des Jahres gibt es wieder eine Dokumentation über Gladbecks Kanadagänse-Bestand
Auch Ende 2023 werden also wieder ausführliche Daten über „Gladbecks“ Kanadagänse vorliegen. Sie dienen der AG auch als Grundlage für die Arbeit im kommenden Jahr. Eines steht aber jetzt schon fest, wie Harks erläutert. Der Blick auf die Gänsepopulation sei eine „regionale Herausforderung“, also nicht allein durch Maßnahmen in Gladbeck zu managen. Fest steht für den Experten außerdem: „Die Ei-Entnahme aus den Nestern wird uns auf jeden Fall über alle Jahre weiter beschäftigen.“ Damit Mensch und Gans dauerhaft miteinander klar kommen.