Gladbeck. Die Warteschlangen am Tafelmobil des DRK Gladbeck werden immer länger. Es kommen auch Menschen, die man vor kurzem hier nicht erwartet hätte.

Vorbei sind offenbar die Zeiten, in denen sich Menschen aus Scham nicht trauten, bei der Lebensmittelausgabe der Tafel anzustehen. Die Warteschlangen am Mobil des Deutschen Roten Kreuzes (DRK)Gladbeck werden immer länger – Tendenz steigend. Mittlerweile kommen auch Männer und Frauen, die man vor einiger Zeit dort nicht erwartet hätte. DRK-Chef Wilhelm Walter stellt fest, dass die 1500er-Marke längst übersprungen ist: „Das ist rekordverdächtig!“

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Dabei möchte man meinen, dass sich die Lage allmählich entspannt. Schließlich, so melden es wenigstens die Lebensmittelbranche und Discounter, werden einige Produkte wieder günstiger. Doch Wilhelm Walter, Vorsitzender und Kreisrotkreuzleiter in Gladbeck, sagt: „Von sinkenden Preisen merken wir nichts.“ Wohl aber von Menschen, die nach jedem Strohhalm greifen, um über die Runden zu kommen. „Aus der Not geboren, sinkt die Hemmschwelle“, meint Wilhelm Walter.

Gladbecker DRK-Chef: „Viele kommen und fragen erst mal, ob sie überhaupt tafelberechtigt sind“

Er berichtet: „Ich habe den Eindruck, dass manche Menschen sich schon in der Warteposition befinden, bis sie dann schließlich zur Tafelausgabe gehen. Viele kommen und fragen erst mal, ob sie überhaupt tafelberechtigt sind. Da sind dann sogar auch ‘mal Menschen darunter, die eigentlich eine gute Rente haben.“

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Wer keinen Berechtigungsnachweis erbringen kann, geht mit leeren Händen nach Hause. Doch das DRK kann mit seinem Tafelmobil, das durch die Stadtteile kurvt, viele Bedürftige unterstützen. Wilhelm Walter erklärt: „Berechtigt sind zum Beispiel Gladbecker mit einem sehr geringen Einkommen.“ Zugenommen habe der Anteil jener, die Grundsicherung beziehen.

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„Lebensmittel von der Tafel zu erhalten, ist nicht mehr so sehr ein Tabu-Thema wie früher einmal. Es wurde da etwas aufgebrochen“, konstatiert der Gladbecker DRK-Chef. Die Termine seien für die Betroffenen mehr, als Produkte in die Tasche zu packen und die Ausgabestelle wieder zu verlassen. Der DRK-Experte erzählt: „Die Ausgabe beginnt um 14 Uhr, aber die Menschen kommen oft schon um 11 Uhr. Der mobile Tafelladen ist ein sozialer Ankerpunkt und Kommunikationsebene. Die Leute tauschen sich aus, erzählen ihre Geschichten.“

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Er selbst packt oft bei der Ausgabe mit an, erfährt vom Schicksal der Wartenden. Wie dieses: „Zu uns kam eine Frau, die kein Geld hatte. Dem Lebenspartner war gekündigt worden. Ein Antrag auf Unterstützung lag in der Behörde vor, war aber noch nicht bearbeitet.“ Verzweifelte öffneten ihr Portemonnaie, hielten es den DRK-Kräften unter die Nase, um zu zeigen: Es liegen allenfalls noch 50 Cent darin.

Der Gladbecker DRK-Chef Wilhelm Walter überprüft die Anmeldungen. Er kennt viele Schicksale derjenigen Menschen, die am Tafelladen auf Rädern Unterstützung – und auch mal tröstende Worte – bekommen.
Der Gladbecker DRK-Chef Wilhelm Walter überprüft die Anmeldungen. Er kennt viele Schicksale derjenigen Menschen, die am Tafelladen auf Rädern Unterstützung – und auch mal tröstende Worte – bekommen. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Freundlich und offen für solche persönlichen Probleme sein, das sind wichtige Eigenschaften für die Ehrenamtlichen, die sich im und um den DRK-Tafelladen engagieren – trotz der oftmals schweren körperlichen Arbeit. Um die 40 Freiwillige stemmen die Versorgung mit vornehmlich Nahrungsmitteln. „Wir sind seit acht Monaten mit unserem Tafelwagen unterwegs – durchgehend, wir hatten keine Ausfälle“, so Wilhelm Walter.

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Nicht alle, die sich einbringen, stehen im Mobil. „Jeder, der sich engagieren will, kann sich sein individuelles Zeitmanagement aussuchen, wie und wo er im Einsatz sein möchte: als Fahrer, beim Ausräumen, Sortieren, vor Ort, eben ganz projektbezogen“, unterstreicht Wilhelm Walter.

Kosten und Ausgabestellen

Jeder berechtigte Erwachsene zahlt für den Tafelbezug drei Euro. Für Ehepaare und Lebensgemeinschaften wird das Doppelte berechnet. „Ebenfalls sechs Euro kostet es für Familien“, sagt der Gladbecker DRK-Vorsitzende Wilhelm Walter.

Das Tafelmobil steuert verschiedene Plätze an, an denen Bedürftige Produkte erhalten. So sieht der wöchentliche Fahrplan aus: montags Braucker Markt an der Münsterländer Straße; dienstags Rentfort, Enfieldstraße/Gustav-Stresemann-Straße; mittwochs Marktplatz in der Stadtmitte; donnerstags Markt in Zweckel, Tunnelstraße. Der Freitag ist für Hauslieferungen vorgesehen. Die Ausgabezeit dauert von 14 bis 16 Uhr.

Und wer sich vorstellen kann, beim Projekt „Laden auf vier Rädern“ ebenfalls mitzuziehen, ist eingeladen, sich den Betrieb anzuschauen oder gar mitzumachen: „Wir sind für alle in Gladbeck, die sich die Tafelarbeit ansehen, offen.“ So haben’s bereits Mitglieder des Lionsclubs gemacht, andere Vereine haben ebenfalls Interesse bekundet. Der Gladbecker DRK-Vorsitzende: „Es geschieht auch ganz viel im Hintergrund, wie das Fahrzeug zu reinigen und Aufräumen.“

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