Gladbeck. Einsturzgefährdeter Schutthaufen oder schützenswerte Natur? Bei der Gladbecker Steinhalde gehen die Meinungen auseinander. Erste Entscheidungen.

Ist das Natur – oder kann das weg? Zugegeben, diese Frage ist etwas überspitzt formuliert, doch am Ende geht es bei der Steinhalde am Festplatz genau um diese Frage. Die Stadtverwaltung würde die alte Halde an der heutigen Bundesstraße und späteren Autobahntrasse gern abreißen und das so frei werdende Areal anderweitig nutzen. Die Halde selbst sei lebensgefährlich, so die Stadt. Zäune verhindern das unbefugte Betreten.

Aber genau das mache die Halde so wertvoll, argumentieren vor allem die Linken. Durch die Abgeschiedenheit habe sich ein Biotop entwickelt, der erhaltenswert sei. Die Partei will einen möglichen Abriss der Halde verhindern. Im Planungsausschuss stand das Thema nun auf der Tagesordnung – wobei es in der Sitzung noch überhaupt nicht um die Entscheidung Abriss oder Erhalt ging.

Stadtverwaltung wirbt für Wohnen und Gewerbe auf dem Areal

Stattdessen hat die Verwaltung einen Sachstandsbericht vorgelegt, der im Plenum ausführlich diskutiert wurde. Geht es nach den städtischen Plänen, soll das womöglich frei werdende Areal im Zuge der Neuplanung rund um den Bau der A52 genutzt werden, um dort Wohnen und Gewerbe zu ermöglichen. Die Stadt sieht in der Umlagerung der Steinhalde in Verbindung mit den Bau des Autobahntunnels eine „Chance für die Stadtentwicklung“.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde im Inneren der Steinhalde in Gladbeck ein Notkrankenhaus eingerichtet. 
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde im Inneren der Steinhalde in Gladbeck ein Notkrankenhaus eingerichtet.  © Stadtarchiv Gladbeck | Stadtarchiv Gladbeck

In unmittelbarer Nähe der Innenstadt gebe es die Chance, attraktive, moderne Arbeitsplätze zu schaffen, „junge Menschen für Gladbeck zu gewinnen und die städtische Wirtschaft zu stärken“. In der entsprechenden Vorlage ist in dem Zusammenhang auch die Rede von „ökonomischen und sozialen Dimensionen der Nachhaltigkeit“, die in einer vom Strukturwandel betroffenen Stadt nicht ausgeblendet werden dürften.

Die Frage nach der Standsicherheit der Halde steht im Raum

Doch wie steht es aus Sicht der Verwaltung um den ökologischen Wert der Halde? Tatsächlich geht man dort auch davon aus, dass sie Lebensraum zahlreicher Arten ist, ihr wird zudem eine sehr hohe klimaökologische Bedeutung zugeschrieben. Allerdings mit einer Einschränkung: In der Nähe könne kein Wärmeinselbereich festgestellt werden, und die Kaltluft, die dort entstehe, sei eher von geringer Bedeutung.

https://www.waz.de/staedte/gladbeck/erinnerungen-an-das-gladbecker-stollen-krankenhaus-id9093334.html

Bleibt die Frage nach der Standsicherheit der Halde. Das Betreten ist nicht umsonst verboten, die Stadt spricht von Lebensgefahr, die besteht, sollte man die Halde betreten. Das Problem: Im Zweiten Weltkrieg hat man Stollen in die Halde gegraben, dort ein Notkrankenhaus errichtet. Diese Stollen sind nun einsturzgefährdet, das habe auch Auswirkungen auf die Oberfläche. Nicht einmal Gutachter würden diese Halde noch betreten, so Stadtbaurat Volker Kreuzer. Zuletzt seien die Experten nur noch von Plattformen an Baggern an den künstlichen Hügel herangegangen und hätten so mit sicherem Abstand Bohrungen vollführt.

Stadtverwaltung Gladbeck spricht von einem „Zerfallsprozess der Halde“

Stürzt die Halde tatsächlich in sich zusammen, so die Auffassung der Stadt, seien auch die Bäume verloren, sie stünden schon jetzt nicht mehr unbedingt sicher. Kreuzer sprach von einem „Zerfallsprozess der Halde“. Diese bestehe aus reinem Bergematerial, sprich Gestein, enthalte weder Müll noch Kokereiabfälle. So, dass eine Entsorgung vergleichsweise einfach sei.

Ein Krankensaal in einem der Stollen unterhalb der Halde.
Ein Krankensaal in einem der Stollen unterhalb der Halde. © Stadtarchiv Gladbeck | Stadtarchiv Gladbeck

Trotzdem bleibt die Kostenfrage – diese konnte in der Sitzung noch nicht beantwortet werden, ist aber für die CDU von entscheidender Bedeutung. Die Fraktion zeigte sich noch unentschlossen, machte auch deutlich, dass man sich alles offen halten wolle. „Es ist ein Jahrhundert-Ding, das wir hier bewegen wollen, aber irgendwann ist es auch eine Kostenfrage“, machte CDU-Sprecher Dietmar Drosdzol deutlich.

Linke sieht Wert der Halde in ihrer Unberührtheit

Die SPD dagegen sprach sich klar für den Abriss dieses „überwucherten, lebensgefährlichen Schutthaufens“ aus. Die Grünen seien nicht glücklich darüber, einen klimatisch wertvollen Raum einfach abzutragen, „doch es ist ein Gefahren-Raum“, deutete auch Bernd Borgwerth an, dass man im Zweifel eine solche Entscheidung mittragen würde.

Anders die Linke: Der Wert der Halde liege eben in ihrer Unberührtheit, so die Einschätzung von Norbert Marissen. Geht es nach ihm und seinen Parteifreunden, sollte der Bereich abgesperrt und unzugänglich bleiben. Der Verwaltung warf er vor, in ihrer Vorlage „leere Blasen“ zu einem möglichen städtebaulichen Wettbewerb zu produzieren.

Verwaltung soll Kosten ermitteln zur Abtragung, dann wird erneut beraten

Schon vorher hatte die Linke beantragt, aufzuzeigen, welche Flora und Fauna sich dort inzwischen findet. Tatsächlich war ein Teil des Beschlussvorschlags der Verwaltung dann auch die Beauftragung einer artenschutzrechtlichen Untersuchung der Halde. Etwas überraschend stimmte die Linke gemeinsam mit der AfD gegen diesen Punkt.

Weniger überraschend, dass sie den weiteren Beschlussvorschlag ablehnt. Demnach wird die Verwaltung beauftragt, die Finanzierung und die Kosten einer möglichen Abtragung der Halde zu ermitteln. Die endgültige Entscheidung, wie mit der Halde verfahren wird, erfolgt dann in einer späteren Ausschusssitzung. Gegen die Stimmen von AfD und Linke wurde dieser Vorschlag dann angenommen.