Gladbeck. Ratten seien auf Balkonen und in Vogelhäuschen – Anwohner der Berliner Straße in Gladbeck beklagen eine Rattenplage. Wer sich nun kümmern soll.
Eigentlich verbringt Ingrid Ehmke (86) gerne Zeit auf dem Balkon ihrer Erdgeschosswohnung in Rentfort: Zwei Stühle und ein kleiner Tisch stehen auf einem grünen Kunstrasenteppich, am Geländer hängen Töpfe mit blühenden Osterglocken, Nelken und Hyazinthen, direkt dahinter beginnt eine große Wiese. Doch seit sie einem unerwünschten Gast begegnet ist, packt sie dort der pure Ekel.
Sie bückt sich und zeigt auf ein kleines Loch zwischen Teppich und Gitter, direkt neben einer Vase: „Da kam das fette Viech her.“ Eine große Ratte sei quer über den Balkon gehuscht. Ihr achtjähriger Enkel habe in diesem Moment, Sonntagnachmittag, 2. April, auf einem der beiden Balkonstühle gesessen. „Der hat losgeschrien und ich habe ihn nicht mehr beruhigt bekommen“, meint Ehmke.
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Rattenprobleme in Gladbeck: Das unternimmt die Stadt
Die 86-Jährige wohnt in einer der 192 Seniorenwohnungen an der Berliner Straße, die die Arbeiterwohlfahrt (Awo) betreibt. Viele Bewohner litten unter der Rattenplage, sagt Ingrid Ehmke. Auf der Wiese hinter ihrem Balkon tummelten sich seit gut einem Monat viele der Nager: „Ich habe schon mal 20 Stück auf einem Haufen gesehen“, sagt die 86-Jährige.
Sie ist mir ihren Schilderungen über die Rattenplage in Gladbeck nicht alleine. Rund fünfmal in der Woche würden Ratten bei der Stadtverwaltung gemeldet, wie Stadtsprecherin Anna Langhof auf Anfrage mitteilt.
Sobald eine Meldung eingeht, beauftrage die Stadt einen Rattenbekämpfer. Die städtische Kanalisation werde mehrmals im Jahr auf Rattenbefall kontrolliert. Gegebenenfalls werde „eine Bekämpfungsmaßnahme durchgeführt“. Die Stadt gebe jedes Jahr 30.000 Euro aus, um Ratten zu bekämpfen.
Warum sich Ratten in Hausnähe wohlfühlen
Langhof erklärt: „Ratten treten im Allgemeinen dort auf, wo Sie Futterquellen finden.“ Vor allem in der Nähe von Bodendeckern, Hecken und Zwischenräumen an Garagen bauten sie ihre Nester und Lagerräume in Erdhöhlen. Frei gehaltene Haustiere würden Ratten anziehen. „Schon alleine die Futterkästen für Vögel bieten der Ratte genug Futter, um das Überleben zu sichern“, so die Sprecherin.
Letzteres kann eine 79-jährige Nachbarin von Ingrid Ehmke bezeugen. Anfang April habe sie mehrere Ratten auf ihrem Balkon im Erdgeschoss gesehen: „Die sind über Rohre auf den Balkon geklettert und haben im Vogelhäuschen nach Futter gewühlt.“ Sie habe entdeckt, dass die Ratten in einem Loch unter dem Balkon verschwinden. „Das habe ich mit einem Lappen zugestopft. Seitdem ist Ruhe.“
Woher die Ratten kommen, weiß die 79-Jährige nicht. Probleme mit wildem Müll gebe es nicht. Warum die Tiere bleiben und sie sich vermehren, kann sie jedoch erklären: „Es gibt Nachbarn, die die Ratten füttern und Lebensmittel vom Balkon werfen.“ Das bestätigt auch Ingrid Ehmke.
Awo weiß von Rattenproblemen an der Berliner Straße
Die Stadt beseitigt Ratten nur dann, wenn sie in öffentlicher Kanalisation leben. Wenn Ratten auf privater Fläche auftreten, müssen sich die Grundstückseigentümer oder Hausverwaltungen um das Problem kümmern. Bei den Seniorenwohnungen an der Berliner Straße ist demnach die Awo zuständig.
Die Awo schiebe das Problem aber auf die lange Bank, meinen die beiden Seniorinnen. Sie hätten sich mehrfach telefonisch und per Mail bei Mitarbeitern gemeldet. „Mir wurde gesagt, dass meine Anfrage weitergeleitet wurde“, meint Ingrid Ehmke. Doch passiert sei nichts.
Der Awo seien die Rattenprobleme bekannt, sagt die Sprecherin des Awo-Bezirks Westliches Westfalen, Katrin Mormann. Die Wohnungen lägen in der Nähe von Feldern und der Aue. Die naturnahe Umgebung beheimate auch Ratten. „Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass sich die Menschen in unseren Altenwohnungen über viele Vögel auf dem Balkon und Besuch von Katzen freuen. Aber leider lockt diese gut gemeinte Tierliebe auch Ratten an“, meint Mormann.
Wie die Awo die Ratten beseitigen will
Mitarbeiter des Seniorenbüros hätten die Bewohner informiert, wie sie sich verhalten sollten, damit die Ratten kein Futter auf den Balkonen finden. Die Hausmeister stünden als Ansprechpartner bereit. Die Awo sorge zudem dafür, „dass etwa die Müllcontainer geschlossen bleiben, dass kein Müll in der Grünanlage liegt und dass die Hausordnung eingehalten wird“, so Mormann. „Es ist falsch zu behaupten, dass sich niemand um das Problem kümmert.“
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Bald schicke die Verwaltung ein Schreiben an die Mieter, in dem sie davor warne, Katzenfutter vor die Wohnungen zu stellen. Die Sprecherin erklärt: „Auch auf Futterstellen für Vögel sollte vorerst verzichtet werden, um Ratten keine Nahrung zu bieten.“ Würden sich Mieter nicht an die Regeln halten, werde „es eindringliche Gespräche mit denjenigen Mietparteien geben“.