Essen. Der Schädlingsbekämpfer Volker Skor aus Essen liebt seinen Beruf. Davon erzählen humorvoll auch die Bücher des „Kammerjägers vom Revier“.

Der Anblick von Ameisen, Flöhen, Motten, Käfern, Ratten, Tauben, Schaben, Wanzen und Wespen gehört für Volker Skor zum Alltag. Davon lässt er sich der 53-jährige Essener weder seine meist gute Laune, noch den Appetit verderben. Dennoch gibt es immer wieder Einsätze, die den professionellen Schädlingsbekämpfer selbst nach 25 Berufsjahren weiter verfolgen. Solche Erlebnisse bringt er zu Papier.

Privatvilla oder Schrottimmobilie – Schädlinge und Nager leben überall, wenn sie genug Futter finden. So sind Skor und seine Mitarbeiter täglich an Rhein und Ruhr unterwegs, wo sie Ungeziefer aus Kellern, Küchen oder Vorratskammern vertreiben. Dazu greift der „Revierförster“ – den Namen setzte Grafiker Stefan Kimpel fürs Buch-Cover bildlich um – nur selten zum Vernebelungsgerät. Die „scharfe Flinte“ kommt weniger als früher zum Einsatz. Doch hin und wieder fahren die Männer der „Kammerjägerei am Waldesrand“ mit Einteiler-Schutzanzügen und Gasmasken vom Hof. In unauffälligen, weißen Kastenwagen, die nichts über ihre Mission verraten. Diskretion gehört zum Geschäft.

„Revierförster
„Revierförster" Volker Skor vor seiner Kammerjägerei in Essen. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | abian Strauch

Ab und an muss doch die chemische Keule geschwungen werden. Haben Kakerlaken etwa Küchenschränke komplett besiedelt, hilft nur das „große Besteck“. In Schutzanzügen wie bei der Spurensicherung gehen Skor und seine Kollegen mit gasförmigen Mitteln ans Werk. Im „Jägerstuberl“, dem Sozialraum der Essener Zentrale, tauscht man sich über die Einsätze aus. „Manche Eindrücke vergisst man nicht so schnell“, sagt der Chef. „Wir tauchen ja praktisch in das Privatleben der Kunden ein.“ Das könne man nach Feierabend nicht alles nur zuhause abladen.

Entweser und Exterminatoren

In der Schule schrieb er am liebsten Aufsätze, 2012 brachte Skor sein erstes Buch heraus: „Revierförster – Ein Kammerjäger aus dem Ruhrgebiet am Rande des Wahnsinns“ (2012). Schon der Titel verrät, dass sich hier jemand auf die Schippe nimmt. In diesem Sommer schob der Essener bei „books on demand“ einen zweiten Band nach: „Der Revierförster ist zurück“. So sind es mittlerweile 36 Kurzgeschichten, die den Alltag seiner Branche skizzieren. „Wer selbst noch keine Schädlinge im Haus hatte, weiß eher wenig über Kammerjägerei.“ Freunde, denen er vom Job erzählt hatte, fanden Skors Geschichten spannend und rieten: „Das musst du aufschreiben, Volker.“

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Allerlei Döschen mit Pulvern gegen Ungeziefer, große und kleine Nager-Fallen und Werbetafeln für Insektenvernichtungsmittel der alten Marke „Delicia“ („Tötet Wühlmäuse, Pflanzenschädlinge Ameisen und alle Ratten“) zieren eine Glasvitrine im „Jägerstuberl“. Die Sammlung berichtet von „Entwesern“ und „Exterminatoren“, wie man früher sagte. Da setzte die Branche überwiegend auf mechanische und chemische Bekämpfung. Heute liegt der Schwerpunkt auf biologischen und ökologischen Mitteln. „Umwelt, Mensch und Tier sollen möglichst wenig belastet werden.“

Aufsehenerregend, dubios und skurril ist einiges, was Skor im Beruf erlebt. Der gelernte Außenhandelskaufmann sattelte Mitte der 90er-Jahre um. 1998 machte er sich mit eigener „Kammerjägerei“ selbstständig, auch mit Vogelabwehr und Desinfektion. Wie er zum Ungeziefer kam? „Über eine Freundin, deren Vater in Köln eine Firma hatte.“ Dort lernte der Essener das A und O des Handwerks. Und das höhere Jäger-Latein. Beides ist Basis seiner Kurzgeschichten.

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Mit Diskretion, Ruhrpott-Humor und einer Prise Selbstironie verfasst, sind die Stories nichts für schwache Nerven. Manchmal sind neben Lustigem auch Zeilen zu „weniger delikaten Dingen des Lebens“ zu lesen. Skor meint Geruchsbekämpfungen bei Leichenfunden. „Sobald die Polizei die Fundorte freigegeben hat, werden wir gerufen.“ An vieles habe er sich gewöhnt, aber darin nicht. Doch dass die lange Geschichte der Kammerjägerei, wie Skor sein Gewerbe nennt, eine eher dunkle ist, hat nicht nur mit gelegentlichen Einsätzen in Wohnungen Verstorbener zu tun.

„Leider tummeln sich viele schwarze Schafe unter den Schädlingsbekämpfern“, weiß der Essener. Die werben im Internet mit Festpreisen, die sie nicht halten, schlagen bei Insektiziden doppelt und dreifach zu oder schicken oft nur schlecht geschultes Personal zu Kunden. Skor regen unseriöse Mitbewerber auf.

Als „Revierförster
Als „Revierförster" erzählt Volker Skor seine erlebten Geschichten. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

„Ich stehe auf der Seite der Kunden“, sagt der Quereinsteiger. Mehr noch: Hin und wieder wird er sogar Opfer. Unehrliche Auftraggeber wollen ihn um den Verdienst prellen. „Nach der dritten Mahnung stelle ich säumigen Kunden das Auto mit der Riesen-Schabe mit den wippenden Fühlern vors Geschäft“, scherzt er. Im Ernst: Wer nicht oder erst spät bezahlt, läuft Gefahr in einer Geschichte verewigt zu werden. Wie ein Revier-Großbäcker. Oder der Inhaber eines Restaurants, nachzulesen im ersten Band: Dieser unredliche Gastronom hatte ein Kakerlaken-Problem. Die Präparate wurden ausgebracht und verfehlen nicht ihre Wirkung. Der Besitzer lobte die Kammerjäger und forderte eine zweite Behandlung an. Um gleich die nachfolgende Schaben-Generation aus der Küche zu beseitigen, so die Kurzgeschichte. 1200 D-Mark habe die offene Rechnung da betragen. Aber das Geld kam nicht und selbst der Anwalt blitzte ab.

Großeinsätze vor den Feiertagen

Pfiffig die Lösung des „Revierförsters“: Skor ließ einen Tisch für Zwölf reservieren, lud Freunde und Familie zum Schlemmen ein. Fest oder flüssig – egal, nur bitte im Wert der mittlerweile 1400 D-Mark Ausstände. Man ließ es sich schmecken im „garantiert schabenfreien Lokal.“ Davor wartete Skor auf den Anruf seines ebenfalls speisenden Anwalts, dem er das Geld gegeben hatte. Skors Handy klingelte, als der Kellner die Rechnung an den Tisch brachte. Auftritt für den „Revierförster“ mit dem Gerichtsvollzieher im Schlepptau. Der rief für alle Gäste gut hörbar zur Vollstreckung, als der Wirt die 1400 D-Mark einstecken wollte. Er sammelte die Scheine im Auftrag der Firma wieder ein. Übrigens sind weder der Name, noch der Restaurantstandort im Buch genannt. Doch das Lokal soll es noch geben.

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Großobjekte, wie Versicherungszentralen oder andere Büro-Immobilien werden oft kurz vor Feiertagen von Ungeziefer befreit. Darum geht es in „Die blaue Nacht“. Die Story beginnt an einem 23. Dezember gegen 20 Uhr. Irgendwo im Ruhrgebiet. „Zunächst meldeten wir uns an der Pförtnerloge und ließen uns bestätigen, dass alle Rauchmelde- und Alarmanlagen sowie die Lüftung im Gebäude ausgeschaltet waren.“ Etage für Etage arbeiteten sich der „Förster“ und ein Kollege durchs Gebäude. Fehlte nur noch das Aktenlager. Mal eben war das leider nicht erledigt. Denn die Alarmanlage meldete den Nebel aus der Kammerjägerflinte als Rauch an die Feuerwehr. Und die war im Nu zur Stelle. „Trotz des offenkundigen Fehlalarms waren die Männer verpflichtet, der Ursache nachzugehen. Sämtliche Bereiche des Gebäudes mussten inspiziert werden.“ Erst zum Morgengrauen war der Auftrag beendet.

„Einer der schönsten Berufe überhaupt“

Doch noch Weihnachten genießen konnte auch eine alte Dame. Ohne Nager im Haus. Morgens an Heiligabend stellte sie die frische Tanne von der Terrasse ins Wohnzimmer. Da entdeckte sie eine Maus, die munter in den Zweigen umhersprang. Alarm! Ein Kammerjäger sollte her. Sofort. Wie Bestatter sind Skor und seine Kollegen praktisch an 365 Tagen erreichbar, stets für Einsätze gerüstet. „Gerufen zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten“ unterbrach Skor das Schmücken seines Baumes. Mit Handtüchern, Wolldecken und einem Esstisch vor der Wohnzimmertür hatte die Frau der Maus den Weg in weitere Räume versperrt.

Nach den Schilderungen am Telefon erwartete Skor eine „Mäusehölle“. Doch außer etwas Nagerkot auf der Festtagsdecke fand er nichts bei der „Tatortbesichtigung“ mit Taschenlampe. Die Maus musste sich draußen im Baum verirrt haben und war unfreiwillig ins Zimmer gelangt. Die für alle Fälle in den Ecken aufgestellten Schlagfallen blieben jedenfalls leer. Mehr Lohn wollte er nicht für die Weihnachtsmaus als eine dicke Tüte Plätzchen und eine Flasche Wein. Als Zuschlag verspürte er „die Gewissheit, einen der schönsten Berufe überhaupt zu haben“.

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