Bochum/Dortmund. Immer wieder melden Bürger die Sichtung von Ratten. Wie die Städte im Revier vorgehen wollen, damit das Problem nicht zu einer Plage wird.

Klein, pelzig, unbeliebt. Immer wieder sind auch im Ruhrgebiet Ratten zu sehen. Von einer Plage sprechen die Städte derzeit nicht – aber von einem Problem, das sie ab sofort mit dem Einsatz von mehr Technik lösen wollen.

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Ja, es gibt Fälle, wie aus einem Horrorfilm. In Mülheim etwa sind die Tiere in einem Mehrfamilienhaus in Keller und Küche aufgetaucht. Und auch die einzelne Ratte, die plötzlich aus der Toilette krabbelt, gibt es – allerdings nur, wenn es keine Rückstauklappen in den Abflussrohren gibt. Aber das sind – zum Glück – Einzelfälle. In Parks und auf öffentlichen Plätzen oder im Garten muss man aber vielerorts nicht lange suchen, bevor man einen Nager entdeckt.

Genaue Zahl der Tiere lässt sich nicht ermitteln

Wie viele Ratten es gibt, ist kaum genau bekannt. Galt lange Zeit die Faustregel „pro Einwohner eine Ratte“, geht man in Bochum mittlerweile davon aus, dass auf jeden Einwohner mindestens drei Ratten kommen. Jedenfalls ist ihre Zahl groß genug, damit die Menschen zum Telefon greifen. „Meldungen von Bürgern gibt es immer wieder“, heißt es auf Anfrage etwa in Dortmund, Essen oder Bochum. Allerdings nicht immer öfter. „Die Zahl dieser Meldungen hat nicht zugenommen“, sagt Tanja Wißing, Stellvertretende Stadtsprecherin in Bochum.

Klein, pelzig, unbeliebt: Ratten gibt es in jeder Stadt
Klein, pelzig, unbeliebt: Ratten gibt es in jeder Stadt © imago images/PA Images | imago stock

Es ist auch bislang unklar, wie sich der heiße, trockene Sommer auf die Zahl der Tiere ausgewirkt hat. Erik Schmolz, „Leiter des Fachgebiets Gesundheitsschädlinge und ihre Bekämpfung“ beim Umweltbundesamt, glaubt allerdings nicht, dass die Temperaturen der letzten Monate „entscheidend“ für die Entwicklung der Rattenpopulation waren. Eine viel größere Rolle spiele „der Mensch und was er hinterlässt“. „Wenn die Leute im Sommer öfter draußen waren, gab es einfach mehr Essensreste.“ Das kann Wißing nur bestätigen. „An einigen Stellen in der Stadt war der Tisch reich gedeckt.“

Köderboxen mit eingebautem W-Lan

Auch deshalb gibt es in Bochum mittlerweile eine zentrale Bekämpfungsstelle für Ratten. „Bisher haben die Bürger nach einer Sichtung bei unterschiedlichen Ämtern angerufen“, weiß Wißing. Dadurch sei „eine koordinierte, flächen- und bereichsübergreifende Bekämpfung in ausreichendem Umfang“ nur schwer möglich gewesen. Künftig stellen die drei Mitarbeiter der Bekämpfungsstelle nach einer Meldung möglichst zeitnah mehrere Köderboxen in den Kanälen in der Umgebung des Sichtungsortes auf.

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Eine in den insgesamt 200 Boxen eingebaute Technik zählt, wie viele Ratten die Boxen besucht haben. Ist ein bestimmter Wert erreicht, gehen die städtischen Kammerjäger davon aus, dass die Köder aufgebraucht sind und legen nach. Müssen sie zum Abruf der Zahlen derzeit noch – zumindest oberirdisch – in der Nähe der Köderbox sein, soll ein „Long Range Wide Area Network“, kurz LoRaWAN – die Vor-Ort-Kontrollen demnächst überflüssig machen. „Dann genügt ein Klick auf die Maus am Computer im Büro, um zu wissen, welche Box leer ist.“

Bürger zur Kooperation aufgefordert

Ralf Kaiser (Schädlingsbekämpfer) und Samir Abaza kontrolieren Köderfallen für Ratten in Bochumr
Ralf Kaiser (Schädlingsbekämpfer) und Samir Abaza kontrolieren Köderfallen für Ratten in Bochumr © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Auch in Dortmund gibt es ähnliche Boxen. Was es dort nicht mehr gibt, sind die Bolzenschussgeräte, mit denen die Stadtentwässerung vor einiger Zeit Jagd auf die Ratten in den 50.000 Kanalschächten der Stadt gemacht hat. Die Methode habe sich „nicht bewährt“, heißt es. „Wir legen weiterhin Gift aus“, sagt Alexandra Schürmann, Sprecherin der Stadt. Weniger als früher, aber dafür dank der Boxen viel gezielter. Die Köder enthalten einen Blutgerinnungshemmer, der die Tiere tötet.

Und wie in jedem Jahr hat Dortmund auch in diesem Sommer seine Bürger zur „Kooperation aufgefordert. Zwei Wochen lang sollen sie verstärkt auf Ratten in ihrer (privaten) Umgebung achten und die Tiere gegebenenfalls bekämpfen. Ratten, heißt es in einem Schreiben, würden „erhebliche wirtschaftliche Schäden anrichten und als Krankheitsüberträger in Betracht kommen.“

Die Jagd auf Ratten kostet viel Geld

Ratten sind nicht nur eine „Zum Glück übertragen die Tiere in Deutschland nicht mehr wie früher durch ihre Flöhe die Pest“, sagt Erik Schmolz. Andere Krankheitserreger wie Salmonellen oder Leptospiren können sie aber immer noch im Schlepptau haben. „Ratten sind einfach ein Hygieneproblem. Und wenn sie plötzlich in Keller oder sogar der Küche auftauchen“, weiß der Schädlingsexperte, „kann das für die Menschen, die dort leben zu einem psychologischen Problem werden.“

Und die Jagd auf die Ratten kostet viel Geld. In Essen mehr als 55.000 Euro jährlich, in Duisburg rund 40.000 Euro. Vorbeugen, da sind sich alle Experten einig, ist deshalb besser als jagen. „Ratten machen sich nur breit, wenn es auch genügend Nahrung und Nistmöglichkeiten für sie gibt“, sagen sie und raten unter anderem dazu, Komposthaufen vernünftig zu sichern, um sie nicht zu Futterspeichern zu machen.

Und in Parks und auf öffentlichen Plätzen, so die eindringliche Mahnung, bloß keine Essensreste wegwerfen. Wissing kennt die Gefahr, weiß aber auch um den Erfolg, wenn die Ratschläge befolgt werden. „Verschwindet der Müll“, sagt sie, „verschwinden die Ratten.“