Gladbeck. Sonst feiert die Alevitische Gemeinde Gladbeck groß zum Weltfrauentag. Doch Krieg in der Ukraine und Erdbeben in der Türkei überschatten den Tag.

Für Aleviten hat Musik eine besondere Bedeutung, sei es bei religiösen Festen, sei es bei anderen Anlässen. Musik, so heißt es, soll Lebensfreude vermitteln, aber auch Trost in Zeiten der Not spenden. Mit Musik werde das Leid im Leben erträglicher. So sind es manchmal eher melancholische Töne, die an diesem Samstagnachmittag zu hören waren, an dem sich die Alevitische Gemeinde in Gladbeck im Versammlungsraum ihres Kulturvereins zusammengefunden hatte, um der Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei zu gedenken und Geldspenden einzusammeln.

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Aber auch der Internationale Frauentag spielte in der Ansprache des Vorsitzenden Tecer Ceylan eine Rolle. Er hob die vielen Frauen – auch aus dieser Gemeinde – hervor, die in der Pflege arbeiten. „Normalerweise feiern sie am Wochenende nach dem Internationalen Frauentag ihr Fest“, erklärte er, aber in diesem Jahr sei niemandem, nicht nur wegen des Erdbebens, sondern auch wegen des Krieges in der Ukraine, zum Feiern zumute gewesen. So wurde die Frauentagsfeier zur Gedenkfeier umgewidmet.

Alevitische Gemeinde in Gladbeck umfasst rund 300 Familien

Denn die Alevitische Gemeinde in Gladbeck ist mit rund 300 Mitgliedsfamilien recht groß. Viele von ihnen sind unmittelbar durch Verwandte und Freunde in den Erdbebenregionen der Türkei betroffen. Bereits ein Lkw mit 40 Tonnen Kinderkleidung und Kindernahrung sei auf den Weg in die Türkei geschickt worden. Doch am besten helfen wohl im Augenblick Geldspenden. 10.000 Euro habe man schon gesammelt, so Ceylan.

Viele hier in Deutschland lebende Menschen türkischer Abstammung warten darauf, dass Angehörige, die überlebt haben, für einige Zeit zu ihnen nach Deutschland kommen, aber sie zögerten noch, weiß der Vorsitzende. „Sie wollen ihre Grundstücke und die Tiere nicht alleine lassen.“ Und so sitzt man an diesem Tag zusammen, um sich gegenseitig zu trösten, um zu beten und der Musik zuzuhören, die von Mitgliedern der Gemeinde gespielt wird.

Gladbecker üben Kritik an den Hilfsmaßnahmen der türkischen Regierung

Mit dem, was die türkische Regierung für die Erdbebenopfer an Unterstützung bereitstelle, könne niemand zufrieden sein, heißt es von vielen Seiten, doch sei das Engagement der ehrenamtlichen Helfer großartig. Direkt nach der Katastrophe sind zahlreiche Mitglieder der Gladbecker Alevitischen Gemeinde in die Türkei gereist, um dort Hilfe zu leisten. „Was wir dort gesehen haben, verfolgt uns bis heute“, erzählt einer von ihnen.

Seitens der Politik sind der stellvertretende Bürgermeister, Norbert Dyhringer und SPD-Ratsherr Jens Bennarend gekommen. In seiner Ansprache erinnerte Dyhringer an Marie Juchacz, die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt. Insbesondere hob er aber die nach der Katastrophe große Hilfs- und Spendenbereitschaft in Deutschland hervor. Dies sei „ein gutes Signal.“

44 Alevitische Gemeinden in NRW

In Nordrhein-Westfalen gibt es 44 Alevitische Gemeinden, die sich in ihrem Dachverband organisiert haben. Deutschlandweit sind dies 160 Mitgliedsgemeinden. Das Alevitentum gilt als eher säkulare Ausprägung des Islam.

Im Dezember 2022 wurde den Aleviten in Deutschland der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zugesprochen und damit ein Rechtsstatus wie den anderen Glaubensrichtungen (evangelisch, jüdisch, katholisch) gewährt.