Gladbeck. Ein neues niederschwelliges Beratungsangebot in Gesundheitsfragen soll in Gladbeck entstehen. Die SPD will über einen Gesundheitskiosk beraten.

Mal eben in der Nachbarschaft um die Ecke gehen, um neben einer bunten Tüte Naschwerk auch eine Packung Kopfschmerztabletten mitzunehmen. Das mag in den Sinn kommen, sobald man zum ersten Mal vom Projekt „Gesundheitskiosk“ hört. Die gesetzliche Initiative des Bundesgesundheitsministeriums hat freilich eine andere Stoßrichtung. Die SPD-Fraktion möchte, dass auch in Gladbeck eine dieser besonderen Anlaufstellen zur Gesundheitsberatung für Bürgerinnen und Bürger entsteht – und begründet warum.

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„Die flächendeckende Verfügbarkeit von guter Gesundheitsversorgung ist der SPD ein wichtiges Anliegen“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Uwe Zulauf. „Alle in der Stadt sollen die Möglichkeit haben, durch ein niederschwelliges Angebot schnell und kompetent in Gesundheitsfragen beraten zu werden.“ Das gelte im Besonderen für zugezogene Menschen mit sprachlichen Schwierigkeiten, oder betagtere Mitbürger, „die bei der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht mehr mithalten können“. Auch der drohende Ärztemangel wegen Überalterung, vor dem der Vorsitzende des Gladbecker Ärztenetzwerkes auf WAZ-Nachfrage gewarnt hat, zeige, „dass es sinnvoll ist, sich Gedanken zu machen, wie Lücken in der Gesundheitsberatung geschlossen werden können“. Laut Gesundheitsministerium sollen Gesundheitskioske in sozial benachteiligten Regionen und Stadtteilen entstehen. Besonderen Bedarf sieht die SPD „im Gladbecker Süden“.

Die Gladbecker Lokalpolitik wird sich mit dem Thema Gesundheitskiosk befassen

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion in Gladbeck, Uwe Zulauf, möchte das Thema Gesundheitskiosk mit der Ratspolitik besprechen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion in Gladbeck, Uwe Zulauf, möchte das Thema Gesundheitskiosk mit der Ratspolitik besprechen. © SPD Gladbeck | NN

Das Thema soll im Mai in Ausschuss für Senioren, Soziales und Gesundheit besprochen werden. Die SPD beauftragt die Verwaltung, im Vorfeld zu prüfen, ob und wie ein Gesundheitskiosk umzusetzen ist, welche Standorte geeignet wären und welche Kosten die Einrichtung mit sich bringen würde. „Prima wäre es auch, wenn zum Termin Praktiker aus der Nachbarschaft als Experten eingeladen werden könnten, die zu einem bereits bestehenden Gesundheitskiosk berichten und Fragen beantworten können“, so Zulauf. Der Lokalpolitiker nennt dafür die beiden Gesundheitskioske, die 2022 im Essener Norden, in Katernberg (Dezember) und Altenessen (Mai), in Betrieb gegangen sind.

Laut Berichten der WAZ leitet eine Studentin, die im Masterstudiengang Public Health studiert, die beiden Kiosk-Standorte mit sechs Mitarbeitenden, die je zur Hälfte von der Stadt und der AOK finanziert werden. Die mehrsprachigen Teams hätten zunächst auch viel Netzwerkarbeit im Stadtteil betrieben, die Menschen auf der Straße oder in Institutionen wie Kirchen- und Moscheegemeinden, Bürgertreffs, Pflegeheimen etc. informiert und versucht, die Bedarfe zu erfragen. Im Gesundheitskiosk wird bei der Übersetzung von Arztbriefen geholfen, über komplexe Krankheiten aufgeklärt, oder über präventive Gesundheitsmaßnahmen informiert. „Wir sind die Schnittstelle zwischen Haus-, beziehungsweise Facharzt und Zuhause, sowie zwischen Krankenhaus und Reha, dort fühlen sich viele Menschen verloren, weil sie nicht wissen, wie der weitere Weg ist“, informiert Einrichtungsleiterin Nicole Ginter.

Gladbecker Ärzte informiert sich zum Thema bei der Kassenärztlichen Vereinigung

Dr. med Gregor Nagel, Vorsitzender des Gladbecker Ärztenetzwerkes Glanet, möchte wissen, welche Leistungen konkret im Gesundheitskiosk angeboten werden.
Dr. med Gregor Nagel, Vorsitzender des Gladbecker Ärztenetzwerkes Glanet, möchte wissen, welche Leistungen konkret im Gesundheitskiosk angeboten werden. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Der Vorsitzende des Gladbecker Ärztenetzwerkes „Glanet“, Dr. med. Gregor Nagel, berichtet, dass man das Thema „Gesundheitskioske“ im Blick und darüber bereits vor einigen Wochen im Vorstand diskutiert habe. Denn in der Pilotstadt Hamburg sei über das Projekt auch kritisch berichtet worden, dass Krankenkassen sich aus der Finanzierung zurückgezogen hätten, da damit auch unnötige Doppelstrukturen vorgehalten würden, „wenn im Kiosk zum Beispiel Wundverbände gewechselt, geimpft oder der Blutzucker ermittelt wird“. In Gladbeck gebe es zudem bereits einige niederschwellige Beratungsangebote für Geflüchtete und Migranten, sagt Nagel. Auch die Seniorenberatung sei gut aufgestellt und in den Hausarztpraxen würden die Patienten freilich auch niederschwellig beraten, ebenso in Apotheken, wo auch der Blutdruck oder der Blutzucker gemessen werden könne.

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Das Team beim Eröffnungsfest des Gesundheitskiosks in der Alten Badeanstalt in Essen-Altenessen.
Das Team beim Eröffnungsfest des Gesundheitskiosks in der Alten Badeanstalt in Essen-Altenessen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Er stehe der Idee Gesundheitskiosk grundsätzlich offen gegenüber, wolle aber einige Fragen für Gladbeck geklärt sehen, sagt Nagel „Zum Beispiel, welche Leistungen dort konkret angeboten werden sollen und woher man die Fachkräfte für die Beratung nehmen will“, da bei leer gefegtem Fachkräftemarkt ja bereits Arztpraxen und Krankenhäuser Schwierigkeiten hätten, geeignetes Personal zu finden. Ende des Monats könne er zum Gesundheitskiosk sicher einiges mehr sagen, „wir haben dann ein Gespräch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe zum Thema“.

Gesundheitsdezernent bewertet die Gesundheitskioske positiv

Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel, wertet die Gesundheitskioske als positiv. Allein in Altenessen erfolgten von Mai bis November 650 Beratungen, pro Werktag also etwa fünf. In Essen werden explizit keine ärztlichen Leistungen durchgeführt, keine Verbände gewechselt, keine Spritzen gesetzt. Man sehe vielmehr eine Entlastung für die niedergelassenen Mediziner, das diese bei vielen Themen für eine ausführlichere Aufklärung und Beratung an die Gesundheitskioske verweisen könnten.