Gladbeck. Ein Drittel der Hausärzte in Gladbeck ist älter als 60 Jahre. Noch ist die medizinische Versorgung in der Stadt gut, doch es droht der Engpass.

Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) ist die Versorgungslage mit Hausärzten in Gladbeck derzeit gut, weitere Hausärzte bekommen hier aktuell keine Kassenzulassung. Aber: 38 Prozent der Hausärzte in der Stadt sind über 60. Droht also ein Ärztemangel, wenn Mediziner in den Ruhestand gehen? Gregor Nagel, Vorsitzender des Gladbecker Ärztenetzes, befürchtet genau das. Er sagt: „Wir steuern in Gladbeck auf einen Ärztemangel zu.“

Doch zunächst ein Blick auf die aktuelle Situation. Nach Auskunft der KVWL liegt der Versorgungsgrad der Hausärzte im Mittelbereich in Gladbeck bei 110,5 Prozent. Damit gibt es hier rein rechtlich eine Überversorgung. Die KVWL-Statistik zählt in der Stadt 45,5 Hausärzte. „Es bestehen derzeit keine weiteren Niederlassungsmöglichkeiten, der Planungsbereich ist gesperrt“, so der KVWL-Sprecher Stefan Kuster.

Teilweise suchen Gladbecker Hausärzte schon längere Zeit nach Nachfolgern

Auch wenn der Anteil der über 60-jährigen Hausärzte in Gladbeck noch leicht unterhalb des KVWL- Schnitts von 40 Prozent liegt, sei das kein Grund zur Entwarnung, sagt Gregor Nagel. Es gebe in Gladbeck nämlich durchaus Allgemeinmediziner, die schon die 70 überschritten haben und immer noch praktizieren. „Ich kenne hier vor Ort Praxen, die schon lange nach einem Nachfolger suchen.“ Und in Bottrop etwa gebe es schon Stellen, die nicht besetzt werden könnten, berichtet Nagel.

Dr. Gregor Nagel, der Vorsitzende des Ärztenetzes Gladbeck.
Dr. Gregor Nagel, der Vorsitzende des Ärztenetzes Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Das Problem sei eben ein genereller Hausärztemangel. Mit anderen Worten: An den Universitäten werden gar nicht so viele Allgemeinmediziner ausgebildet, wie künftig benötigt werden. Stefan Kuster drückt es so aus: „Generell lässt sich sagen, dass die Nachbesetzung von Arztsitzen in vielen Regionen, vor allem im ländlichen Bereich, schwieriger wird, da sich nicht genug junge Medizinerinnen und Mediziner für eine Praxis entscheiden.“

Im Wettbewerb um Hausärzte werden die „weichen Faktoren“ immer wichtiger

Aus Sicht der KVWL kommt es im Wettbewerb um die Hausärzte immer stärker auf die „weichen Faktoren“ an. Die seien für viele junge Ärzte, die sich niederlassen wollen, mit entscheidend. „Wichtig ist zum Beispiel, ob ausreichend Praxisräume, Baugrundstücke, Kinderbetreuungsangebote und Jobmöglichkeiten für den Partner oder die Partnerin in einer Ortschaft vorhanden sind“, zählt der KVWL-Sprecher einige Punkte auf.

Erfahrungen, die man auch beim Gladbecker Ärztenetz macht. Und das seien Punkte – anders als die Studienmöglichkeiten an den Universitäten –, die seitens der Stadt beeinflusst werden könnten. Er versuche, dafür ein Bewusstsein bei der Verwaltung zu wecken, sagt Nagel. Bisher habe man sich wenig um die Ansiedlung von Hausärzten kümmern müssen, doch das ändere sich gerade, warnt er.

Gladbecker Ärztenetz will das Thema bei der Stadtverwaltung platzieren

Aktuell plant die Stadt Gladbeck ein umfassendes Wirtschaftsförderungskonzept und befragt dazu die Unternehmen in der Stadt. Daran habe er sich ebenfalls beteiligt, sagt Gregor Nagel und versucht, das Thema auf diese Weise bei der Stadtverwaltung zu platzieren.

Die KVWL weist auf weitere Faktoren hin, die wichtig seien, um die Versorgung zu sichern und im solidarischen System auch bezahlbar zu halten. So dürfe nicht einfach nur die Zahl der Ärzte in den Blick genommen werden. Wichtig seien Rahmenbedingungen wie etwa die fehlenden Medizinstudienplätze. Auch die Inanspruchnahme der Ärzte müsse betrachtet werden. „Mit Blick auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen beispielsweise kommt es zu vermehrter Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen aufgrund gesunkener Gesundheitsbildung in der Bevölkerung. Zudem nimmt zum Beispiel das Erstellen von Gutachten bei den Ärztinnen und Ärzten immer mehr Zeit in Anspruch“, sagt Kuster.

Trend geht zu größeren Versorgungszentren und Gemeinschaftspraxen

Doch scheint man bei der KVWL das Problem in Gladbeck als nicht so drängend anzusehen. So hat die Kassenärztliche Vereinigung ein Förderverzeichnis aufgesetzt, eine Art Frühwarnsystem für drohenden Ärztemangel. Mediziner, die sich in einer dort aufgeführten Stadt niederlassen möchte, können besondere Unterstützung erhalten. Gladbeck kommt in diesem Förderverzeichnis nicht vor. Einzig in Waltrop, Gevelsberg und Ennepetal gibt es im östlichen Ruhrgebiet solche Förderung, ansonsten in den ländlichen Teilen des KVWL-Gebiets.

In Gladbeck habe man teilweise andere Wege gefunden, Praxen weiterzuführen, so Gregor Nagel – etwa durch angestellte Ärzte. Doch das sei nicht die endgültige Lösung, sagt der Vorsitzende des Ärztenetzes. Denn damit kämen im Zweifel auf die dann immer weniger werdenden selbstständigen Hausärzte die Arbeit in den Randzeiten und die Notdienste zu. Das sei nicht zu stemmen, fürchtet er.

Grundsätzlich sieht Nagel jedoch eine Entwicklung weg vom Einzelkämpfer in der eigenen Praxis hin zu größeren Versorgungseinheiten und Gemeinschaftspraxen, innerhalb derer man sich gegenseitig unterstützen könne.

37 Prozent der Kinderärzte sind über 60

Anders als die Versorgung mit Hausärzten wird die kinderärztliche Versorgung auf der Kreisebene geplant. Für den Kreis Recklinghausen weist die KVWL-Statistik 40 Kinderärztinnen und Kinderärzte (Vollzeitäquivalente) auf. Das entspricht einem Versorgungsgrad von 11,2 Prozent. Damit ist der Kreis für weitere Niederlassungen von Kinderärzten gesperrt.

Aber auch hier droht eine Überalterung. 37 Prozent der Kinderärzte im Kreis Recklinghausen sind nach KVWL-Angaben älter als 60 Jahre. Zu, Vergleich: I, gesamten Gebiet der KVWL trifft diese lediglich auf 27 Prozent der Kinderärztinnen und -ärzte zu.