Düsseldorf. Inflation und Pandemie treffen viele Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, hart. NRW-Verbände warnen nun vor der „Armutsfalle Pflege“.
Rekord-Inflation und die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Pflege-Versorgung stürzen immer mehr Menschen, die ihre Familienmitglieder zu Hause pflegen, in die Verzweiflung, warnten am Montag der Sozialverband VdK in NRW, der Verband der Alzheimer-Gesellschaften in NRW und die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD).
Verbände fordern Erhöhung beim Pflegegeld
Sie forderten die Bundes- und die NRW-Landesregierung auf, die finanziellen Sorgen der Betroffenen zügig zu lindern und versprochene Reformen schnell auf den Weg zu bringen. „Das Pflegegeld ist seit 2017 nicht mehr erhöht worden. Wir fordern eine dauerhafte Anhebung entsprechend der Geldentwertung“, sagte Peter Pick, Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft NRW, im Landtag. „Pflege darf nicht arm machen“, warnte auch Claudia Molls.
Peter Pick dringt außerdem auf ein Recht auf eine „Pflegezeit“, ähnlich der Elternzeit, mit staatlichen Ersatzleistungen und einem Rückkehrrecht an den Arbeitsplatz. Nordrhein-Westfalen forderte er zur Einführung eines „Landesdemenzplanes“ auf, der den heutigen „Angebotsirrgarten“ entwirren und die Unterstützung für Demenzpatienten und ihre Pflegenden verbessern müsse.
Studie zeigt hohe Belastung pflegender Angehöriger
Laut einer Umfrage des Sozialverbandes VdK unter rund 56.000 pflegenden Angehörigen in Deutschland, darunter etwa 12.000 in NRW, kann ein Drittel der Befragten die Pflege von Angehörigen „nur unter Schwierigkeiten bewältigen“. Als besonders belastend empfänden viele Pflegende die finanzielle Situation, so Prof. Andreas Büscher, Pflegewissenschaftler der Hochschule Osnabrück, bei der Vorstellung der Studie. Die mit Abstand am häufigsten in Anspruch genommene Unterstützungsmaßnahme sei das Pflegegeld, mit dessen Hilfe in vielen Fällen die Haushaltskosten gedeckt würden.
Über 70 Prozent der Befragten berichten jedoch von zusätzlichen Ausgaben für Unterstützungsleistungen. Mehr als die Hälfte wünscht sich weitere Unterstützung in der direkten Pflege, etwa durch einen Pflegedienst. Oftmals werde diese aber nicht in Anspruch genommen, weil die Angehörigen fürchteten, selbst draufzahlen zu müssen, so Büscher. Nun komme auch noch die Angst dazu, dass die Wohnung in diesem Winter wegen der Energiekrise und explodierender Heizkosten zur „Kältekammer werden könnte“, sagte VdK-Landesvorsitzender Horst Vöge.
„Auch ist die Verfügbarkeit ambulanter Pflegedienste nicht überall ausreichend gewährleistet“, so Büscher. Auf die Frage, was ihnen in ihrer Situation helfen würde, lautet die Antwort der meisten Betroffen: mehr Geld für die Pflege, dicht gefolgt von dem Wunsch nach leicht zugänglichen Entlastungsangeboten vor Ort.
Fachkräftemangel verstärkt Bedeutung häuslicher Pflege
„Wir müssen Pflege ganz neu denken“, sagte Claudia Moll. Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels und der rasant steigenden Zahl von Pflegebedürftigen müsse man „weg von den großen stationären Einrichtungen“ und stattdessen die Angebote für Familien im eigenen Wohnquartier stärken: Ambulante Dienste, Tages- und Kurzzeitpflege, Apotheke, Kinderbetreuung, Ärztehaus und vieles mehr müsse möglichst in der Nähe liegen.
Von den rund 1,2 Millionen Pflegebedürftigen in NRW werden rund 800.000 in ihren Familien und dort „ohne professionelle Unterstützung“ gepflegt, erklärte Pick. Das sei ein gutes Argument dafür, die häusliche Pflege zu stärken.