Gelsenkirchen. Tarifrunde im öffentlichen Dienst: Gelsenkirchens OB ist Verhandlungsführerin der Arbeitgeber – und fordert „keine Dramaturgie“.
Die nächste Tarifrunde im kommunalen öffentlichen Dienst steht an. Für Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) beginnt damit wieder eine Zeit, in der sie als Verhandlungsführerin für die kommunalen Arbeitgeber der gesamten Republik erklären muss, warum sie mit den Vorstellungen der Gewerkschaften nicht einverstanden ist. Gefordert werden 10,5 Prozent mehr Lohn für 2,5 Millionen Beschäftigte. „Das können wir so nicht leisten, und viele andere Kommunen auch nicht“, machte Welge jetzt gegenüber dem „Spiegel“ deutlich.
Verdi geht schon einmal in Stellung für Streiks: „Dann wird es richtig ungemütlich“
Die Fronten sind wieder mal verhärtet. „Das werden hammerharte Verhandlungen“, setzte Ulrich Silberbach, Chef des Beamtenbundes (DBB), schon einmal den Ton für die Tarifrunde. „Die Stimmung in den Betrieben und Behörden des öffentlichen Dienstes war noch nie so schlecht“, behauptet er. „Veraltete Ausstattung, steigende Arbeitsbelastung, hohe Krankenstände, sinkende Motivation: Das sind alles Alarmzeichen.“ Umso dringender seien jetzt „positive Impulse“ bei der Bezahlung.
Verdi stimmt einen ähnlichen Ton an. Auf flächendeckende Streiks müsse man sich einstellen, falls man von der Arbeitgeber-Seite kein ernsthaftes Angebot erhalte, so Verdi-Chef Frank Werneke. „Dann wird es richtig ungemütlich.“
Welge dagegen appelliert an die Gewerkschaften, keine zu drastische Wortwahl zu wählen. Von „ritualisierter Dramaturgie“ solle man in Zeiten des Krieges in Europa „bei aller notwendigen Auseinandersetzung“ Abstand nehmen, sagte sie gegenüber dem „Spiegel“.
Gelsenkirchens OB Karin Welge sieht sich in einem „dreifachen Verteilungskampf um das knappe Geld“
Begründet werden die Forderungen der Gewerkschaften vor allem mit der Inflation. Welge aber sagt in ihrer Funktion als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA): „Die Kommunen sind von der Inflation und den derzeit hohen Energiepreisen genauso betroffen wie ihre Beschäftigten.“ Als Verwaltungschefin in Gelsenkirchen sei sie in einem „dreifachen Verteilungskampf um das knappe Geld“ – hinsichtlich der Lasten der Vergangenheit, des Kerngeschäfts der Gegenwart sowie Investitionen in die Zukunft. Und verteilen ließe sich dieses Geld eben nur einmal.
Auch wenn sie wichtig gewesen seien, hätten die milliardenschweren Entlastungspakete des Bundes hier durchaus ein problematisches Bild vermittelt. „Wir haben die unglückliche Situation, dass durch die vielen notwendigen finanziellen Hilfsmaßnahmen des Staates seit der Coronakrise der Eindruck entstanden ist, Geld sei heute und auch morgen unendlich verfügbar“, sagte Welge. Dieser Auffassung sei sie jedoch ausdrücklich nicht.
Verdi kritisiert OB Welge: „Gutes Personal ist eine gute Investition in die Zukunft“
Bärbel Sumagang, Gewerkschaftssekretärin im Verdi-Bezirk Mittleres Ruhrgebiet, glaubt, dass Welge „Äpfel mit Birnen vergleicht“. Der Topf für das Gelsenkirchener Personal (etwa 198 Millionen Euro und damit 16 Prozent des städtischen Haushalts) ließe sich getrennt von anderen Bereichen der Stadtfinanzen betrachten. „Außerdem ist gutes Personal auch eine gute Investition in die Zukunft“, so Sumagang gegenüber der WAZ.
Sumagang begründet die Forderungen ihrer Gewerkschaft auch mit dem immer größer werdenden Fachkräftemangel. „Da knirscht es bereits an allen Ecken und Kanten“, meint Sumagang – und zielt etwa auf die kritische Situation in dem Gelsenkirchener Jugendamt ab, aber auch auf „Straßenbahnen, die nicht mehr fahren können, weil das Personal fehlt“ oder „Operationen, die in kommunalen Krankenhäusern verschoben werden müssen.“ Für all diese Beschäftigungsgruppen wird mitverhandelt.
Den Kommunen sollte klar sein, dass sie über attraktive Bezahlung auch viel besser Personal bekommen könnten, so Sumagang. „Da konkurrieren Kommunen auch mit privaten Arbeitgebern.“ Gerade in einem „Brennpunkt“ wie Gelsenkirchen müsse die Bezahlung stimmen, um Beschäftigte davon zu überzeugen, hier zu arbeiten.
Ob es in Gelsenkirchens zu Streiks kommt, wird am 26. Januar klar sein
Der Auftakt der Tarifverhandlungen ist am Dienstag (24. Januar), die zweite Tarifrunde soll am 22. Februar folgen, die dritte ab dem 27. März. Ob es bei den Beschäftigten im Ruhrgebiet zeitnah zu ersten Streiks kommt, soll dann am Mittwochnachmittag im Bezirk besprochen werden, gibt Sumagang einen Ausblick. Klarheit werde es dann am Donnerstag (26. Januar) geben.
Sollte Welge den Gewerkschaften am Dienstag kein passables Angebot machen, scheint der Arbeitskampf wohl unausweichlich. Welge zeigte sich dennoch optimistisch, bis Ende März eine Einigung zu haben.