Gladbeck. Schwindende Mitgliederzahlen? Bei den Pfadfindern St. Josef Gladbeck kein Thema! Um so mehr hat eine Aussage eines Kirchenmannes sie geärgert.
Viele Sport- und Kulturvereine plagen seit Jahren Nachwuchsprobleme. Die Pfadfinder des Stammes St. Josef Rentfort, als eine kirchennahe Vereinigung, hingegen haben sogar Wartelisten für Neuanmeldungen. Zwischen traditionellen Werten und einem zukunftsgewandten Zeitgeist bilden sie die Antithese.
Im Gemeindeheim in Rentfort treffen sich die Wölflinge des Stammes St. Josef Rentfort jeden Donnerstag zu ihrer eineinhalb Stunden langen Gruppenstunde um zu spielen, sich auszutauschen und die Bräuche und Werte der Pfadfinder zu lernen. Die Wölflingsstufe, einfach Wölflinge genannt, ist die erste von insgesamt fünf Stufen, welche eine Pfadfinderin oder ein Pfadfinder durchlaufen kann.
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Jeder dieser Schritte, an deren Ende die fünfte Stufe, die der Leiter, steht, wird von einem Pfadfinderversprechen begleitet. Versprochen wird gegenüber Gott, den anderen Pfadfindern und sich selbst. Das Versprechen sollte nach jedem Stufenwechsel erneuert werden, es ist stufengebunden. Das Versprechen regt dazu an, sich mit den Werten und Zielen der Pfadfinderbewegung (altersgerecht) auseinanderzusetzen, das eigene Verhalten zu reflektieren und eine bewusste Entscheidung zu treffen.
Die Pfadfinder St. Josef in Gladbeck können die Nachfrage nach Plätzen in den Gruppen kaum bewerkstelligen
Annika Glapp, die Stammesvorsitzende des Stamms St. Josef in Gladbeck, freut sich über den nicht abreißenden Andrang: „Mittlerweile fahren wir sogar mehrgleisig, um die Nachfrage nach Plätzen zu bedienen“. In zwei Gruppen mit jeweils 30 Kindern wurde die Wölflingsstufe des Pfadfinderstammes aufgeteilt. Der Grund dafür sind die vielen Anfragen und langen Wartelisten für Neuanmeldungen. Üblicherweise gibt es nämlich nur eine Gruppe pro Stufe pro Stamm.
„Wir waren schon immer ein großer Stamm, zeitweise bundesweit einer der größten. In den letzten Jahren sind wir besonders stark gewachsen“, so Glapp. Zusätzlich wurde mit der Bibergruppe die Möglichkeit geschaffen, auch noch jüngere Kinder in die Welt der Pfadfinder einzuführen. Die Initiative wurde 2015 durch den Dachverband der deutschen Pfadfinder, DPSG, ins Leben gerufen. Denn wer Teil der Wölflingsstufe werden möchte, muss mindestens sieben Jahre alt sein und bereits die zweite Klasse besuchen. „Wir haben das Potenzial in dieser Idee gesehen und erst einmal intern geprüft, ob es dahingehend Bedarf gibt. Nun ist auch die Bibergruppe komplett voll“, so Annika Glapp.
Die Leiter begleiten die Kinder in den Gruppenstunden, fahren mit ins Sommerlager
Betreut werden die Kinder und Jugendlichen der verschiedenen Stufen von ihren Gruppenleitern. Diese jungen Erwachsenen haben bereits ihre Pfadfinderlaufbahn bestritten und sorgen nun ehrenamtlich dafür, dass die jüngeren Stammesmitglieder eine mindestens genauso prägende Zeit erleben können. „Diese wichtige Arbeit gehört genauso zum Pfadfinder-Dasein. Die Leiter begleiten die Kinder in den Gruppenstunden und mit ins Sommerlager, und fahren auch zusammen an Wochenenden weg“, so Glapp.
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Unter dem Wahlspruch „Der Große schützt den Kleinen“ schließe sich so der Kreis. Wer sich gegen die Stelle als Leiter entscheide, könne den eigenen Stamm organisatorisch im Vorstand oder bei der Planung der jährlichen und identitätsstiftenden Zeltlager unterstützen.
Der Pfadfinderstamm St. Josef Rentfort bildet also einen positiven Gegenentwurf. Während die katholische Kirche radikal Mitglieder verliert, und viele Jugendliche mit dem Erreichen der Volljährigkeit auch formell aus der Kirche austreten, bleiben den Pfadfindern die hohen Mitgliederzahlen auch in den älteren Stufen erhalten. „Die Kinder werden durch die Pfadfinder selbstständiger. In einer Gemeinschaft mit Schwerpunkt auf Toleranz, Gleichheit und gegenseitiger Unterstützung bestreiten sie ohne Eltern Abenteuer in der Natur“, sagt Anke Mackenrodt. Ihr Kind trage diese Begeisterung auch aus den Gruppenstunden mit nach Hause. Es sei eine hervorragende Möglichkeit, sich abseits des Alltagsstresses und dem Druck der ständigen Erreichbarkeit zu erden und auf grundlegende Werte der Nächstenliebe zurückzubesinnen.
Pastoralassistent von St. Lamberti hatte die Jugendarbeit in der katholischen Kirche – Messdiener und Pfadfinder – als nicht mehr zukunftsfähig bezeichnet
Was die Pfadfinder sehr geärgert hat: In einem Bericht in der WAZ Gladbeck hatte Thomas Halagan, Pastoralassistent in St. Lamberti, den kirchlichen Jugendinstitutionen, also den Messdienern und den Pfadfindern, die Zukunftsfähigkeit abgesprochen.
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„Das Thema Gott und Glauben spielt für uns eine eher untergeordnete Rolle“, so Annika Glapp. Zwar würden die Pfadfinder die Werte des katholischen Glaubens berücksichtigen und auch in den wöchentlichen Treffen thematisieren, dennoch sei der Glaube an einen christlich katholischen Gott keine Voraussetzung. Andersgläubige und Atheisten seien genauso willkommen. Statt eines Dogmas seien es eher Leitfäden für ein harmonisches Miteinander, die bei den Pfadfindern zählen – frei von Ausgrenzung und Neid.