Gladbeck. Geschäftserwartung auf einem Allzeittief: Die IHK-Konjunkturumfrage zeigt Pessimismus in der regionalen Wirtschaft. Aber nicht alles ist düster.
In Zeiten der Energiekrise ist es schwierig, positive Botschaften aus der Wirtschaft zu entsenden. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen, hat es trotzdem getan: Das Geschäft der Unternehmen liege aktuell noch „klar im positiven Bereich“, betonte er. Lediglich 15 Prozent der 500 Unternehmen, die an der jüngsten, repräsentativen IHK-Konjunkturumfrage teilgenommen haben, auch in Gladbeck, berichten von schlechten Geschäften. „Es gibt zwar einen Eigenkapital-Rückgang, aber noch keine dramatischen Entwicklungen hin zu einer Insolvenzwelle“, sagte Jaeckel bei der Vorstellung der Ergebnisse am Dienstag, 25. Oktober. Die Geschäfte laufen also. Noch.
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Denn die Erwartungen der Firmen sind schlechter denn je. „Die Geschäftserwartungen sind auf ein Allzeittief gesunken“, sagte Jaeckel. 55 Prozent der Betriebe rechnen mit Rückschlägen. „Wir werden mit einem Schritt in die Rezession rechnen müssen.“ Besonders anschaulich macht das die Aussage eines Unternehmens, das an der Konjunkturumfrage teilgenommen hat: „Die Kombination aus gestörten Lieferketten, mangelnder Verfügbarkeit von Logistikdienstleistungen, drohender Rezession und extremen Energiepreisen birgt erhebliche Gefahren für die Existenz unseres Unternehmens“, heißt es da. Und auch: „Europa und dabei insbesondere Deutschland droht im internationalen Wettbewerb mit anderen Regionen deutlich ins Hintertreffen zu geraten.“
Für die regionale Wirtschaft ist die aktuelle Lage bedrohlich
Dass sich Unternehmen deshalb aber bereits umorientieren und aus NRW abwandern wollen, spiele als Szenario noch keine große Rolle, sagte Jochen Grütters, Stellvertreter von Jaeckel und Leiter des IHK-Standorts Emscher-Lippe in Gelsenkirchen, der auch für Gladbeck zuständig ist. Aufgrund der „Qualität der Arbeit“, die in Deutschland weiterhin sehr hoch sei und für komplexe Abläufe in Unternehmen ein wichtiger Faktor sei, sowie auch aufgrund des „Innovationsumfeldes“ durch die reiche Hochschullandschaft in NRW, würden Firmen nicht schnell auf die Idee kommen, den Standort zu verlassen, ergänzte Jaeckel.
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Klar aber ist auch: Für die regionale Wirtschaft ist die aktuelle Lage besonders bedrohlich. Grütters machte darauf aufmerksam, dass zehn Prozent des Erdgasverbrauches des Landes NRW auf den Kreis Recklinghausen und Gelsenkirchen entfalle. „Da sieht man, was in Summe die Gaspreisentwicklung für die Region bedeutet.“ Als Gewinner aus der aktuellen Krise hervorgehen würden deshalb Unternehmen, die „es schaffen, von der Gaspreisentwicklung unabhängiger zu werden“, fügte Jaeckel hinzu. Natürlich sei es schwer, ein Unternehmen, das den Gasbedarf bis jetzt zu 100 Prozent über Erdgas abdeckte, auf null Prozent zu bringen. „Aber es muss ein Energiemix sein“, so Jaeckel. Je unabhängiger man von den Gaspreisen und den Vorgängen in der Ukraine sei, umso mehr sei man bevorteilt.
Preise werden an Kunden weitergegeben – Dämpfer für privaten Konsum unausweichlich
„Das sieht aber auch jedes Unternehmen“, bekräftige der IHK-Hauptgeschäftsführer. Knapp die Hälfte der Betriebe (45 Prozent) haben der Umfrage zufolge bereits mit Effizienz- und Einsparmaßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs reagiert. „Vielen gelingt es – zumindest, soweit es die Wettbewerbssituation zulässt – Energiepreissteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben“, heißt es zudem in dem IHK-Bericht.
Umfrage vor Vorschlag der Gaspreisbremse
Die IHK hat die Konjunkturumfrage vom 19. September bis zum 7. Oktober durchgeführt, also vor Veröffentlichung des Berichts der EpertInnen-Kommission Gas und Wärme mit Vorschlägen zur Gaspreisbremse am 10. Oktober.
IHK-Hauptgeschäftsführer Fritz Jaeckel glaubt jedoch nicht, dass die Ankündigung zu besonders anderen Ergebnissen geführt hätte. Schließlich handele es sich ja bis jetzt nur um einen Vorschlag.
Fritz Jaeckel appellierte deshalb an die Politik, aus dem Vorschlag schnellstmöglich auch ein Gesetz zu machen. „Wir als IHK begrüßen die Ergebnisse der Kommission, bitten aber jetzt um zügige Umsetzung, damit die Unternehmen planen können.“
Das bedeutet natürlich: Für die Kunden wird es immer teurer. Ein inflationsbedingter Dämpfer für den privaten Konsum sei deshalb unausweichlich. Und das würden besonders Sparten zu spüren bekommen, die nicht den täglichen Lebensbedarf abdecken. „Spezialmittelversorger beispielsweise stehen unter einem Wahnsinnsdruck, da gibt es einen Nachfragerückgang von 20 bis 30 Prozent“, sagte Fritz Jaeckel.
Nicht alles ist aber düster, denn der Arbeitsmarkt ist weiterhin robust
Es ist aber, das versuchte Jaeckel erneut zu bekräftigen, nicht alles düster. Dies zeige etwa der Blick auf die Beschäftigtenzahlen. „Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor robust und von den konjunkturellen Entwicklungen entkoppelt“, so der IHK-Chef. Angesichts des gestiegenen Fachkräftemangels versuchten viele Betriebe, ihre Mitarbeitenden auch in der Schwächephase zu halten. Der Beschäftigungsaufbau habe sich deshalb bis zuletzt weiter fortgesetzt. Selbst im Corona-Jahr 2020 war die Beschäftigung mit vermindertem Tempo gewachsen (+0,6 Prozent). 2021 hatte sich die Wachstumsdynamik wieder beschleunigt (+ 2,1 Prozent).
Pessimismus gibt es aber auch bei den Beschäftigtenzahlen: Lediglich 15 Prozent der Betriebe schließen laut Umfrage Freistellungen in den nächsten Monaten nicht komplett aus. Es kommt wohl darauf an, wie kalt der Winter wirklich wird. „Der Herbst jedenfalls“, das konstatierte Jaeckel, „beginnt frostig.“