Gladbeck. Der Ausbau der A2 in Gladbeck trifft auch Landwirte. Einer bangt gar um seine Existenz, weil er Land verlieren wird. Das sagt die Autobahn GmbH.
Thomas Notthoff steht knietief im Kürbisgestrüpp und seufzt. Ein paar Meter hinter ihm rauscht der Verkehrslärm der A2 bei Gladbeck durch die Zypressen, bald wohl noch ein bisschen lauter. „Das ist für mich existenzbedrohend“, sagt Landwirt Notthoff – und meint den Bau des Autobahnkreuzes A2 in Gladbeck durch die Autobahn GmbH. Aus den sechs bisherigen Spuren sollen mal zehn plus Standstreifen werden, dass dafür Land der Ellinghorster Bauern gekauft oder enteignet werden muss, war klar. Dass es auch ihn treffen würde, war Thomas Notthoff nicht bewusst.
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„Ich habe eher zufällig auf den Projektatlas geschaut und musste feststellen, dass sich die Pläne so geändert haben, dass nun auch mir Land genommen wird“, erinnert sich Notthoff, 5000 Quadratmeter seien es ungefähr – und seine liebgewonnene Zypressenreihe. 220 Meter lang, zwölf Meter hoch, ein natürlicher Schutzwall gegen den Autobahnlärm: „Die habe ich gepflanzt, als in den 80er Jahren die A2 verbreitert wurde“, so Notthoff, „außerdem ist sie Lebensraum für etliche Vögel.“ Thomas Notthoff und seine Vögel reihen sich mit dem nahenden Ausbau der A2 und dem Ende des Zypressenwalls in eine ungeliebte Familientradition ein.
Gladbecker Landwirt bangt um Fortbestand seines Hofes – wegen der A2
Sein Großvater verlor beim Bau der A2 im Jahre 1935 Land, sein Vater beim Ausbau in den 80ern, nun ist Thomas Notthoff dran. Das sei frustrierend genug, aber „tragisch“ sei für ihn, dass niemand auf ihn zugekommen sei: „Hätte ich mich nicht bei der Autobahn GmbH gemeldet, hätte ich ja gar nichts davon erfahren.“ Nun befürchtet er, enteignet zu werden, „denn einen Kaufvertrag habe ich ja nicht angeboten bekommen.“
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Die Krux daran: „Von dem Geld, das ich durch die Enteignung zu erwarten habe, kann ich mir kein neues Land leisten“, grübelt Notthoff, „zumal in der Situation des Autobahnausbaus in der Gegend hier ohnehin keiner Land verkaufen will.“ Deswegen sorgt sich der Landwirt nun um nicht weniger als den Fortbestand des Hofes, der schon seit drei Generationen im Familienbesitz ist. Das betreffe natürlich nicht nur ihn, „das macht es noch tragischer.“ Sollte sich eine Anwaltskanzlei einer Sammelklage annehmen, würde er sich anschließen – viel Hoffnung schwingt in Thomas Notthoffs Stimme dabei nicht.
Autobahn GmbH widerspricht Gladbecker Landwirt
Die Autobahn GmbH zeichnet auf Anfrage ein anderes Bild von der „Anpassung der A2“, wie Sprecher Anton Kurenbach die Arbeiten nennt: „Die Pläne wurden in Bezug auf Herrn Notthoffs Grundstück nicht geändert. Der zur Anpassung der A2 benötigte Flächenbedarf von Herrn Notthoff hat sich seit der Einleitung des Hauptverfahrens im Jahr 2014 nicht geändert und entspricht der Darstellung im Projektatlas.“
Außerdem: Von Enteignung im Falle Notthoffs sei derzeit nicht die Rede. Warum hat der Gladbecker Landwirt dann noch kein Kaufangebot erhalten? „Wir werden mit einem Kaufangebot an Herr Notthoff erst dann herantreten, wenn eine Genehmigung der Planungen durch die zuständige Bezirksregierung vorliegt. Ein Enteignungsverfahren ist immer das letzte Mittel, wenn eine Einigung zuvor nicht möglich geworden ist“, erklärt Kurenbach, über Kaufpreise äußere sich die zuständige Autobahn Westfalen nicht öffentlich.
Ellinghorster Brücke fällt – und ersteht wieder auf
Die Ellinghorster Brücke über die A2 wird im Zuge des Autobahnausbaus abgerissen und neu gebaut. Das werde aber noch etwas dauern, so Anton Kurenbach von der Autobahn GmbH.
„Zuerst muss das Baurecht für diesen und den südlich angrenzenden Bottroper Abschnitt vorliegen. Während der eigentlichen Bauzeit ist es dann so, dass erst das Bauwerk verlängert wird, damit die Verbreiterung der A2 stattfinden kann. Dazu muss dies mit den Bauarbeiten im Bereich der Kösheide abgestimmt sein, damit eine durchgängige Erreichbarkeit der Grundstücke während der Bauzeit sichergestellt ist. Deswegen können wir derzeit keinen konkreten Zeitplan nennen.“
Kurenbach merkt an, dass Notthoff an keinem der beiden Termine, zu denen die Planung öffentlich ausgelegt wurde, Einwände eingereicht habe.
Zypressen werden nicht neu gepflanzt
Obendrein werde weniger von Thomas Notthoffs Land benötigt, als der Landwirt selbst vermutet. 3700 Quadratmeter anstelle der 5000 Quadratmeter stünden zum Kauf zur Debatte, „die restlichen 1300 Quadratmeter werden nur vorübergehend während der Bauzeit in Anspruch genommen.“
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Die Zypressen, die dem A2-Ausbau zum Opfer fallen werden, habe die Autobahn GmbH im Blick. „Eingriffe in die Natur gleicht die Autobahn Westfalen gemäß Bundesnaturschutzgesetz mit entsprechenden Umweltmaßnahmen aus“, sagt Anton Kurenbach. „Der temporär in Anspruch genommene Bereich wird erneut bepflanzt und zu einem Lebensraum für Flora und Fauna umgestaltet, mit Gehölz- und Rasenflächen. Die Zypressen werden nicht erneut gepflanzt, da die Autobahn Westfalen dabei auf heimische Gehölze zurückgreift. Zudem enthalten Zypressen Giftstoffe. Wenn unsere Gutachten feststellen, dass vor Ort gefährdete Vogelarten leben, schaffen wir alternative Lebensräume für diese.“
Keine Lärmschutzwand geplant
Nun sind Notthoffs Zypressen nicht bloß Vogelhabitat, sondern auch natürlicher Lärmschutz. Ein sogenannter „aktiver Lärmschutz“, also eine Schallschutzwand, sei nicht vorgesehen, „passiver Schallschutz“, zum Beispiel schallisolierende Fenster für ein Wohnhaus auf Thomas Notthoffs Grundstück hingegen schon.
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Für Thomas Notthoff dürfte die leicht entschärfte Lage kein übermäßiger Trost sein. „Ich bin noch immer ein wenig geschockt“, sagt er und lässt Blick wie Gedanken über seine Kürbisfelder schweifen. Große Autobahnen werfen ihren Schatten voraus.