Recklinghausen/Gladbeck. Der Skandal um rechtsextreme Posts von NRW-Polizisten wird gerade auf besondere Weise aufgearbeitet. Auch im für Gladbeck zuständigen Präsidium.
Volker Mynarek ist Dienstgruppenleiter auf der Polizeileitstelle in Recklinghausen. Für den 50-Jährigen bedeutet Verantwortung, „immer ein offenes Ohr für meine Kolleginnen und Kollegen zu haben“, sagt er. Ganz egal, ob es um dienstliche oder private Sorgen gehe. „Weil man das oft gar nicht trennen kann.“ Sara Hötte sieht ihre Verantwortung in ihrer täglichen Arbeit darin, Grundrechte zu schützen. Und zwar, so die Gruppenbeamtin in der 5. Bereitschaftspolizeihundertschaft, „auch das Recht, gegen uns zu sein“. Und für Bastian Wilms, Einsatzbearbeiter auf der Leitstelle, beginnt Verantwortung „schon beim Erstkontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern im polizeilichen Notruf“.
Was verstehe ich ganz persönlich unter Verantwortung? Mit dieser Frage haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des auch für Gladbeck zuständigen Polizeipräsidiums Recklinghausen in den vergangenen Wochen und Monaten auseinandergesetzt. Herausgekommen sind dabei unter anderem „Social Cards“: Also Fotos mit ganz individuellen Antworten, die zusammen mit einem Video beispielsweise auf den polizeilichen Social-Media-Kanälen ausgespielt werden – und aktuell auch über die Bildschirme im Präsidium flimmern, beziehungsweise dort ausgedruckt an den Wänden hängen.
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Polizei beschäftigt sich intensiv mit dem Thema „Werte“
„Polizeiarbeit ist Wertearbeit“: So lautet der Titel der landesweiten Veranstaltungsreihe. Deren Ziel ist es nach Angaben des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP), „allen Beschäftigten der Polizei NRW die Möglichkeit zu bieten, sich intensiver mit dem Thema Werte auseinanderzusetzen.“ Los ging es im April in Hamm mit dem Wertepaar „Respekt und Wertschätzung“. Und in Recklinghausen wird jetzt eben der Fokus auf die „Verantwortung“ gelegt.
Wanderausstellung im Polizeipräsidium
Im Polizeipräsidium Recklinghausen, Westerholter Weg 27, ist darüber hinaus auch eine Wanderausstellung des Zentrums für ethische Bildung und Seelsorge bei der Polizei (ZeBuS) zu sehen. Sie setzt sich mit den besonderen Anforderungen an Polizisten auseinander, die durch ihre Einsätze an körperliche oder seelische Grenzen gelangen können.
„Wer den Schattenwelten begegnet, läuft Gefahr, nur noch das Dunkel zu sehen“, heißt es auf einer der Tafeln, die auch als Einladung zu verstehen sind, den „Kraftraum“ oder den „Grenzgang“ beim LAFP (Landesamt für Polizeiausbildung) in Selm zu besuchen. Auch dort können sich Polizisten mit den Belastungen und eben auch Werten ihres Berufs auseinandersetzen.
Weiterer Informationen recklinghausen.polizei.nrw.
Zurückzuführen ist diese Veranstaltungsreihe auch auf von nordrhein-westfälischen Polizisten in Chatgruppen. Innenminister Herbert Reul hatte im September vergangenen Jahres den Abschlussbericht der mit der Aufklärung dieses Skandals befassten Stabsstelle vorgestellt. Dieser enthielt auch 18 Handlungsempfehlungen. Deren Ziel: die demokratische Resilienz und die Werteorientierung in der Polizei zu fördern. „Dem Vertrauen in die Polizei gerecht zu werden – das ist unsere Verantwortung“, betonte Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen bei der hiesigen Auftaktveranstaltung im Recklinghäuser Präsidium.
Auseinandersetzung mit den Gräueltaten der Polizei Recklinghausen in der Nazi-Zeit
Dass sich die Behörde mit dem herausfordernden Wert „Verantwortung“ befasse, sei naheliegend gewesen, so Pressesprecher Andreas Wilming-Weber. Denn schon seit Jahren setze man sich intensiv mit Gräueltaten auseinander, die die Recklinghäuser Polizei in der Zeit des Nationalsozialismus begangen habe – spreche darüber etwa im Rahmen von Fortbildungen oder Veranstaltungen mit dem inzwischen verstorbenen Holocaust-Überlebenden Rolf Abrahamsohn.
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Diese Verbrechen würden auch ein wichtiges Thema beim „Tag der offenen Tür“ am 3. Oktober sein: Dann will die Behörde mit den Bürgerinnen und Bürgern ihr 100-jähriges Bestehen feiern. „Verantwortung ist für mich, aus dem Gestern zu lernen, um im Heute mit dazu beizutragen, dass das Morgen nicht wieder zum Gestern wird!“ So steht es auf Wilming-Webers „Social Card“.
Verantwortung für 730 Menschen im Kreis und in Bottrop
Polizeipräsidentin Zurhausen betonte, dass Wertearbeit nichts einmaliges, sondern ein kontinuierlicher Prozess sei: „Professionelle Polizeiarbeit verlangt einen stabilen Wertekompass und eine sich stets reflektierende Polizei.“ Und die Arbeit dieser Polizei, die – wie es auf einem Plakat zur Aktion heißt – auch die Verantwortung für 730.000 Menschen im Kreis und in Bottrop übernimmt, basiere eben auf den Grundwerten unserer Verfassung, daran habe sie sich zu orientieren.